Golden Lemons

Golden Lemons

Originaltitel
Golden Lemons
Regie
Jörg Siepmann
Darsteller
Die Goldenen Zitronen, Wesley Willis, Schorsch Kamerun, Ted Gaier
Kinostart:
Deutschland, am 28.08.2003 bei Real Fiction
Genre
Dokumentarfilm
Land
Deutschland
Jahr
2002
Länge
81 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
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Die deutsche Punkband "Die Goldenen Zitronen" tourt als Vorgruppe durch die USA. Die linken Musiker werden Amerika mit ihren kritischen Texten nicht bekehren, den die deutschen Texte versteht das englischsprachige Publikum eh nicht. Die Zwischenmoderation nehmen die wenigsten wahr, applaudieren freundlich, lassen sich nicht provozieren. Die Zitrusfrüchtchen um Sänger Schorsch Kamerun und Gitarrist Ted Gaier spielen nicht in großen Footballstadien als Vorgruppe der "Rolling Stones" oder den "Scorpions", nein die unbeirrbaren Punker geben ihr US-Debüt in dunklen, engen Kellern und den Bühnen zweitklassischer Locations.

Der Hauptakt ist ein schizophrener Rockstar namens "Wesley Willis". Dessen provokative Eingangsnummer heißt "Osama Bin Laden" und irritiert das US-Publikum nachhaltig. Vierzehn Tage USA, die Reise im engen Tourbus führt von San Francisco bis zur mexikanischen Grenze, Gig reiht sich an Gig, vierzehn an der Zahl und rauben die Kräfte aller Beteiligter. Willis ist ein schwergewichtiger Afroamerikaner. Er singt allabendlich - von maximal 3 Akkorden seines Keyboards begleitet - ausschließlich von seinem Leid. Seine Songs sind alle nach dem gleichen Schema gebaut, das Publikum reagiert amüsiert, verstört oder verabschiedet sich genervt.

Die Gemeinschaft mit den "Golden Lemons" ist für die Beteiligten keine Herzensangelegenheit, eher eine Zweckgemeinschaft. Während Willis gegen seine eigenen Dämonen ankämpft, sich seit dem Mord an dem Bruder auf einem persönlichen Kreuzzug gegen die destruktive Mehrstimmigkeit in seinem Kopf ankämpft, stehen die goldenen Zitronen seit 20 Jahren mit und für politische Themen auf der Bühne. Hier in der monoton dahinvegetierenden amerikanischen Provinz sind sie Lichtjahre in Zeit und Raum von ihrem gewohnten Alltag entfernt, hier wird das Leben von miesen Burgern und seichtem Kaffee geprägt.

Dass das Busradio Tag und Nacht seichten Pop abdudelt macht die Sache auch nicht leichter. Auf den täglich wechselnden Auftrittsorten begegnen die in die Jahre gekommenen Punkmusiker die für Amerika so typischen Wanderprediger und schräge Girlie-Groupies. Es ist für die Deutschen jeden Tag eine neue Herausforderungen, sich unter diesen Umständen zu motivieren. Von den ungewöhnlichen Erlebnissen gleichermaßen genervt und herausgefordert, stellen sie ihre Existenz und ihr musikalisches Werk in ihren Gesprächen in Frage.
Dieser Film ist in Form und Inhalt so chaotisch wie das darin gezeigte Geschehen. Als Jörg Siepmann für seinen Abschlussfilm an der Kunsthochschule Köln das Konzept von "Golden Lemons" entwickelte, dachte er an eine ambitionierte, etwas naiv von Erfolg und Ruhm träumende Boygroup. Doch dann stieß der Regieabsolvent auf eine Punkband namens "Die Goldenen Zitronen"! Und die sind bekanntlich weder jung noch naiv. Auch glaubten sie im Vorfeld der Tour nicht an den phänomenalen Durchbruch. Dazu der schizophrene Rockstar namens "Wesley Willis". Dessen Tourmanager, ein schräger Psychopath, lässt den Filmemacher und seinen Kameramann zunächst nicht in den Tourbus, wo 90 Prozent des Filmmaterials entstehen soll. Erst nach nervenden kaum verwertbares Material erbringende sechs von zwölf Drehtagen kommt überraschend die Einladung im Bus mitzufahren. Zwischenzeitlich darf sich die kleine Filmcrew nicht näher als 500 Fuß (ca. 150 Meter) nähern. Kein Wunder dass Regisseur Siepmann rückblickend resümiert: "Golden Lemons ist das Ergebnis dieses Alptraums und heute weiß ich, dass ich mir diesen Film nicht ausgesucht habe, er hat mich gefunden". Mal sehen ob auch das Arthauspublikum dieses ungewöhnlichen Roadmovie findet...
Nicola Turri, Filmreporter.de
2024