MGM
Kes

Kes

Originaltitel
Kes
Regie
Ken Loach
Darsteller
Julie Goodyear, Eric Bolderson, Joe Miller, Beryl Carroll, Julie Shakespeare, Bill Deam
Kinostart:
Deutschland, am 05.03.1972 bei
Genre
Drama
Land
Großbritannien
Jahr
1969
Länge
115 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
8,0 (Filmreporter)
8,0 (1 User)
Sozialstudie vom Meister des britischen Films
Billy Casper (David Bradley) lebt in bescheidenen Verhältnissen. Von seinem älteren Halbbruder Jud (Freddie Fletcher) - mit dem der 14-jährige gar in einem Bett schlafen muss - wird er ständig schikaniert und herumkommandiert. Im Ort wird er wegen seiner sozialen Herkunft stigmatisiert und ständig allerlei Untaten verdächtigt, zudem lehnen seine Schulkameraden ihn rundweg ab. Das liegt zum einen daran, dass der etwas störrische Junge morgens Zeitungen austragen muss, um zum Familienunterhalt beizutragen und so nur wenig Zeit für Freundschaften hat.

Zum anderen hält er sich von seinen früheren Kumpels fern, nachdem die Polizei wegen kleinerer Diebstähle der Gruppe bereits auf ihn aufmerksam geworden ist. Dazu kommt, dass Billy aus Selbstschutz ruppig und misstrauisch gegenüber seiner Umwelt geworden ist. Nicht mal im Fußball kann er punkten... Seine Mutter (Lynne Perrie) kann ihrem Jüngsten wenig helfen, Sie muss die kleine Familie ernähren, das ist im verarmten Kohlepott Nordenglands schwer genug. Zudem hat Billys Vater die Familie schon lange verlassen. Da er von den meisten Lehrern in der Schule ständig beleidigt, bestraft und gedemütigt wird, bleibt dem verzweifelten Junge nur noch ein Lichtblick: Billy hat einen kleinen Falken. Seine ganze Freizeit verbringt er mit dem Studium der Falknerei, dem Füttern, Abrichten und Beobachten seines fliegenden Freundes. Ohne Kes, so hat er den Greifvogel getauft, wäre sein Leben die reine Tristesse.
Ken Loach ("Sweet Sixteen", "My Name is Joe") ist das Aushängeschild des britischen Arbeiterfilms. Seine exakten soziologischen Beobachtungen sind ein düsterer Spiegel der verrohten englischen Gesellschaft. Keiner legt den Finger derart penetrant in die nationale Wunde wie der marxistische erklärte Antikommunist. Wie bei seinen späteren Filmen, setzt Loach auch bei "Kes" auf Laiendarsteller. Deren spielerische Defizite werden durch ihr authentisches Auftreten mehr als wettgemacht.

Der einzige Profidarsteller ist Colin Welland in der Rolle des Lehrers Mr. Farthing. Er ist die einzige Figur, die einen Gegenentwurf zu dem darwinistischen Gesellschaft aufzeigt. Farthing zeigt Verständnis für die Zwänge des von David Bradley eindringlich gespielten Jungen, versucht auf ihn einzugehen, zeigt seinen Schülern auch dessen positive Seite auf. Obwohl "Kes" bereits 1969 entstanden ist, und in seiner überrealistischen, etwas tristen Bilderwelt und dem pädagogischen Grundton heute etwas antiquiert wirkt, hat das sozialkritische Drama immer noch eine beeindruckende ehrzählerische Kraft. Dem studierten Rechtswissenschafter und fünffachen Vater Loach gelang mit "Kes" nicht nur der internationale Durchbruch, er wurde auch mit zwei Brit-Awards ausgezeichnet.
Nicola Turri, Filmreporter.de
2024