Wild Bunch Germany
Die Wütenden ("Les Misérables", 2019)

Die Wütenden

Originaltitel
Les Misérables
Alternativ
Les Miserables
Regie
Ladj Ly
Darsteller
Damien Bonnard, Alexis Manenti, Djibril Zonga, Issa Perica, Al-Hassan Ly, Steve Tientcheu
Kinostart:
Deutschland, am 23.01.2020 bei Wild Bunch
Kinostart:
Österreich, am 24.01.2020 bei Alamode Österreich
Kinostart:
Schweiz, am 09.01.2020 bei Filmcoopi
Kinostart Deutschland
Die Wütenden
Genre
Komödie
Land
Frankreich
Jahr
2019
Länge
102 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
7,0 (Filmreporter)
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Ladj Ly lädt in die tristen Banlieue von Paris
Polizist Stéphane (Damien Bonnard) ist ein sanftmütiger, gerade geschiedener, alleinerziehender Vater. Er ist neu in der Einheit der Verbrechensbekämpfung in Montfermeil, die in Zivil Streife fährt. Bereits am ersten Arbeitstag wird er von seinen Kollegen Chris (Alexis Manenti) und Gwada (Djibril Zonga) in die ungeschriebenen Regeln der Polizeipräsenz im Viertel eingewiesen. Die Beamten auf der Straße sind längst Teil eines machtvollen Netzwerkes aus Kleinkriminellen, Muslimbrüdern und Politikern, die die Macht unter sich aufgeteilt haben.

Die Situation eskaliert, als das Löwenbaby Little Johnny aus einem Zirkus der Sinti gestohlen wird. Mit unverkennbaren Drohgebärden fordern die muskelbepackten Besitzer die Rückgabe des Tieres. Es wurde vom Minderjährigen Issa (Issa Perica) gestohlen, einem bei der Polizei bestens bekannten Dieb und Schulschwänzer, der von seiner Mutter rausgeworfen wurde. Auf der Flucht vor den drei Polizisten wird Issa von Gwanda schwer verletzt. Chris will die Tat vertuschen, die von einem anderen Jugendlichen gefilmt wurde. Stéphane hat moralische Skrupel. Aber das Beziehungsgeflecht der Erwachsenen, die Dinge nach ihren Regeln unter sich zu klären. Ihre Wut über die Herabsetzung lassen die Teenager an den Polizisten aus.
Knapp 170 Jahre nach dem Erscheinen von Victor Hugos "Les Misérables - Die Elenden" entführt Regieneuling Ladj Ly erneut in die tristen Banlieue (Vororte) von Paris, die er selbst gut kennt. Er wächst in Montfermeil auf, einem Viertel, in dessen Wohnsilos vor allem Migranten aus dem Maghreb und vom afrikanischen Kontinent leben. Der Hoffnungslosigkeit stellt er sich filmisch. 2007 realisiert der Franzose mit Wurzeln in Mali den Dokumentarfilm "365 jours à Clichy-Montfermeil" über die alltägliche Gewalt in dem Viertel. Ein Jahr später filmt er zufällig die Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Jugendlichen in den Banlieue.

Seine Version der 'Elenden' kann wie ein Vorspiel zu den Exzessen von 2008 gesehen werden. Oder zu den Unruhen des Jahres 2005, die mit dem Tod zweiter Jungen begannen, die auf der Flucht vor der Polizei sterben. Im Frühjahr 2006 stürmen dann mit Baseballschlägern bewaffnete Jugendliche das Wohnhaus von UMP-Bürgermeister Xavier Lemoine. Knapp 3.000 Menschen werden während der folgenden Straßenschlachten festgenommen, mehr als 8.000 Autos gehen in Flammen auf.

Ladj Ly verdichtet die Ereignisse auf wenige Tage und zieht nicht nur über die Wahl des Titels Parallelen zum Juniaufstand der Pariser Arbeiter von 1832, den Hugo mit offener Sympathie für die Aufständischen beschreibt. Auch der Regisseur steht auf der Seite der Abgehängten. Und wie der große Meister des französischen Romans stellt er einen Mann ins Zentrum, der einen Funken Hoffnung in eine Gesellschaft bringt, in der sich viele aufgegeben haben und der Jugend kaum eine Zukunft bleibt. Kriminelle Geschäfte scheinen für die Heranwachsenden der einzige Weg zum sozialen Aufstieg und zur Teilnahme am Wohlstandskuchen. Zum stillen Hoffnungsträger wird ein Polizist namens Stéphane (Damien Bonnard).

Wie einst Hugo schildert Ladj Ly in seinem semi-dokumentarisch Drama akkurat die sozialen Lebensumstände im Viertel, bleibt sehr dicht mit der Kamera an den Figuren dran. Wobei ihn weniger die kulturellen oder ökonomischen Gründe für die sozialen Missstände am unteren Ende er französischen Wohlstandsgesellschaft interessieren. Er beschreibt die Folgen für die Seele von Heranwachsenden, die in einer vermüllten, vernachlässigten Gegend aufwachsen, in der der Rechtsstaat und Schule längst aufgegeben haben und auch die Eltern ratlos gegenüber ihren chancenlosen Kindern agieren. An das Glücksversprechen vom sozialen Aufstieg glaubt hier niemand mehr.

Hier widerspricht Ladj Ly dem Optimismus von Hugo, in dem das Elend durch ethisches Handeln Einzelner behoben oder zumindest gelindert wird. Stéphane positioniert sich, gegen die verfestigten Strukturen scheint er machtlos.
Katharina Dockhorn/Filmreporter.de
Knapp 170 Jahre nach dem Erscheinen von Victor Hugos "Les Misérables - Die Elenden" entführt Ladj Ly in die tristen Vororte von Paris.
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