Piffl Medien
Martin Eden (2019)

Martin Eden

Originaltitel
Martin Eden
Regie
Pietro Marcello
Darsteller
Luca Marinelli, Jessica Cressy, Vincenzo Nemolato, Marco Leonardi, Denise Sardisco, Carmen Pommella
Kinostart:
Deutschland, am 26.08.2021 bei Piffl Medien
Kinostart:
Österreich, am 20.08.2021 bei Filmladen
Kinostart:
Schweiz, bei Cinémathèque
Genre
Drama
Land
Italien, Frankreich, Deutschland
Jahr
2019
FSK
ab 6 Jahren
Länge
129 min.
IMDB
IMDB
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brillant  10|
8,0 (Filmreporter)
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Pietro Marcellos kongeniale Jack London-Verfilmung
Martin Eden (Luca Marinelli) muss nach der ersten Klasse die Schule verlassen und verdient sich seit seinem 11. Lebensjahr seinem Lebensunterhalt auf den sieben Weltmeeren. Im Hafen von Neapel bewahrt der kräftige Matrose einen jungen Mann aus bestem Hause vor den Schlägen eines rabiaten Wachmanns. Der führt ihn in sein Elternhaus ein, wo sich Martin sofort in die schöne Elena (Jessica Cressy) verliebt. Schüchtern erwidert sie seine Gefühle.

Beeindruckt vom Prunk in Elenas Elternhaus, ihrem Wissen und ihren Manieren, beschließt Martin seinem Leben eine Wendung zu geben. Er lernt lesen, verschlingt alle Bücher, die er auf dem Flohmarkt in die Hände bekommt, und beschließt, Schriftsteller zu werden. Sehr zum Ärger seiner Familie, denen der Hungerleider auf der Tasche liegt. Martin nimmt harte Arbeit in einer Eisengießerei an und flüchtet sich schließlich zu einer wohlmeinenden Witwe aufs Land. Als sich die ersten Erfolge seiner Bücher einstellen, kann er sich an deren Erfolg nicht recht erfreuen.
Der italienische Regisseur Pietro Marcello verpflanzte den autobiografisch gefärbten, 1909 erstmals erschienen Bestseller von Jack London kongenial nach Italien. Er veränderte viele Details, behält aber den grundlegenden Handlungsablauf sowie Grundkonflikt der Geschichte des Aufsteigers bei. Der verliebt sich in eine Frau, deren Familie die Liaison mit dem Proleten und Hungerleider ablehnt. Eingeflochten werden zudem die politischen Überzeugungen des Schriftstellers, der bis 1915 Mitglied der sozialistischen Partei der USA ist. London ist ein Anhänger des englischen Philosophen und Soziologen Herbert Spencer, der im Film Martin Eden prägt. Spencer überträgt die Evolutionstheorie auf die gesellschaftliche Entwicklung und gilt als Vordenker des Sozialdarwinismus.

Londons schonungslose Abrechnung mit dem amerikanischen Traum und seinem Glücksversprechen wird in dieser Adaption zu einem Abgesang auf die Versprechen der freien Marktwirtschaft und der Aufstiegsmöglichkeiten für jedermann. Dass die Konzeption aufgeht, liegt an drei Faktoren. Zum einen an Luca Marinelli, der bei der Premiere des Gesellschaftsfilms bei den Filmfestspielen von Venedig 2019 als bester Schauspieler ausgezeichnet wird - er ist ein absoluter Glücksfall. Er spielt Edens Aufstiegswillen ebenso überzeugend wie zum Ende seine Müdigkeit über den angestrebten Erfolg. Er begreift, dass die Welt, wie er sie kennt, nicht veränderbar ist.

Zweitens ist es die geniale Kameraarbeit. Die körnigen 16mm-Aufnahmen folgen Eden auf Schritt und Tritt, der Bildausschnitt erinnert oft an den Stil der Filme von Terrence Malick. Zum dritten ist es die meisterhafte Beschwörung einer untergegangenen Epoche, in der der Sozialismus als Alternative zur Klassengesellschaft und Heilsversprechen galt. Der genaue Zeitpunkt der Handlung bleibt vage, obwohl der Regisseur immer wieder Archivaufnahmen in die Handlung einbettet.

Pietro Marcello spitzt diesen Konflikt Edens auf den Gegensatz zwischen Individualismus und Selbstbestimmung, an die Eden glaubt, und das Kollektiv, an das die Führer der sozialistischen Partei glauben, zu. Diese kluge Überlegung macht den Film hochaktuell und brisant. Könnte die Ichbezogenheit und der Glauben an das Glücksversprechen doch auch dazu führen, dass das gegenwärtige Wirtschaftssystem mit seinen Verwerfungen zwischen Arm und Recht, Eliten und Volk, als alternativlos gesehen wird.
Katharina Dockhorn/Filmreporter.de
Piffl Medien, Francesca Errichiello
Martin Eden (2019)
2024