Schussangst

Schussangst

Originaltitel
Schussangst
Regie
Dito Tsintsadze
Darsteller
Charlotte Roche, Rudolf W. Marnitz, Ingeborg Westphal, Johan Leysen, Thorsten Merten, Axel Prahl
Kinostart:
Deutschland, am 15.04.2004 bei Zephir Film
Genre
Drama
Land
Deutschland
Jahr
2003
FSK
ab 16 Jahren
Länge
106 min.
IMDB
IMDB
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brillant  10|
7,0 (2 User)
Wer aus Liebe zum Verbrecher wird...
Der Zivildienstleistende Lukas (Fabian Hinrichs) fährt Essen für alte und kranke Menschen aus. Er hat kaum Freunde in der neuen Stadt, nachts rudert er alleine auf dem stillen Fluss. Aus heiterem Himmel tritt die seltsame Isabella (Lavinia Wilson) in sein Leben. Sie ist schön und geheimnisvoll und mit frappierender Selbstsicherheit vollkommen verrückt. Sie quartiert sich bei Lukas ein, verschwindet wieder, ist plötzlich wieder da, liegt nackt in Lukas' Badewanne. Über Nacht wird sie seine beste Freundin und weigert dann wieder standhaft, ihm zu erklären, wer sie eigentlich ist. Lukas verliebt sich in sie, und er findet heraus, dass sie ein sexuelles Verhältnis mit ihrem Stiefvater hat, dem Motivationstrainer Romberg (Johan Leysen). Je mehr Isabella sich Lukas entzieht, desto tiefer verrennt er sich in die fixe Idee, sie von Romberg befreien zu müssen. Ohne dass er sich je wirklich dazu entschlossen zu hätte, erfährt er wie von Geisterhand von allen Seiten Unterstützung für das Vorhaben, Isabellas Stiefvater zu erschießen. Seine Kundin Sieveking (Ingeborg Westphal), eine in die Jahre gekommene Prostituierte, stellt ihm ungebeten "Den Albaner" (Lasha Bakradze) vor, der ihm ein Gewehr aufschwatzt; Kriegsveteran Beckmann (Rudolf W. Marnitz) bringt ihm das Schießen bei. Sogar Romberg selbst hilft unfreiwillig mit - seine Motivationsbücher lehren Lukas, seine Angst zu überwinden. Der ständig verschnupfte Kriminalpolizist Johannsen (Christoph Waltz) zeigt Lukas schließlich unverhohlen die beste Schussposition. Als die Ursache seines Zorns plötzlich nicht mehr existiert, ist Lukas schon zu weit gegangen, kann er längst nicht mehr zurück.
"Schussangst" mutet oft surreal an und ist doch so lebensecht gezeichnet, dass die Geschichte nie abhebt, nie die Bodenhaftung verliert. All die Figuren, die dem wie schlafwandelnd sich fortbewegenden Lukas begegnen, wirken wie aus dem Leben gegriffen. Die schwarzhumorige Komik der vielen Randereignisse ist nicht zuletzt deshalb so brüllend lustig, weil sie von den fantastischen, weitgehend unbekannten Darstellern herrlich lakonisch und verblüffend selbstverständlich eingeflochten wird. Das Drehbuch zu "Schussangst", das Dirk Kurbjuweit aus seinem gleichnamigen Roman entwickelt hat, strotzt auf unaufdringliche Weise nur so vor Einfallsreichtum. Und die Hauptdarsteller sind großartige Entdeckungen: Die hinreißende Lavinia Wilson, die der Unberechenbarkeit Isabellas jederzeit Glaubwürdigkeit verleiht und sie zugleich zerbrechlich und gemein, unschuldig und sexy wirken lässt. Und Fabian Hinrichs, der seinen Lukas glaubhaft in den Wahnsinn driften lässt, ohne dafür eine einzige plakative Geste zu benötigen. Reifer als noch bei seinem Vorgänger "Lost Killers" komponiert der georgische Regisseur Dito Tsintsadze aus all diesen Elementen eine filmische Ballade, die mit ihren klaren, ruhigen Bildern dahingleitet wie Lukas' Boot auf dem nächtlichen Fluss. "Schussangst" bewegt sich in einem tranceartigen Rhythmus, der uns alles glauben macht, was in diesem unwirklichen Film passiert. Bis ein Schuss uns aufweckt.
Michael Wopperer/Filmreporter.de
Alive
Schussangst
2024