Neue Visionen Filmverleih
Über die Unendlichkeit ("Om det oändliga", 2019)

Über die Unendlichkeit

Originaltitel
Om det oändliga
Alternativ
About Endlessness; Über die Endlichkeit
Regie
Roy Andersson
Darsteller
Bengt Bergius, Anja Broms, Marie Burman, Amanda Davies, Tatiana Delaunay, Karin Engman
Kinostart:
Deutschland, am 17.09.2020 bei Neue Visionen Filmverleih
Kinostart:
Österreich, bei Polyfilm
Kinostart:
Schweiz, am 04.06.2020 bei Xenix Film
Kinostart Deutschland
Über die Unendlichkeit
Genre
Drama
Land
Schweden, Deutschland, Norwegen
Jahr
2019
Länge
78 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
7,0 (Filmreporter)
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Die Engel sind zurück
Die Engel sind zurück über Deutschland. Sie schweben allerdings nicht über dem geteilten Berlin. Sie bestaunen vielmehr das von den Bomben des 2. Weltkriegs zerstörte Köln, aus dessen Silhouette der Dom herausragt. Die Kathedrale, in Jahrhunderten von Menschenhand gebaut, um Gott zu ehren, trotzte der eigenen Endlichkeit und dem Wahnsinn der Feuerbrunst in der Stadt am Rhein.
Die Szene gehört zum neuen Werk des exzentrischen schwedischen Filmemachers Roy Andersson "Über die Unendlichkeit". Mit "Songs from the Second Floor" aus dem Jahr 2002, dem 2007 entstandenen Drama "Das jüngste Gewitter" sowie "Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach" legte er eine meisterhafte Trilogie über das Wesen des Menschen vor, an die er jetzt inhaltlich anknüpft. Erneut reiht der große Pessimist unter Europas Filmemachern Dutzende lose Episoden, die von den Märchen aus "1001 Nacht" inspiriert wurden, scheinbar wahllos aneinander. Und konzipiert so ein Gesamtbild des von seiner Umwelt entfremdeten, einsamen Menschen, von dessen Hadern mit der eigenen Vergänglichkeit und die Unmöglichkeit des Aufbaus von Beziehungen zu seinen Nächsten.

Jede Episode leitet eine himmlische Feenstimme mit den Worten ein: "Ich kannte einen Mann..." oder "Ich kannte eine Frau, die...". Zum Beispiel einen verzweifelten katholischen Priester. Er sucht Hilfe bei einem Psychiater und nicht bei seinem Schöpfer nachdem er seinen Glauben verloren hat. In seinen Albträumen plagen ihn die Imaginationen der eigenen Kreuzigung und des Vergnügen seiner Mitmenschen, ihn zu demütigen.

Oder den überreizten, depressiven Adolf Hitler. (Magnus Wallgren) In der Stunde der Niederlage gelingt es ihm nicht, die eigene Würde zu bewahren und seinen letzten Getreuen neuen Überlebenswillen einzuhauchen. Während die Schöpfer des Grauens saufend dem Ende entgegensehen, schleppt sich eine endlose Kolonne einfacher Soldaten in die Hölle, ein Kriegsgefangenenlager in der verschneiten sibirischen Einöde.

Aber auch viele Alltagsbeobachtungen reiht der Regisseur aneinander. Er beobachtet den Vater, der seiner Tochter auf dem Weg zum Kindergeburtstag die Schuhe bindet und dabei vom strömenden Regen durchnässt wird. Oder den Mann, der .jenen Jungen zufällig wieder trifft, den er in der Schule mobbte. Und der es beruflich weiter brachte als er selbst.

Göttliches Handeln und teuflische Zerstörung liegen in Anderssons Meditation über die Menschlichkeit des eigenen Geschlechts dicht beieinander. Die Anekdoten sind von bitter-süßer Poesie, nur der skurrile Humor fehlt, der Anderssons Filme so einmalig machte. Offensichtlich ist ihm ob der Beschreibung des Zustands der Menschheit das Lachen im Halse stecken geblieben.

Ästhetisch bleibt sich der 76-jährige Schwede treu. Jede Szene wirkt wie eine sorgsam arrangierte Versuchsanordnung Schwedens der 1950er Jahre, in der die Farbe fehlt. Straßen und Plätze sind ohne Bäume. Das für die Augen entspannende Grün sucht der Betrachter vergebens. Dazu passen die bleich geschminkten Gesichter von Anderssons Protagonisten.

Dieser beigen Tristesse will der Zuschauer bald nur noch entfliehen, und das wird ein wenig zum Problem des Films. Der Film über die Unendlichkeit wirkt trotz seiner Kürze unendlich und frustrierend. Andererseits scheint genau diese nervende Konfrontation des Betrachters mit der eigenen Unvollkommenheit und Langeweile des Daseins die Absicht des Regisseurs gewesen zu sein.
Katharina Dockhorn/Filmreporter.de
Die Engel sind zurück!
 
Der große Pessimist unter Europas Filmemachern reiht Episoden, die von "1001 Nacht" inspiriert sind, scheinbar wahllos aneinander.
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