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Jeder für sich und Gott gegen alle - Kaspar Hauser

Jeder für sich und Gott gegen alle - Kaspar Hauser

Originaltitel
Jeder für sich und Gott gegen alle - Kaspar Hauser
Alternativ
Kaspar Hauser - Jeder für sich und Gott gegen alle
Regie
Werner Herzog
Darsteller
Bruno S., Walter Ladengast, Brigitte Mira, Willy Semmelrogge, Michael Kroecher, Hans Musäus
Kinostart:
Deutschland, am 01.11.1974 bei Filmverlag der Autoren und Futura Film-Verleih
Genre
Drama
Land
Deutschland
Jahr
1974
FSK
ab 12 Jahren
Länge
109 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
7,0 (Filmreporter)
7,5 (4 User)
Glaubwürdige Darstellung des Kaspar Hauser
Im Jahre 1828 taucht in Nürnberg ein geheimnisvoller junger Mann (Bruno S.) auf. Er kann kaum gehen und sprechen, geschweige denn mit Messer und Gabel essen. Wie sich herausstellt, war der mittlerweile 17-Jährige schon als kleines Kind in ein Kellerloch eingesperrt worden, ohne menschliche Kontakte pflegen zu dürfen. Er wurde zwar mit Nahrungsmittel versorgt, doch niemand hat in dieser Zeit mit dem Jungen auch nur gesprochen.

Ein Wunder, dass er solche Folter überlebt hat. Dieser Kaspar Hauser erweckt sofort die Neugier der Biedermeier-Gesellschaft Nürnbergs. Bei seinem Lehrer lernt er Lesen, Schreiben und gesellschaftliche Umgangsformen. Doch seine naive, unverbildete Logik stößt auf Unverständnis: Sie provoziert, entlarvt und verspottet die Gesellschaft. Auch das Ende seiner Gefangenschaft bringt für Kaspar Hauser nicht das Glück der Freiheit.
Werner Herzog versuchte 1974, ungefähr zwischen "Aguirre" und "Nosferatu", eine Annäherung an eines der tief- und abgründigsten Motive der Populärphilosophie - die Geschichte des fast schon sprichwörtlich gewordenen Kaspar Hauser. Die geheimnisvollen Geschehnisse um das merkwürdige Findelkind werfen unzählige Fragen auf nach der Funktionsweise des menschlichen Verstandes, den Mechanismen von Zivilisation und Gesellschaft, den Wegen von Erkenntnis und Wahrnehmung. Herzog behandelt diese Thematiken behutsam und distanziert, er umkreist seine Geschichte mehr als er in sie eindringt, er lässt die essentiellen Fragen sich selbst aufwerfen.

Mit seinen charakteristischen Leerstellen, stillen Längen in Bewegungslosigkeit eignet sich Herzogs Stil besser zur Abbildung des Themas als der eher erzählerische, historische und kriminalistische Ansatz, den Peter Sehr 1993 für seine Kaspar-Hauser-Version wählte. Über weite Strecken lebt "Jeder für sich und Gott gegen alle" von der beängstigend glaubwürdigen Darstellung Kaspars durch den mysteriösen Bruno S., der 23 Jahre in verschiedenen Anstalten und Heimen verbracht hatte und nur drei Mal als Schauspieler tätig wurde - zwei Mal allein für Werner Herzog.

Ein anderer hätte wohl auch kaum mit jemandem gearbeitet, der stundenlang schreien musste, bis er in der Lage war, eine Szene zu spielen. Herzog machte diesen Wahnsinn für seinen Film nutzbar - und schuf so einen verstörend wahrhaftigen Kaspar Hauser.
Michael Wopperer/Filmreporter.de
Kinowelt
Kaspar Hauser – Jeder für sich und Gott gegen alle
2024