Eine Sekunde

In die Wirren der Kulturrevolution führende Verneigung vor der Kraft und Magie des Kinos von Zhang Yimou. Der Regisseur bleibt trotz zahlreicher Schwierigkeiten mit der Zensur in den vergangenen Jahrzehnten seiner Heimat treu und hat selbst eine lange Geschichte hinter sich. Bei der Berlinale soll der Film 2019 im Wettbewerb laufen und wird kurz vor der Premiere aus 'technischen Gründen' zurückgezogen. Trotz einer Kürzung um eine Minute und zwei Überarbeitungen darf er auch 21 Monate später beim Golden Rooster and Hundred Flowers Festival, einem chinesischen Filmpreis, nicht gezeigt werden. Trotzdem darf der Film in China starten und wird ein großer Publikumserfolg.

Natürlich kann die mögliche Brisanz der Ursprungsfassung nicht beurteilt werden, die Autorin dieser Kritik hat die bearbeitete Fassung 2021 beim Filmfestival in Zürich gesehen. Die Querelen bezeugen aber die Nervosität der chinesischen Zensur im Deutungskampf um die Wirren der eigenen Geschichte. Zhang Yimou führt in eine abgeschiedene, staubige Welt, in der das Kino die einzige Unterhaltung bietet. Der Andrang der Dorfbewohner ist ebenso groß wie die Enttäuschung, wenn die Vorstellung von "Heroische Söhne und Töchter des Volkes" ausfällt. Propaganda pur und doch geliebt. Auch wenn die eigene Realität nichts mit den Bildern auf der Leinwand gemein hat. Dieser Widerspruch wird schnell klar, daher setzt der Regisseur zunehmend auf die Verfolgungshatz. Er gestaltet sie mit ungeheurer Liebe zu seinen Figuren, den Vergessenen und Ausgestoßenen, die sich nichts mehr wünschen als Teil des chinesischen Traums zu sein.