20th Century Fox
Avatar - Aufbruch nach Pandora
Neue Welt, neuer Körper: "Avatar"
Feature: James Camerons spacige "Titanic"
James Cameron ist ein Perfektionist. Der Regisseur versucht, die technologischen Grenzen des Filmemachens zu verschieben. Der Architekt phantastischer Welten macht die digitalen Effekten zu unentbehrlichen Werkzeugen, um seine Visionen auf der Leinwand zu realisieren. Unvergessen, wie sich der T-1.000 in "Terminator 2 - Tag der Abrechnung" in flüssiges Metall verwandelt und seine Gestalt ändert. Oder wie die Titanic ihrem tragischen Ende entgegensteuert. In "Avatar - Aufbruch nach Pandora" erschafft Cameron eine ganz neue Welt - und zeigt uns sein Fantasieuniversum in nie da gewesener Form.
erschienen am 8. 01. 2010
20th Century Fox
Zoë Saldaña und Sam Worthington in "Avatar"
Eintauchen in eine fremde Kultur
Wir schreiben das Jahr 2154. Die Menschen haben auf dem Mond Pandora ein kostbares Mineral entdeckt, das die Energieprobleme der Erde lösen könnte. Beim Versuch, sich das kostbare Gut unter den Nagel zu reißen, stoßen sie jedoch auf Widerstand. Die einheimischen Na'vi, blauhäutige Wesen, die eng verwoben mit dem ökologischen System ihrer Welt leben, wehren sich gegen die Ausbeutung ihrer Heimat. Als der querschnittsgelähmte Ex-Marine Jake Sully (Sam Worthington) nach Pandora geschickt wird, um seinen toten Zwillingsbruder zu ersetzen, gerät er zwischen die Fronten. Sein Bewusstsein wird in einen so genannten Avatar transferiert, einen künstlich erzeugten Hybriden aus menschlicher und Na'vi-DNS, um einen der einheimischen Stämme zu infiltrieren. Schon bald gerät Sully in einen schweren Gewissenskonflikt. Je tiefer er in die Kultur der Einwohner eintaucht, desto mehr fühlt er sich ihnen verbunden.
20th Century Fox
Sigourney Weaver umarmt Erfolgsregisseur James Cameron
Schöne neue Welt
Uns Zuschauern geht es in gewisser Weise wie Sully. Der Ex-Marine ist als klassische Identifikationsfigur angelegt. Als solche entdecken wir die fremde Welt von Pandora durch seine Augen. Die dramaturgischen Grundkonstellationen des Filmes sind dabei alles andere als neu. Die Solidarisierung des Helden mit einer fremden Kultur, die sich gegen die Unterdrückung durch seine eigenen Leute wehren muss, wurde auch schon in "Der mit dem Wolf tanzt" oder "Last Samurai" exemplarisch durchexerziert. Das Eintauchen in fremde, phantastische Welten ist ein gängiges Topos der Science-Fiction, insbesondere bei Space Operas wie "Star Wars". Nichtsdestotrotz gelingt Cameron mit "Avatar - Aufbruch nach Pandora" ein besonderes Kunststück. Wenn die weibliche Na'vi Neytiri (Zoë Saldaña) Sully die Schönheit von Pandora zeigt und ihm dadurch begreiflich macht, was die Menschen im Begriff sind zu zerstören, dann bleibt das nicht als Behauptung stehen. Die Schönheit von Pandora wird uns fast in jeder Szene vor Augen geführt. Selbst kleinste Staubpartikel wirken so plastisch, wie man sie auf der Leinwand noch nicht sehen konnten. Cameron tut alles, um das Gesagte visuell zu untermauern. Er beteiligte sich zu diesem Zweck sogar die Entwicklung neue Technologien.
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Zoë Saldaña an der Seite ihrer großen Vorbilder: Sigourney Weaver und James Cameron
Technischer Fortschritt
Wie ernst es Cameron mit der Umsetzung seiner phantastischen, aber dennoch plastisch und real wirkenden Welt ist, zeigt sich bereits an dem langen Zeitraum zwischen Idee und Umsetzung. Schon Anfang der 1990er Jahre schwebt dem Regisseur die Idee zu diesem Film vor. Die zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehende Technik genügt seinen Ansprüchen nicht. Mit seinen Mitarbeitern und externen Effektkünstlern konzipiert er eine ausgefeilte 3D- und Kamera-Technik. Um die digitalen Szenen dreidimensional zu filmen, entwickelt Cameron zusammen mit Kameramann Vince Pace im Verlauf von sieben Jahren das Fusion Camera System. Dieses ist das bislang technisch ausgereifteste stereoskopische Kamerasystem. Es ermöglicht, real gefilmte und digitale Szenen zu einer glaubwürdigen Einheit zu verschmelzen. Zudem tüftelt Camerons Team eine virtuelle Kamera aus, mit der man Sequenzen in digital erschaffenen Welten so drehen kann, als befände man sich auf einem herkömmlichen Studio-Set. Durch diese Kamera sieht der Filmemacher nicht den sterilen grauen Raum, in dem die Darsteller in Wahrheit agieren, sondern die schwebenden Berge oder fluoreszierenden Wälder von Pandora. Um die digitalen Charaktere, die Na'vi, möglichst lebensecht wirken zu lassen, wird für den Film ein neues gesichts- und bildbezogenes Performance-Capture-System kreiert. Die Schauspieler tragen dabei spezielle Kopfapparaturen mit kleinen Kameras, die mimischen Ausdruck und Muskelbewegungen des Gesichts außerordentlich detailliert erfassen können. Besonders wichtig ist, dass die Apparatur im Gegensatz zu früheren Systemen auch die Augenbewegungen aufnehmen kann. Die Augen wirken dadurch viel lebendiger, was erheblich zur emotionalen Glaubwürdigkeit der digital kreierten Figuren beiträgt.
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Sam Worthington am Set von "Avatar - Aufbruch nach Pandora"
Sprengung körperlicher Grenzen
In gewisser Weise spiegelt der schauspielerische Prozess, der damit verbunden ist, die im Film gezeigte Transferierung des eigenen Bewusstseins auf einen Avatar. Die Darsteller werden nicht einfach durch ein animiertes Pendant ihrer selbst ersetzt. "Genau das Gegenteil war der Fall", so Cameron. "Wir versuchten, ihnen noch mehr Kräfte zu verleihen, ihnen neue Methoden zur Verfügung zu stellen, um sich auszudrücken und ihre Charaktere zu erschaffen, ohne an irgendwelche Grenzen zu stoßen." In Camerons Geschichte wird die Loslösung vom eigenen Körper konsequent weitergesponnen. Der querschnittsgelähmte Sully kann durch die Bewusstseinstransferierung auf den Avatar nicht nur laufen. Er ist auch schneller, stärker als je zuvor und in der Lage, sich mühelos den veränderten Lebensbedingungen auf Pandora anzupassen. Implizit denkt Cameron damit Marshall McLuhans Mediengedanken weiter. Der kanadische Philosoph definiert Medien als menschliche Artefakte jedweder Art, die stets der Ausweitung des menschlichen Körpers dienen. Ein Hammer wird zur Verlängerung des Armes, ein Fahrzeug zur Ausweitung unserer Beine. Im Grunde werden die Avatare in Camerons Film zum ultimativen Artefakt, das die Begrenzungen des eigenen Körpers zugunsten eines anderen, potentiell leistungsfähigeren Leibes aufhebt.
20th Century Fox
James Cameron auf dem Set der "Titanic"
Kritischer Geschichtenerzähler
Der Transfer des Bewusstseins auf einen anderen Körper im Science-Fiction ist ein bekanntes Motiv. Auch in dem Action-Genre zugehörigen "Im Körper des Feindes" von John Woo wurde es bereits thematisiert. Geht der technologisch ermöglichte Körpertransfer dort - wie so oft in der spekulativen Phantastik - mit der Gefahr des Identitätsverlustes einher, findet der Protagonist aus "Avatar - Aufbruch nach Pandora" erst durch die Transformation zu sich selbst. Die Skepsis bei der Entstehung neuer Technologien richtet sich bei Cameron nicht gegen die Technik an sich. Das würde auch kaum zu einem Regisseur passen, der mit jedem neuen Film die Grenzen des technisch Machbaren bewusst zu sprengen versucht. Cameron prangert vielmehr die jeden Fortschritt begleitende Hybris des Menschen an. Die Kritik zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk des Regisseurs. In den "Terminator"-Filmen droht die Apokalypse, weil die Waffenindustrie zu erfolgreich bei der Entwicklung intelligenter Kriegsmaschinen war. In "Alien" glaubt ein Konzern, die Entdeckung einer neuen Spezies für militaristische Zwecke missbrauchen zu dürfen und entfesselt dadurch den Horror in den Tiefen des Weltalls. In "Titanic" wird der Untergang des als unsinkbar geltenden Luxusliners zum Symbol menschlicher Selbstüberhebung. Auch in "Avatar - Aufbruch nach Pandora" bringt der Filmemacher anhand der Ausbeutung einer fremden Kultur seine kritische Haltung zu Militarismus und rücksichtslosem Kapitalismus zum Ausdruck. So wird in seinen Werken, neben der Leidenschaft für neue Technologien, auch seine humanistische Sichtweise immer wieder deutlich. Cameron ist eben nicht nur ein Perfektionist. Als Geschichtenerzähler ist er vor allem ein Moralist.
erschienen am 8. Januar 2010
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Bereits in den 1990er Jahren entwickelt James Cameron ("Titanic") die Idee zu einem farbenprächtigen Abenteuerspektakel "Avatar - Aufbruch nach Pandora". Aber erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts sah er die Zeit gekommen, um mit den technischen Möglichkeiten seine Vision von Pandora umzusetzen. Ins Zentrum der Handlung steckt er einen querschnittsgelähmten, von der Welt und dem Leben enttäuschten jungen Mann. Mit seinem Avatar lernt er auf Pandora neue Lebensfreude kennen. Allerdings stürzt ihn..
Er ist Kanadier. Und doch kann man sich Hollywood nicht mehr ohne ihn vorstellen. Als James Cameron im Teenageralter Stanley Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum" sah, wusste er, dass er sowas auch einmal machen wollte. Vor allem die Special Effects erregten sein Interesse. Mit "Terminator" feierte er 1984 seinen Durchbruch, mit "Titanic" schrieb er 1997 Filmgeschichte. Nach einer längeren Hollywood-Pause, in der er sich dem Tiefseetauchen und Naturdokumentationen widmete, feiert er mit..
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