Ansonsten stiehlt die ambitionierte Story allem und jedem die Show, bei Nolan ist nichts wichtiger als die Geschichte selbst. Wie "Dark Knight", bei dem der Regisseur mit vielen Konventionen brach, indem er den Schurken zum Superstar stilisierte, so trägt auch sein neuestes Werk seine unverkennbare Handschrift. Es ist eine große Leistung, dass "Inception" innerhalb der Traumsequenzen, in denen sich eigentlich die Freiheit für alle nur erdenklichen Fantastereien böte, ganz nah an der Realität bleibt. Eine starke Geschichte hat keine Augenwischerei nötig. Die wenigen vermeintlich unrealistischen Momente innerhalb der Träume, wie zeitweise veränderte Gravitations-Bedingungen, werden plausibel erklärt. Auch die Handlung in sich ist schlüssig, allerdings lässt Nolan bei allem Gehalt die moralische Ebene komplett außer Acht. So wird das Eindringen in die Gedanken anderer durchaus als eine psychische Vergewaltigung dargestellt, jedoch zu keinem Zeitpunkt hinterfragt. Selbst die neugierige Architektin Ariadne, gespielt von
Ellen Page, lässt sich von DiCaprios Figur mit einem Einzeiler abspeisen: "Was wir machen ist nicht hundertprozentig legal, wenn man es genau nimmt". Damit nicht genug, unerhörter Weise wird am Ende eines jeden Gedankendiebstahls "Non, je ne regrette rien" ("Nein, Ich bereue nichts"), das unvergessene Chanson von
Edith Piaf wie eine Erkennungsmelodie angespielt. Eine nihilistische Grundeinstellung nimmt man dem von Schuldgefühlen geplagten Dominic Cobb nun wirklich nicht ab.
Bemerkenswert ist wiederum die Ästhetik, die besonders in den gelungenen Zeitlupenaufnahmen Ausdruck findet. Zudem besticht der Film durch seine Zielstrebigkeit, aufgrund derer man ihm die Dauer von knapp drei Stunden nicht anmerkt.
Ach, wäre Hollywood doch immer so unkonventionell. Bei so viel Tiefsinn sieht man gerne über den für Blockbuster obligatorischen Action-Anteil im Finale hinweg. Christopher Nolan untermauert nicht nur seinen Ruf als virtuoser Geschichtenerzähler. Er beweist eindrucksvoll, dass er sich durch nichts und niemanden von seinem Leitgedanken abbringen lässt: Originalität. In einer Branche, in der Erfolg primär am relativen Einspielergebnis eines Films zu den Produktionskosten bemessen wird, ist dies bemerkenswert. Aus diesem Grund ist es mit einem nicht unerheblichen Risiko verbunden, im Rahmen einer High-Budget-Produktion einen solch komplizierten Thriller abzuliefern, wie es Nolan nun mit "Inception" tut (Budget: 160 Millionen Dollar). Profiteur dieses Wagemuts ist in erster Linie das Kinopublikum, dem zur Hauptsaison mit Fortsetzungen wie "
Step Up 3D", "
Toy Story 3 in Disney Digital 3D" und Fernsehserienadaptionen wie "
Das A-Team - Der Film" ein exquisiter Thriller mit anspruchsvoller Story dargeboten wird.