Alamode Filmverleih
Die Liebesfälscher
Absage an das Mainstream-Kino der Gegenwart
Feature: Abbas Kiarostamis Reflexion über die Liebe
"Die Liebesfälscher" ist ein kleines Wunderwerk des zeitgenössischen Kinos. Wunderwerk deshalb, weil es Abbas Kiarostami meisterhaft gelingt, Einfachheit und Komplexität in der Balance zu halten und dabei feinfühlig, wie man es von ihm gewohnt ist, von den einfachen und komplizierten Dingen zu erzählen. Der Film handelt von der Sinnlichkeit und der Poesie des Lebens und ist dabei selber sinnlich und poetisch, um in einem weiteren Schritt wieder unbestimmt und undurchschaubar zu werden und den Zuschauer bis zuletzt zu irritieren.
erschienen am 23. 09. 2011
Rufus F. Folkks/Ricore Text
Abbas Kiarostami wurde in Venedig ausgezeichnet
Reise im mehrfachen Sinne
Indem Kiarostami zwei Intellektuelle auf eine Reise im mehrfachen Sinne schickt, um sie über das Leben, die Liebe und die Kunst debattieren zu lassen, dominiert naturgemäß das Wort. So etwas wie eine Handlung lässt sich in "Die Liebesfälscher" kaum ausmachen, sie beschränkt sich allenfalls auf die Bewegung der Protagonisten von einem Ort zum nächsten. Dabei versteht Kiarostami seine Schauplätze nicht als touristische Sehenswürdigkeiten, im Rahmen der Geschichte dienen sie als Folie für den Diskurs der Protagonisten und werden dramaturgisch immer wieder mit den Themen des Films verknüpft.

Trotz der fehlenden Handlungsstränge lässt der Film keine Langeweile aufkommen. Sicher mag das an den zeitlosen Themen des Films liegen. Neben komplexen Fragen, die ans Kunsttheoretische und Existenzphilosophische reichen, handelt der "Die Liebesfälscher" auch von dem tausendfach erzählten Stoff der Liebe und dem ewigen Kampf der Geschlechter. So auch, wenn es darum geht, den schwierigen Weg des Miteinanders auszubalancieren. Dabei verharrt Kiarostami nicht im Individuellen. Er geht ins Typische, macht Bilder transparent, die ans Zeitlose rühren - indem er männliche und weibliche Standpunkte zu den angesprochenen Themen deutlich werden lässt.
Alamode Filmverleih
William Shimell und Juliette Binoche in "Die Liebesfälscher"
Boy meets girl
Dass "Die Liebesfälscher" bis zuletzt nichts von seiner Spannung verliert, liegt auch und vor allem an der unprätentiösen und einfachen Art, mit der sich Kiarostami dem Stoff nähert. "Boy meets girl" - zum Kino braucht es nicht mehr als einen Mann, eine Frau und eine Kamera, die ihr ständiges Mit- und Gegeneinander beobachtet. Das ist eine Botschaft, die von "Die Liebesfälscher" ausgeht. Es ist auch eine Liebeserklärung an das reine Kino und zugleich Absage an das der Gigantomanie und Technik erlegene Mainstream-Kino der Gegenwart.

Wie in Michelangelo Antonionis "Die Nacht" oder Roberto Rossellinis "Reise in Italien", an die Kiarostami motivisch und formal anknüpft, ist die Kamera hier ständiger Begleiter der Figuren. So sehr man sich mit dem Gesprächsstoff der Frau und des Mannes identifizieren kann, so poetisch und sinnlich ist die Aktion der Kamera. Das Natürliche und Unprätentiöse von "Die Liebesfälscher" verdankt sich zum großen Teil der Wahrhaftigkeit seiner Bilder.
Carlos Corbelle/Ricore Text
Abbas Kiarostami
Spannung in der Schwebe
Auf der anderen Seite bezieht "Die Liebesfälscher" seine Spannung aus der seltsamen Schwebe, in der er bis zuletzt bleibt. Nachdem Kiarostami seine Paarkonstellation erst einmal etabliert hat, wechselt er bald die Richtung. Fast unmerkbar steht da plötzlich die irritierende Frage im Raum, ob die beiden Protagonisten sich tatsächlich fremd sind oder ob sie vielleicht nicht doch ein längst verheiratetes Ehepaar sind. Was ist real und was fiktiv? Indem Kiarostami diese Frage offen lässt, entsteht ein faszinierendes Vexierspiel über Schein und Wirklichkeit, das die von den Protagonisten debattierte Frage über Original und Kopie auf dem Gebiet der Kunst wiederholt und von der Ebene der Reflexion auf die der Aktion stellt.
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William Shimell und Juliette Binoche: Fiktion oder Realität?
Kiarostamis ästhetische Kraft
In jedem Fall haftet "Die Liebesfälscher" etwas Laborhaftes an. Wie im Werk Andrej Tarkowskijs hat auch die Personenkonstellation in "Die Liebesfälscher" (man beachte die schon für Tarkowskij typische Beschränkung auf wenige Figuren) den Charakter einer Versuchsanordnung, bei der philosophische, kunsttheoretische aber auch das Konkrete des praktischen Daseins berührende Diskurse geführt werden. Dass das alles nicht geschwätzig und langweilig wird, liegt auch bei Kiarostami nicht nur an der faszinierenden ästhetischen Kraft des Films, sondern auch an der großartigen schauspielerischen Präsenz seiner Hauptdarsteller. Aufgrund des formalen Minimalismus von "Die Liebesfälscher" ist die Kamera permanent auf Juliette Binoche und William Shimell gerichtet. Beide, sowohl die versierte Schauspielerin als auch der debütierende Sänger, halten dem intensiven Blick mit ihrem großartigen Spiel stand
erschienen am 23. September 2011
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In Abbas Kiarostamis "Die Liebesfälscher" treffen ein Intellektueller und eine Kunstkennerin zusammen, die nichts anderes tun, als über das Leben, die Kunst und die Liebe zu debattieren. Unmerklich wechselt Kiarostami inhaltlich die Richtung, indem er die Frage aufwirft, ob die zwei sich tatsächlich erst kürzlich kennengelernt haben oder sich nicht doch schon länger kennen. Dabei verdichtet Kiarostami diese Frage zu einer klugen Reflexion über das Verhältnis zwischen Schein und Wirklichkeit,..
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