Walt Disney
Steven Spielberg auf dem Set "Gefährten"
Krieg aus der Sicht eines Pferdes
Feature: Steven Spielberg drückt auf Tränendrüse
Steven Spielberg hat mit "Gefährten" Michael Morpurgos Bestseller "Gefährten" melodramatisch für die Leinwand inszeniert. So sehr der Erfolgsregisseur mit dem Anti-Kriegsepos das Grausen des Ersten Weltkrieges darstellen will, so sehr scheitert er an den Erzählmechanismen Hollywoods.
erschienen am 27. 02. 2012
Walt Disney
Gefährten
Es ist unschwer zu erkennen, was Steven Spielberg an Michael Morpurgo 1984 veröffentlichtem Roman "Schicksalsgefährten" fasziniert hat. Der britische Schriftsteller erzählt in seinem Bestseller die mitreißende Odyssee eines Pferdes durch die Hölle des Ersten Weltkrieges nicht aus der Sicht eines allwissenden Erzählers, sondern schildert die Ereignisse aus der subjektiven Sicht des Tieres.

Die aus diesem dramaturgischen Konzept resultierende naive Weltsicht des Kinderbuchs muss wie geschaffen für einen Filmemacher sein, der sich noch im Erwachsenenalter eine kindliche Weltanschauung bewahrt hat und in seinen Filmen nicht selten die Position des Kindes einnimmt. "Gefährten" kann in diesem Sinne als Weiterführung und zugleich Variation jener Filme Spielbergs angesehen werden, die nicht nur von Kindern handeln, sondern die Welt auch aus ihren Augen betrachten und damit einen Konflikt zwischen ihrer idealistisch-unschuldigen und der rational-schuldigen Welt der Erwachsenen etablieren.
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Benedict Cumberbatch und Tom Hiddleston in "Gefährten"
Von Unschuld und Schuld, Gut und Böse handelt demnach auch "Gefährten". Das Antikriegs-Epos erzählt die Geschichte des Pferdes Joey, dessen Leidensweg auf einem Tiermarkt beginnt. Hier wird Joey von Ted Narracott (Peter Mullan) erworben, der sich durch den Kauf finanziell fast ruiniert. Während seine Frau Rose (Emily Watson) alles andere als begeistert über die Investition ist, findet ihr Sohn Albert (Jeremy Irvine) in Joey einen besten Freund. Dem Jungen gelingt es, das wilde Pferd zu zähmen und als Nutztier auszubilden. Durch eine weitere Missernte ist die Familie jedoch gezwungen, Joey wieder zu verkaufen. Bald findet sich das Pferd im Ersten Weltkrieg wieder, wo es die Hölle auf Erden erlebt.

Die Absicht ist eindeutig, die Steven Spielberg mit seinem episch angelegten Kriegsdrama "Die Gefährten" verfolgt. In Anlehnung an die Vorlage will er durch die Erzählung aus Sicht des Tieres ein Panorama der Welt, des Kriegsgrauens sowie des Menschen zeigen. Nur tut er dies mit falschen Mitteln. Wie schon in "Der Soldat James Ryan", der das Grauen des Krieges ebenso wie das menschliche und unmenschliche Potenzial des Menschen zum Thema hat, steht auch in "Gefährten" der große Geschichtenerzähler dem Maler Spielberg im Weg.
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Davis Cross und Leonard Carow sind Gefährten
Es ist schon immer das Manko Spielbergs, dass er in seinen ernsten, die Welt bedeutenden Filmen die manipulierende Erzählung nicht außer Acht lassen konnte. In "Der Soldat James Ryan" mündet das breit angelegte Kriegspanorama von einer Einstellung zur nächsten in eine mitreißende, auch vor Pathos und Sentimentalität nicht halt machende Geschichte über eine spektakuläre Rettungsaktion. Und selbst "Schindlers Liste", Spielbergs persönlichstes und künstlerisch wohl ambitioniertestes Werk, bedient sich der "Konsumierbarmachung des Grauenhaften" (Film Dienst), indem er das Bild von Zeit und Mensch gelegentlich durch Effekt haschende Erzählmomente durchbringt.

Auch in "Gefährten" ist die Einbettung des Pferdeschicksals in große und kleine Geschichten problematisch. So sehr Spielberg das Grauen des Krieges, das menschlich Gute und das menschlich Böse zum Thema machen will, so sehr ist ihm das Tier zugleich Anlass für so manch rührende Momente. Außerdem zeigt Spielberg einmal mehr, dass er kein Regisseur kleiner Gesten und leiser Töne ist, sondern einer der großen Emphase.
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Steven Spielberg und Produzentin Kathleen Kennedy auf der Londonder Premiere von "Gefährten"
"Die Welt hat bedeutende Tage und sie hat weniger bedeutende", heißt es in einer Szene in "Gefährten". Spielberg setzt auf das Bedeutende und er nutzt alle ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, um es als solches zu akzentuieren. Am auffälligsten wird dies in der Szene, in der Albert sein Pferd das Pflügen beibringt. Ausgiebig nimmt sich Spielberg dabei Zeit, um die Zähmung des Tieres in einem breiten dramaturgischen Bogen über steigende und fallende Spannungskurven bis hin zu retardierenden Momenten auszubreiten.

Die Musik von seinem Hauskomponisten John Williams tut dabei ihr Übriges, um das Bedeutende noch bedeutender zu machen. Mag Williams ansonsten gewohnt routiniert und plastisch die Bilder in Musik umzusetzen, ist dagegen das Mickey Mousing, zu dem er in einigen komischen Momenten verfällt, alles andere als subtil. Etwas mehr Denk- und Urteilsfähigkeit hätten Spielberg und Williams dem Zuschauer schon zumuten dürfen.
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Jeremy Irvine in "Gefährten"
Die Tendenz Spielbergs zur großen Erzählform fällt auch in jenen Momenten auf, in denen er Morpurgos Vorlage verändert. Wo der Autor die Nebenfiguren im Sinne der Akzentuierung des Pferdeschicksals "klein" hält, baut Spielberg diese aus und erzählt ganze Geschichten um sie herum. So erhalten nicht nur Alberts Vater, sondern auch andere Nebencharaktere Biografien, die ihre Handlungen motivieren sollen. Mag zu dieser Entscheidung die Absicht nach größerer Plastizität und Lebendigkeit der Charaktere beigetragen haben, ist dies andererseits ein weiterer Beleg für Spielbergs Kompromiss dem gezwungenen Psychologismus Hollywoods zu entsprechen. In der Geschichte um das Schicksal eines Pferdes wirken diese Ergänzungen zudem störend, da sie vom eigentlichen Thema des Films ablenken.

Angenehm zurückhaltend ist Spielberg dagegen in der Anthropomorphisierung des Pferdes. Auch wenn Joey hier und da menschliche Verhaltensweisen an den Tag legt, etwa seine aufopferungsvolle brüderliche Beziehung zu dem Pferd Topthorn, bewegen sie sich immer noch im Rahmen des Tierischen. Gerade vor dem Hintergrund dieser Abweichung von der Hollywoodnorm ist es umso auffälliger, in welchem Maße das Pferd die Aufmerksamkeit seiner Umwelt auf sich zieht. Man möchte doch meinen, dass inmitten des infernalischen Krieges der Mensch alles andere im Sinn hat als die Sorge um ein einzelnes Pferd.

In "Gefährten" jedoch scheinen nicht nur die Gedanken Alberts sich unentwegt um sein geliebtes Pferd zu drehen, sondern gleich der ganzen Armee. Mag sein, dass Spielberg zum Ausdruck bringen wollte, dass in Zeiten von Krieg und Terror die Sehnsucht des Menschen nach Unschuld und Ursprünglichkeit (symbolisiert durch das Pferd) besonders groß ist. Im Grunde jedoch bedient er damit nichts anderes als die Hollywoodkonvention des "Bigger-than-Life", als dass er einer Weltanschauung gerecht würde. Eine Konvention im Übrigen, die Spielberg selbst nicht zuletzt mit Blockbustern wie "Der weiße Hai" mitbegründet hat.
erschienen am 27. Februar 2012
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Steven Spielberg Anti-Kriegsepos "Gefährten" erzählt die Geschichte eines Pferdes, das von einer Familie erworben und zu einem Nutzpferd ausgebildet wird. Zwischen Joey und Sohn Albert (Jeremy Irvine) entwickelt sich eine tiefe Freundschaft. Eine weitere Missernte zwingt Vater Ted (Peter Mullan) jedoch, das Pferd an die Armee zu verkaufen, die es während des Ersten Weltkrieges als Nutzpferd einsetzt. Steven Spielbergs Romanadaption ist trotz seines Versuchs, ein Panorama des Kriegsgrauens zu..
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