Fox
The Gangs of New York
Wenn Marty mit Leo in die Schlacht zieht...
Feature: Amerikas blutige Wurzeln
Lange haben Publikum und Kritiker auf das Traumprojekt von Regie-Altmeister Martin Scorsese gewartet. Nach mehreren Startterminverschiebungen kommt das bilderstarke Rachedrama und Gesellschaftsporträt nun auch in die deutschen Kinos.
erschienen am 13. 02. 2003
20th Century Fox
Kameramann Michael Ballhaus am Set von The Gangs of New York
Nichts als zwei übergroße Augen! Dieses Augenpaar - umrahmt von faltiger, tief zerfurchter Haut - gehört zu Priest Vallon (Liam Neeson). Vallon ist Anführer der "Dead Rabbits", einer Gang von irisch-katholischen Einwanderern. Wir schreiben das Jahr 1846 und befinden uns in Five Points, dem Armenhaus des damaligen New York. Kameramann Michael Ballhaus arbeitet bereits zum sechsten Mal mit Scorsese zusammen. Seine Kamera treibt den Zuschauer durch dunkle Katakomben. Hier flackert eine Flamme, dort brennt am Boden ein Feuer. Männer, Frauen und Kinder, in Fetzen und Lumpen gehüllt, bewaffnen sich bis auf die Zähne. Sie ziehen in den Kampf.
20th Century Fox
Massenszene aus The Gangs of New York
Und schon ist man mittendrin in der ersten Massenszene menschenvernichtender, brachialer Gewalt und unendlichen Blutvergießens. Bei den Kämpfern bleibt den Zuschauern nichts, aber auch gar nichts, erspart. Köpfe krachen, Messer schlitzen Körper auf, Augen werden ausgequetscht, Ohren abgebissen. Einer der Zuschauer dieses furchtbaren Gemetzel ist der kleine Amsterdam Vallon. Der Junge muss mit ansehen, wie sein Vater vom Anführer der 'American Natives' William Cutting, auch 'Bill The Butcher' genannt, (Daniel Day-Lewis) ermordet wird. Bereits beim ersten Auftreten des method actors Daniel Day-Lewis läuft einem ein Schauer über den Rücken, denn sein eiskaltes Grinsen hätte selbst Hannibal Lector den Angstschweiß auf die Stirn getrieben. Day-Lewis, der am Set auch seinen Kollegen gegenüber stets 'Bill The Butcher' blieb, spielt seine Rolle mit unglaublicher Überzeugungskraft und Intensität. Ebenso wie Sir Anthony Hopkins gelingt es dem Oscarpreisträger Humor und Brutalität auf glaubhafte, ja kongeniale Weise zu vereinen.
20th Century Fox
Leonardo DiCaprio in The Gangs of New York
Gegen 'Bill The Butcher' hat Amsterdam Vallon (Leonardo DiCaprio) kein leichtes Spiel. Vallon kehrt nach 16 Jahren Aufenthalt in der Erziehungsanstalt in den Five-Points-Distrikt zurück, um den Mord an seinem Vater zu rächen. Wild zottelig sieht Frauenschwarm DiCaprio aus. Er hat sich 15 Kilo Muskeln antrainiert und sogar die Agentur gewechselt, um in Scorseses aufwendigsten Projekte durch die von Filmarchitekt Dante Ferretti meisterhaft konstruierte Kulisse streifen zu dürfen. Ferretti hat das alte New York ohne jegliche Computeranimation nachgebaut. Der Aufwand hat sich gelohnt. Zwar sieht der schöne Leo nicht wie 28 aus, doch die unendliche Wut im Bauch und den Hunger nach Freiheit und Revolution nimmt man ihm ohne Zögern ab. In den engsten Kreis um Bill aufgenommen, gelingt es Amsterdam, eine Vater-Sohn-ähnliche Beziehung zu dem Fleischer herzustellen. Bill herrscht wie ein alles bestimmender König über Five Points. Im gekonnten verbalen Schlagabtausch und in den Kampfszenen ist DiCaprio für Day-Lewis ein würdiger Gegner, doch den Kampf um die bessere schauspielerische Leistung hat Day-Lewis eindeutig für sich entschieden.
20th Century Fox
Cameron Diaz in The Gangs of New York
Als Amsterdam sich in die zuckersüße, biestige Taschendiebin Jenny Everdeane (Cameron Diaz) verliebt, wird die Sache verzwickt, denn auch ihre Vergangenheit ist auf mysteriöse Weise mit Bill verwoben. Schade nur, dass dieses Detail das einzig geheimnisvolle ist, das die schöne Jenny umgibt. Ansonsten ist sie nur das notwendige Glied in einer Dreiecksbeziehung, die mal fürsorgliche, mal lustvolle Gefährtin an der Seite unseres Helden Amsterdam. Weiter nichts. Das ist kein ausfüllender Part für Cameron Diaz, die neben ihren körperlichen Reizen sicher auch noch den einen oder anderen schauspielerischen Vorzug zu bieten gehabt hätte.
Dramaturgisch bietet Scorsese seinem Publikum ein klassisch erzähltes Epos, ein Rachedrama, das nach 165 Minuten vor dem Hintergrund der gewalttätigen und rassistischen Aufstände von 1863 in einem abermals blutigen Massengemetzel endet. Über 100 Millionen Dollar hat der Film gekostet, er brannte dem Regisseur von "Taxi Driver", "Good Fellas" und anderen Meisterwerken schließlich auch seit 25 Jahren auf der Seele. Über hundert Sprechrollen, Heerscharen von Statisten, eine ganze, in den römischen Studios von Cinecittà nachgebaute Stadt machen diesen Film zum wohl aufwendigsten Projekt des Filmemachers.
20th Century Fox
Leonardo DiCaprio in The Gangs of New York
"The Gangs of New York" ist großes, zweifelsohne gut gemachtes, opulentes Kino. Er stellt amerikanische Geschichte dar, ohne zu beschönigen oder zu heroisieren. Er ist das Werk eines Meisters, und doch kein Meisterwerk. Erst wenn sich am Ende des Films das mit dem Emblem des amerikanischen Adlers versehene Glasauge von Bill The Butcher langsam schließt, dann ist man sich wieder sicher: Martin Scorsese hätte den Oscar, so oder so, ganz sicher verdient.
erschienen am 13. Februar 2003
Zum Thema
Leo-Fans können sich langsam in dicke Mäntel hüllen. Denn sie werden in langen Warteschlangen an den Kinokassen für das aufwendige Traumprojekt "The Gangs of New York" des US-Meisterregisseurs Martin Scorsese anstehen. Neben Leonardo DiCaprio schlüpfte ein dämonisch dreinblickender Daniel Day-Lewis in die Rolle von Bill "The Butcher" und lehrt sein Publikum das Fürchten, wenn er sich mit der Messerklinge lässig auf sein Glasauge klopft.
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Cameron Diaz wird als Tochter eines Kubaners und einer anglo-deutschen Mutter in San Diego, Kaliforninen geboren. Sie beschreibt sich selbst gerne als naturverbunden, abenteuerlustig und wild. So lebte sie auch ihr bisheriges Leben. Mit 16 Jahren ging sie von zu Hause fort und verbrachte die folgenden Jahre in Japan, Australien, Marokko und Mexiko. Eines ihrer großen Hobbys ist das Wellenreiten, welches sie nach ihrer Trennung von Justin Timberlake wieder vermehrt ausübte. Ihren großen..
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