Constantin Film
Sönke Wortmann am Set der "Päpstin"
Back to the roots
Feature: Sönke Wortmanns Hochzeitsvideo
Mit "Das Wunder von Bern" und "Die Päpstin" hat sich Sönke Wortmann als versierter Handwerker des deutschen Kinos erwiesen, der auch vor prestigeträchtigen Großprojekten nicht zurückschreckt. Nun ist er mit "Das Hochzeitsvideo" zu seinen komödiantischen Wurzeln zurückgekehrt. Die Komödie will sich formal innovativ geben, bleibt jedoch in den Ansätzen stecken, da Wortmann der Mut auf halber Strecke verlassen hat.
erschienen am 1. 05. 2012
Constantin Film
Das Hochzeitsvideo
Gegensätze ziehen sich an
Pia (Lisa Bitter) und Sebastian (Marian Kindermann) sind erst wenige Monate zusammen. Trotzdem wissen sie, dass sie für einander bestimmt sind, nicht erst seit ihrem gemeinsamen Urlaub in Portugal, von dem sie fast alles auf ihrem Smartphone festgehalten haben. Dabei könnten die spontane und abenteuerlustige junge Frau aus einfachen Verhältnissen und der ruhige, sortierte Pilot aus reichem Elternhause unterschiedlicher nicht sein.

Ihre Beziehung ist nicht so harmonisch, wie es scheint. Dass Pia mit einem Pornodarsteller zusammen war, hat sie ihrem Verlobten verschwiegen. Nun taucht Carlos, die Keule (Simon Eckert) ausgerechnet auf ihrer Hochzeit auf. Um Eifersüchteleien vorzubeugen, erzählt Pia Sebastian, dass es sich um einen guten Freund handele. Sebastian glaubt die Lüge und lässt sich mit Carlos während des Junggesellen-Abschieds auf eine heiße Party ein. Das wiederum provoziert den Ärger Pias, als sie am nächsten Morgen eine Striptease-Tänzerin in Sebastians Schlafzimmer vorfindet.
Constantin Film
Martin Aselmann in "Das Hochzeitsvideo"
Hauptdarsteller Kamera?
Es ist sinnvoll, sich Sönke Wortmanns "Das Hochzeitsvideo" weniger über den Inhalt als über seine Machart zu nähern. Inhaltlich hat die Komödie über ein junges Paar, das bis zur Hochzeit so manche Krise ausstehen muss, wenig Originelles zu bieten. Formal wagt Wortmann dagegen mehr. Heimlicher Hauptdarsteller des Films ist nicht das Hochzeitpaar, sondern die Kameras, mit der das Fest von den vorausgehenden Ritualen bis zur Vermählung festgehalten werden. Bemerkenswert ist dabei Wortmanns Entscheidung, 'seinen' Film überwiegend aus Sicht der Hochzeitsfilmer zu zeigen. Anders als die found-footage-Filme im Horrorgenre, an die er sich mit diesem Konzept anlehnt, gibt Wortmann jedoch nicht vor, das Material vorgefunden zu haben, um es dem Zuschauer quasi unbearbeitet zu präsentieren. Seine Komödie geht einen weniger radikalen Weg als "Blair Witch Project", "[•REC]" und "Cloverfield".

Das bewahrt Wortmann nicht davor, in die Genre-typischen Fallen zu treten. So kommt auch hier dem gewollten Spontanen, Unmittelbaren und Authentischen die Notwendigkeit der Dramaturgie zwangsläufig in die Quere. Auch Wortmanns Komödie ist eine geraffte Erzählung, die eingeleitet und ausgeführt werden muss, deren Charaktere charakterisiert und Konflikte geschürt werden müssen. Wenn dies im Rahmen des Rohen und Ungeschliffenen wie im Footage-Konzept stattfindet, prallen zwei ästhetische Anschauungen zusammen, die nicht zusammenpassen.

Auch muss "Das Hochzeitsvideo" gegen eine andere Schwäche des Genres ankämpfen: die Unglaubwürdigkeit nämlich, die mit der Prämisse einhergeht, dass der Kameramann sein Werkzeug selbst bei den unmöglichsten Situationen nicht aus den Händen legt. Nichts soll dem Blick der Kamera entgehen - das ist nicht die Motivation des Amateurfilmers, sondern die des Regisseurs Wortmann, oder besser: seines fiktiven Erzählers, der es nicht sein lassen kann, ein klassischer Erzähler zu sein.
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Lisa Bitter und Sönke Wortmann auf dem Set von "Das Hochzeitsvideo"
Handwerker trifft auf raue Ästhetik
Die Reibung zwischen der künstlerischen Gestaltung und dem Ungeschliffenen, Spontanen ist bezeichnend für "Das Hochzeitsvideo". Dem versierten Handwerker Wortmann ist das Footage-Konzept zu wenig künstlerisch und zu starr, um es konsequent durchzuziehen. Entsprechend sind die Bilder seiner Amateurfilmer alles andere als ungelenk, verwackelt und ungefiltert, sondern sind vielmehr perfekt arrangiert. Auch ist es bezeichnend, dass Wortmann von der Amateurperspektive im Laufe des Films immer mehr Abstand nimmt. Während der für die Footage-Filme typische enge Blickwinkel dem Horrorgenre zugutekommt, da er durch das Auslassen des eigentlichen Horrors die Fantasie des Zuschauers anregt, kommt es in der Komödie oft gerade auf den totalen Blick auf das Geschehen an. Keiner hat diesen Zusammenhang zwischen Perspektive und Humor besser verstanden, als Jacques Tati ("Tatis herrliche Zeiten"), der seine komischen Ideen nicht nur auf optischen Tableaus präsentierte, sondern zunehmend auch die einzelne Figur zugunsten der Masse zurückdrängte und dadurch das 'lineare' Erzählen durch das 'simultane' (Thomas Koebner) ersetzte.
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Sönke Wortmann auf dem Set von "Das Hochzeitsvideo"
Kompromisse und fehlender Mut
So löst sich die Erzählung in "Das Hochzeitsvideo" immer mehr von den Aufnahmen der Amateurfilmer. Das erkannt zu haben, spricht für das Genreverständnis Wortmanns ist aber eben auch das Manko der Komödie. Der Regisseur entscheidet sich für das Footage-Konzept, dehnt dieses aber soweit, bis es seinen Vorstellungen als Filmemacher und den Anforderungen einer Komödie gerecht wird. Dabei scheitert er in beiderlei Hinsicht. Als Film überzeugt "Das Hochzeitsvideo" nicht aufgrund seiner formalen Inkonsequenz, als Komödie, weil Wortmann auch hier der Mut zu Innovation und Eigenständigkeit fehlt. Kein Stereotyp des Genres wird ausgelassen. Ob es sich um Pornodarsteller mit einschüchterndem Riesengemächt handelt, um Konflikt schürende Prostituierte, perverse Beamte, die sich über einen Tierfilm selbstbefriedigen, oder um Männer in lächerlicher Kostümierung - Wortmann glaubt, unter die Gürtellinie gehen und den Fäkalienwitz bedienen müssen, um zu unterhalten. "Das Hochzeitsvideo" ist Opfer zu vieler Kompromisse: ein Film, der sich einiges vorgenommen, seine Ambitionen jedoch aufgrund seiner Zuschaueranbiederung preisgegeben hat.
erschienen am 1. Mai 2012
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Fußball gehört zu Sönke Wortmanns großen Leidenschaften. Als Junge träumte er davon, Profispieler zu werden. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 begleitet er die deutsche Nationalmannschaft bei ihrem Kampf um den Titel. Das Ergebnis ist die Doku "Deutschland. Ein Sommermärchen". Als seinen besten Film bezeichnet er selbst jedoch "Das Wunder von Bern", der sich ebenfalls um Fußball dreht.Die Päpstin", ein Film über die Legende um Papst Johannes Anglicus, der eine Frau gewesen sein soll. Mit..
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