Universal Pictures
Savages
Welt aus Biester und Bestien
Feature: Oliver Stone verzettelt sich...
Oliver Stone siedelt in "Savages" seine Geschichte in eine Welt von Biestern und Bestien an. Seine Themen sind Drogenhandel, Korruption und Verrat. Aber auch Werte wie Liebe und Freundschaft kommen nicht zu kurz. Es ist alles da, für einen spannenden Film und doch ist alles ein bisschen zu viel des Guten. So fehlt es "Savages" an formaler Konzentration, so dass die durchaus reizvolle Geschichte und die interessanten Figuren kaum Kontur bekommen.
erschienen am 20. 09. 2012
Universal Pictures International
Im Sumpf des Verbrechens: John Travolta und Taylor Kitsch in "Savages"
Wenn Gott falsch parkt
Laguna Beach im Süden Kaliforniens - hier hat Gott am siebten Tag geparkt, bevor er am achten abgeschleppt wurde, heißt es gleich zu Beginn von Oliver Stones "Savages", in dem es so wild und chaotisch zugeht, wie es der Titel suggeriert. In diesem traumhaften Fleckchen Erde fühlen sich auch Ben (Taylor Kitsch), Chon (Aaron Johnson) und Ophelia (Blake Lively), genannt O, wohl. Der eine ist praktizierender Buddhist, ein Weltverbesserer und Idealist, der eine Stiftung unterhält, um in ärmeren Ländern Kindern zu helfen. Chon ist ein traumatisierter Kriegsveteran, der Konflikte nicht mit dem Kopf löst, sondern mit ganzem Körper- und Waffeneinsatz. Zwischen den beiden steht O, eine attraktive junge Frau, die sich zu beiden hingezogen fühlt. Als gegensätzliche Charaktere ergänzen sich die beide - erst zusammen ergeben sie einen idealen Mann. Um es mit den Worten des holprigen Drehbuchs zu sagen: Weil der eine ganz Geist ist, der andere Erde.

Zusammen haben die drei Großes vor. Sie wollen das weltweit beste Marihuana anbauen und damit das große Geschäft machen. Abnehmer gibt es schließlich nicht nur in Südkalifornien reichlich. Gott - so scheint es in Stones Film voller Biester und Bestien - scheint aus der ganzen Welt vertrieben. Tatsächlich gelingt es Ben und Chon, das hochwertigste Dope der Gegend herzustellen. Schließlich hat Ben botanische Kenntnisse und Ex-Navy-SEAL Chon konnte aus Afghanistan die besten Cannabis-Samen ins Land schmuggeln. Doch kaum kommt ihr Geschäft in Gang, melden sich die ersten Neider und wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Elena (Salma Hayek), Chefin des Baja-Kartells, nimmt Kontakt zu den Freunden auf und macht ihnen ein Angebot, das sie nicht ablehnen können - eigentlich. Was sie dann doch tun und so greift Elena zu härteren Mitteln. Sie schickt ihren Schergen Lado (Benicio Del Toro) los und lässt O entführen, die Achillesferse der Männer und zugleich das wirksamstes Druckmittel. Womit Elena nicht rechnet: Wenn es um O geht, sind Ben und Chon zu keinem Kompromiss bereit.
Universal Pictures International
Benicio Del Torro als gewissenloser Drogenhandlanger in "Savages"
Stimme aus dem Jenseits?
Oliver Stone lässt seinen Film von O kommentieren, sie schildert die Ereignisse aus dem Off. Dabei klingt "Savages" an das dramaturgische Konzept von Filmen wie "American Beauty" und Billy Wilders "Boulevard der Dämmerung" an, wenn Stone und seine Kodrehbuchautoren Don Winslow und Shane Salerno offen lassen, ob ihre Erzählerin eine Stimme aus dem Reich des Jenseits ist oder sich als Lebende der Gegenwart an eine ereignisreiche Vergangenheit erinnert. 'Nur weil ich euch diese Story erzähle, heißt das noch lange nicht, dass ich deren Ende erleben werde. Es ist nämlich eine von den Geschichten, die total außer Kontrolle geraten', so O.

Es ist ersichtlich, warum sich die Autoren für diese Perspektivierung entschieden haben. Es soll auf ein besonderes, ein 'unerhörtes Ereignis' hinlenken, ähnlich der Gattung der literarischen Novelle, und dadurch die Aufmerksamkeit des Zuschauers hoch halten. Angesichts der Tatsache, dass gerade in den erzählenden Passagen die Schwächen des Drehbuchs am eklatantesten zu Tage treten, fragt man sich, ob Stone und Co. nicht besser Abstand davon genommen hätten. Denn wortgewandte Feingeister sind sie alle drei nicht. Und so kommt es nicht selten zu Sprachklötzen wie 'Ben ist Buddhist, Chon ein Badist', womit O auf die Reinheit des einen Charakters und den durch Krieg und Leid gebrochenen des anderen hinweisen will. Und wenn O mit dem Raubein Chon die schönsten 'Orgasmen' hat, erlebt der abgestumpfte Kriegsveteran allenfalls 'Wargasmen'. Nicht viel subtiler ist die Charakterisierung des Milieus, in dem sie verkehren, das ja bekanntlich Gottverlassen ist. Und obwohl 'Drogen schlecht sind', sind sie in einer 'schlechten Welt wiederum gut', so O. Sie seien die rationale Antwort auf eine irrationale Welt. Das alles soll trocken rüberkommen und eine gewisse Coolness ausstrahlen, ist aber eher plakativ und nicht selten unfreiwillig komisch.
Universal Pictures International
"Savages"-Regisseur Oliver Stone
Selbstgefällige Inszenierung überrollt Figuren
Kann sein dass Stone seinen Film als postmodernes Vexierspiel verstanden haben wollte. Dafür spricht auf Handlungsebene etwa das experimentelle, von der gesellschaftlichen Norm abweichende Beziehungsmodell, auf der formalen der für den Regisseur typische heterogene Umgang mit den filmischen Mitteln, was von schnellen Bildfolgen über ausgefallene Kamerafahrten bis hin zu schrägen Kameraeinstellungen reicht. Für eine verspielte postmoderne Vielgestaltigkeit nimmt Stone sein Sujet und seinen Film jedoch viel zu ernst. Als Darstellung einer gekippten Welt oder als Projektion einer durch den Drogenrausch seiner Figuren vernebelten Wahrnehmung ist sein Film nicht ernst genug.

Dabei hätte "Savages" bei mehr formaler Konzentration durchaus seine Qualitäten gehabt. So bleibt aber die durchaus interessante Beziehungsdynamik der Hauptprotagonisten substanzlos und damit wenig glaubwürdig. Auch dass die zwei Sunnyboys, ein spiritueller Pazifist und ein vom Krieg Gezeichneter, ein ausgeklügeltes Drogenhandel-Netzwerk ins Leben rufen, kann man dem Film beim besten Willen nicht abkaufen. Schwer wiegt auch die Tatsache, dass die zahlreichen Nebenfiguren kaum Profil bekommen. Der von John Travolta gespielte DEA-Agent ist auf der einen Seite ein Opportunist, der sich geschickt zwischen den Parteien bewegt, auf der anderen Seite ein liebender und sorgender Ehemann und Familienvater. Hayeks Elena ist unter der Oberfläche der gewissenlosen Drogenbaronin eine gebrochene Frau, die um die Zuneigung eines ihrer wenigen verbliebenen Kinder ringt.

Leider werden diese Charaktere ebenso wie die vielen interessanten Personenkonstellationen von der hektischen und selbstgefälligen Inszenierung Stones geradezu überrollt, so dass nur die Ansätze des Gewollten erkennbar bleiben. Del Toros Lado ist zu einer Karikatur eines mexikanischen Drogen-Handlangers verkommen. Dass dieser rücksichtslose Schlächter vor der hysterischen, mehr bellenden als beißenden Elena den Schwanz einzieht und mit einem Mal ganz klein wird, ist wie so vieles an diesem uneinheitlichen Film: Behauptung, der die Ausführung fehlt.
erschienen am 20. September 2012
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Ben (Aaron Johnson), Chon (Taylor Kitsch) und Ophelia (Blake Lively) leben im kalifornischen Laguna Beach gemeinsam ein glückliches Leben. Um auch finanziell auf einen grünen Zweig zu kommen, wollen sie das beste Mariuana der Welt auf den Markt bringen. Bald melden sich die ersten Neider. Doch dann macht Kartell-Chefin Elena (Salma Hayek) den Männern ein Angebot, das sie nicht ablehnen können. Als sie es doch tun, benutzt sie Ophelia als Druckmittel. In "Savages" verliert sich Oliver Stone in..
William Oliver Stone kommt am 15. September 1946 in New York zur Welt. Ende der 1960er Jahre meldet er sich zum Fronteinsatz in Vietnam, wo er zwei Mal verwundet wird. Später verarbeitet er seine Kriegserlebnisse unter anderem in "Platoon", "Geboren am 4. Juli" und "Zwischen Himmel und Hölle". Stone studiert an der Filmhochschule der New York University unter anderem unter Martin Scorsese. 12 Uhr nachts - Midnight Express". Es folgen zwei Regie-Platoon", "Geboren am 4. Juli"). Bis 2010 wird er..
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