20th Century Fox
Gugu Mbatha-Raw ist "Dido Elizabeth Belle"
Amma Asantes "Dido Elizabeth Belle"
Feature: Überwältigendes Historienmelodram
Als illegitime Tochter eines Admirals und einer Sklavin wächst die farbige Dido (Gugu Mbatha-Raw) 1769 mit ihrer Halbcousine beim aristokratischen Onkel in der Nähe von London auf. Der ist der einflussreiche Earl von Mansfield (Tom Wilkinson). Trotz dem goldenen Käfig nimmt Dido den Rassismus der englischen Gesellschaft nicht widerspruchslos hin.
erschienen am 9. 06. 2014
20th Century Fox
"Dido Elizabeth Belle"-Darstellerin Gugu Mbatha-Raw in Toronto
Wo Sklaven keine Menschen und Frauen nur Besitz sind
Während "12 Years a Slave" als naturalistisch-direkte, kaum erträgliche Brutalitätserfahrung daherkommt, ist der zweite Film der britisch-ghanaischen Regisseurin Amma Asante ("A Way of Life") ein scharfsichtiges Gesellschaftsdrama. Das nutzt die Formeln des Jane Austen-Kostümdramas intelligent, um daraus eine bewegende Geschichte um Frauen- und Menschenrechte, Rassismus, Kolonialismus und Sklaverei zu schaffen.

Wähnt man sich im gewohnten Austenland von "Stolz und Vorurteil", das als exquisites Period Piece wohlkostümiert Heiratsmarkt und Leidenschaften nach den Gepflogenheiten eines Schmachtfetzen bietet, ist die höfische Manier bei Asante nur das konventionelle Gewand, um subversiv und unerschrocken Aufklärung zu betreiben und einige unschöne Erkenntnisse über das England des 18. Jahrhunderts mitzuteilen.

Dass sie es dennoch schafft, mit einem seufzenden Melodram der gefühlsechten Sorte direkt und glaubhaft in die damaligen Problemzonen vorzudringen, wo Sklaven keine Menschen und Frauen nur Besitz sind, wo Klasse und Rasse statt Charakter und Fähigkeiten über alles entscheiden, ist Verdienst der sensiblen Regie sowie der britisch-nigerianischen Autorin Misan Sagay und ihres differenzierten Scripts.

Lob auch an das vorzügliche Ensemble mit Tom Wilkinson und Emily Watson als Zieheltern, besonders aber der britisch-südafrikanischen Aktrice Gugu Mbatha-Raw ("Odd Thomas") als innerlich zerrissene Protagonistin. Denn diese basiert wie Steve McQueens Oscargewinner auf einer historisch belegten Person. Didos Gemälde an der Seite der ihr eng verbundenen, schwesterlichen Cousine (Sarah Gadon) hängt noch heute im Scone Palace.
20th Century Fox
Dido Elizabeth Belle
Verbrechen, als Schwarzer geboren zu sein
Ebenfalls aktenkundig ist das Zong Massaker, bei dem über 140 Sklaven im Meer ertränkt wurden, um ihre Versicherungssumme einzustreichen. Dieser historische Hintergrund, wo Menschen als Handelsgut tot mehr wert waren denn lebendig, wo Sklaverei das ökonomische Rückgrat eines Weltreiches ist, wo Gesetz und Recht nichts mit Gerechtigkeit, sondern nur mit Macht zu tun haben, drängt nach und nach ins Zentrum der Geschichte von "Dido Elizabeth Belle".

Sie handelt von dem Verbrechen, als Schwarze geboren zu sein: Gewiss, "Lord Mansfields berüchtigte Mulattin" leidet von Beginn daran, wie ein schmutziges Geheimnis versteckt zu werden, gebildet und vermögend zu sein und sozial verachtet zu werden, speziell von einem Adelsspross. "Harry Potter"-Draco Tom Felton spielt wieder den rassistischen Mistkerl - und das kann er richtig gut.

"Dido Elizabeth Belle" hat auch deshalb lange das trügerische Flair eines Frauenfilms, weil Dido qua Erziehung mehr Vorurteile im Kopf hat, als andere und sich in einem genau ausgearbeiteten Coming of Age von dieser kranken Weltsicht emanzipieren muss. Der junge Advokat John (Sam Reid) bringt mit seiner Abolitionismus-Agenda nicht nur ihren Verstand in Gang, sondern erweckt auch ihre Leidenschaft.

Vordergründig geht es nur darum, ob eine Frau zwischen zwei Männern gesellschaftlichen Zwängen oder ihrem Herzen folgen soll. Aber hinter all der Kultiviertheit verbirgt sich Intoleranz und die Weigerung vieler, andere als Menschen zu sehen, womit in geschliffen-scharfzüngigen Dialogen die hintergründigen Problemzonen einer verlogenen Gesellschaft hervortreten, zuweilen mit treffsicherem Spott und Humor auf den Punkt gebracht.

Amma Asante schafft es mit einem wohltuend altmodischen Stil auf romantische wie humanistische Art feinfühlig zu rühren, Komik und Ernst der Situationen zu erfassen, leise traurige Miniaturen über gebrochene Herzen bis in kleinere, sehr menschliche Nebenfiguren hinein zu finden, die Schranken, aber auch den Wandel im Denken zu beschreiben. Die Charaktere entwickeln sich wie in einem Bildungsroman.

Das unermüdliche Engagement für Menschenrechte beeindruckt und findet in Form eines traumhaften Märchenendes, wo das richtungsweisende Urteil von Didos Richter-Onkel ansteht, der Massenmord und Sklavenhandel beenden könnte, zum überwältigenden Höhepunkt einer geschickten Geschichtsstunde, in der zwei Seelenverwandte ihre Freiheit erlangen. Das gelingt emotionaler und müheloser als in "Amistad" und ähnlichen Filmen.
erschienen am 9. Juni 2014
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Dido Elisabeth Belle (Gugu Mbatha-Raw) ist die uneheliche Tochter eines englischen Admirals (Matthew Goode) und einer afrikanischen Sklavin. Als junges Mädchen kommt sie in die Obhut ihres aristokratischen Großonkels Lord Mansfield (Tom Wilkinson) und seiner Frau Lady Mansfield (Emily Watson), wo sie mit ihrer Kusine Elisabeth (Sarah Gadon) aufwächst und deren beste Freundin wird. "Dido Elizabeth Belle" schafft die Balance zwischen Kritik an der englischen Adelsgesellschaft des 18...
Amma Asante beginnt ihre Karriere als Schauspielerin. Ihre eigentliche Berufung findet die 1969 in London geborene Tochter eines Ghanaers jedoch als Filmemacherin. Ihr Regiedebüt "A Way of Life" wird von Kritikern gelobt und mit zahlreichen Preise bedacht. Das Filmemachen ist für Assante eine ernste Angelegenheit. Undenkbar wäre es für sie, Filme zu drehen, die nichts zu sagen haben. Filme müssen Diskussionen anregen und im besten Falle die Welt verändern. "A Way of Life" ist ein Drama über..
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