Senator Filmverleih
Henriette Confurius und Hannah Herzsprung sind "Die geliebten Schwestern"
Friedrich Schiller zwischen zwei Frauen
Feature: Dominik Grafs Ode an die Liebe
Dominik Graf hat sich mit "Die geliebten Schwestern" einem weniger bekannten Kapitel im Leben Friedrich Schillers gewidmet: der Liebesbeziehung zwischen dem Dichterfürsten und zweier adeliger Schwestern. Herausgekommen ist ein virtuos inszeniertes Liebesdrama über Gefühle und Gefühlsäußerungen im 18. Jahrhundert.
erschienen am 31. 07. 2014
Senator Filmverleih
Henriette Confurius, Florian Stetter und Hannah Herzsprung "Die geliebten Schwestern"
Wo die Liebes hinfällt
In Grafs "Die geliebten Schwestern" dreht sich alles um Friedrich Schiller, und doch ist der deutsche Dichterfürst nicht das Zentrum des Kostümdramas. Die Geschichte beginnt im Sommer 1788 im thüringischen Rudolstadt. Charlotte von Lengefeld (Henriette Confurius) wird zu ihrer Tante Frau von Stein (Maja Maranow) geschickt, wo sie zu einer Dame von Welt erzogen werden und durch Heirat mit einer guten Partie den sozialen Abstieg der Familie abwenden soll. Wie das geht, hat ihre ältere Schwester Caroline (Hannah Herzsprung) bereits vor fünf Jahren vorgemacht, als sie die Ehe mit einem Adligen einging. Seitdem kann die Familie immerhin wieder einen Flügel ihres einstigen Anwesens bewohnen und sich einige Bedienstete leisten.

Statt sich für eine Standesheirat zu entscheiden, verliebt sich Lollo zum Ärger ihrer Mutter (wunderbar: Claudia Messner), ausgerechnet in den bürgerlichen und dazu mittellosen Intellektuellen Friedrich Schiller (Florian Stetter), der gerade mit seinem Drama "Die Räuber" die Theaterwelt erschüttert hat und seither als Aufrührer gilt. Auch Line findet an dem charismatischen jungen Mann Gefallen und so wagen die drei eine Menage à trois, die sie vor der Außenwelt jedoch geheim halten. Selbst als Lollo mit Schiller die Ehe eingeht, halten sie das misstrauisch beäugte Verhältnis aufrecht. Spannungen entstehen erst, als Line schwanger wird. Plötzlich steht zwischen den bislang untrennbaren Geschwistern der Vorwurf im Raum, Geheimnisse voreinander gehabt zu haben - trotz des Schwurs, alles miteinander zu teilen.
Caroline Link
Regisseur Dominik Graf
Die Liebe in Wort und Schrift
Er habe einen Film über Worte machen wollen, verrät Dominik Graf im Presseheft. Sowohl die gesprochenen als auch die geschriebenen Worte sind es denn auch, die sein Drama bestimmen. Wenn in "Die geliebten Schwestern" nicht unentwegt geredet wird, wobei sich der direkten Rede der Protagonisten die monotone Stimme des Erzählers Graf aus dem Off zugesellt, dann wird geschrieben und gelesen. Selten sah man im Kino einen Film, in dem der briefliche Austausch, das Verfassen und das Lesen, das Aushändigen und Empfangen, das Versiegeln, Auspacken und Verschnüren von Briefen die Erzählung derart dominiert haben.

Und wer hätte gedacht, dass das Schreiben und das Lesen filmisch überzeugend umgesetzt werden könnten? Graf lässt sich einiges einfallen, um den formal gerecht zu werden. Er belässt es nicht beim einfachen Zeigen einer schreibenden Hand und einer lesenden Person. Das Geschriebene und Gelesene ertönt mal im Off, dann sprechen die Figuren in die Kamera oder Graf positioniert sie so zueinander, als würden sie sich im selben Raum befinden. Einmal mehr erweist er sich dabei als Meister des zügigen Erzählens. Das Tempo, das Graf anschlägt, um Zeiten und Räume mittels Montagesequenzen zusammenzuziehen, die Bewegung der Kamera, die für ihn typischen Reißschwenks, die schnellen Szenenwechseln, haben nicht nur einen zum Dargestellten anachronistischen Charakter. Sie verleihen dem Film auch eine Dynamik, dass einem beim Zuschauen regelrecht schwindlig wird - aber auch Bewunderung für die verspielte Virtuosität des Regisseurs weckt.

Ebendiese Virtuosität ist immer Grafs größtes Manko gewesen. Die Vielfalt der formalen Mittel und das überbordende Erzählen sprengten seine Filme oftmals, stellten sich der Geschichte in den Weg, legten sich wie ein Schleier über die Figuren. Im Kopf des Zuschauers blieb nicht selten Chaos, Ratlosigkeit und der Vorwurf zurück, da stelle sich ein Regisseur intellektuell über seine Zuschauer. Man beachte vor diesem Hintergrund die Vorwürfe, die sich Graf gefallen lassen musste, als er die "Tatort"-Episode "Aus der Tiefe der Zeit" vorlegte.

Bei "Die geliebten Schwestern" ist dies nicht der Fall. Auch weil sich Graf vergleichsweise merklich zugunsten seiner Figuren und dem, was sie bewegt, zurückgenommen hat. So sehr für ihn die Träger von Gefühlen wichtig sind, so sehr geht es ihm auch um die Gefühle selbst. "Die geliebten Schwestern" ist ein Film über starke und kluge Frauen, die nicht nur intensiv empfinden, sondern sich auch mit aller Hingabe in Gefühle stürzen, die dafür kämpfen und dafür auch im besten Sinne intrigieren. Auch darüber handelt der Film: Über die Berechnung zugunsten des Gefühls. In diesem Punkt erweisen sich die Frauen als wahre Meisterinnen. Die Männer, große Denker ihrer Zeit, stehen in diesem Schlachtfeld eher am Rande. Schiller, das sagt er selbst in einer Szene, ist für das praktische Leben ungeeignet. Und Johann Wolfgang von Goethe? Auch er spielt im Film eine Rolle. Wie Graf den zweiten Großen der deutschen Klassik ins Bild setzt oder vielmehr: ihn nicht ins Bild setzt, ist schlicht und einfach großes Kino.
erschienen am 31. Juli 2014
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Dominik Graf ist seit Mitte der 1970er Jahre im Film- und Fernsehgeschäft erfolgreich tätig. Neben Kinofilmen drehte er unter anderem mehrere Folgen für "Tatort", "Polizeiruf 110" und "Der Fahnder". Immer wieder tritt Graf in Nebenrollen eigener Filme auf.Robert Graf. 2008 drehte er eine Episode zum Kinofilm "Deutschland 09 - 13 kurze Filme zur Lage der Nation". 2013 dreht er das Familiendrama "Die geliebten Schwestern" mit Hannah Herzsprung in einer tragenden Rolle.Caroline Link ("Nirgendwo..
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