Pandora Film
Requiem (2006)
Von allen guten Geistern verlassen
Feature: Heil gesucht - Tod gefunden
Wenige Monate nach "Der Exorzismus von Emily Rose" kommt ein weiteres Drama in die deutschen Kinos, das sich von der Leidensgeschichte der Anneliese Michel inspirieren ließ. Die Epileptikerin starb am 1. Juli 1976 gerade mal 23-jährig nachdem an ihr mehrere, von der katholischen Kirche genehmigte Exorzismen durchgeführt wurden. "Requiem" erzählt von Anneliese und ihren Dämonen, will aber partout kein Teufelsfilm sein.
erschienen am 9. 03. 2006
Sandra Hüller als Anneliese Michel
Wenn Michaela Klingler (Sandra Hüller) schnaufend in der kleinen Kapelle zu beten beginnt, hat sie bereits einen strapaziösen Weg hinter sich. Das Gotteshaus steht auf einem Hügel und die Strecke dahin ist steil und beschwerlich. Michaela konnte sie nur langsam radelnd bewerkstelligen. Die junge Frau leidet, doch sie nimmt die Schmerzen auf sich, sie ist es schließlich gewöhnt. Die letzten Jahre waren von Krankheit und Entsagungen geprägt. Die epileptischen Anfälle zwangen sie zu langwierigen Behandlungen und haben bereits ein ganzes Schuljahr gekostet. Das alles gehört aber erst einmal der Vergangenheit an, denn ihr Leben soll jetzt mit dem Studium der Pädagogik eine positive Wende erfahren.

Mütter sehen so etwas traditionsgemäß anders. Die erzkatholische Marianne Klingler (Imogen Kogge) ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Schließlich ist die tägliche Medikamentendosis ihrer Tochter kein Genesungsgarant: jederzeit könnte ein Anfall wieder in ihr Alltag einbrechen. Entsprechend gedrückt ist die Stimmung als eines Tages die den Klingler Studiumszulassung ins Haus flattert. Mit wohlwollender Unterstützung des Vaters Karl (Burghart Klaußner) und gegen den Willen der Mutter, verlässt Michaela dennoch die schwäbische Provinzidylle und bricht nach Tübingen auf. Zielstrebig stürzt sie sich dort ins Studentenleben und verliebt sich in einen Kommilitonen. Die Vergangenheit holt sie jedoch wieder ein, neue epileptische Anfälle bringen ihr labiles physisches und psychisches Gleichgewicht ins Schwanken. Sie hört Stimmen und sieht Fratzen. Zunehmend wächst in ihr die Überzeugung, sie sei von dämonischen Kräften besessen. Aus diesem Elend kennt sie nur einen Ausweg: die streng gläubige katholische Studentin stimmt einem Exorzismus zu.
Viel gelobt für die schwere Rolle: Hauptdarstellerin Sandra Hüller
Regisseur Hans-Christian Schmid hat sich mit seinem sechsten Kinofilm einen lang gehegten Wunsch erfüllt. Die Idee, das Schicksal der Anneliese Michel aus dem unterfränkischen Klingenberg zu verfilmen, soll den Wahlberliner seit langem bewegt haben. Ein Horrorfilm zu drehen kam für ihn jedoch nie in Frage. Bewusst verzichtete der Filmemacher deshalb auf jegliche Darstellung teuflischer Visionen, blasphemischer Gesten und sonstigen Effekthaschereien. Distanziert kühl, fast dokumentarisch wird der Leidensweg der Hauptfigur illustriert. Vom entfernten Blickwinkel eines Beobachters fügt sich so das Psychogramm einer überforderten Familie zusammen, die im schlichten Religionsgehorsam die Flucht aus der Ausweglosigkeit sucht.

Das Drehbuch von Bernd Lange mag diesem Ziel durchaus genügen, sitzt jedoch allzu eng wenn es um weit reichende Zusammenhänge geht. Dort wo eine filmische Behandlung von religiösen, juristischen und letztlich moralischen Fragen anstehen würde, konzentriert sich Schmids Blick auf Hauptcharaktere und deren Handeln und wirkt zu reduzierend. Positiv zu erwähnen bleibt dennoch das Kinodebüt der Hauptdarstellerin Sandra Hüller, die für diese Leistung mit dem Bayerischen Filmpreis 2006 als beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet wurde. Ihre Michaela ist eine holprige Studentin, die Heiligenbiographien anstelle von Popikonen nacheifert. Michaelas Ehrgeiz ist krankhaft, ihre Leidensbereitschaft bedingungslos. Zusammen vermengt münden sie in ein vermeintliches Martyrium, das nur mit dem Tod sein Ende findet.
erschienen am 9. März 2006
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Gleich für ihre erste Kinorolle wird Sandra Hüller mit dem Nachwuchspreis des Requiem" spielt sie die Epileptikerin Anneliese Michel, an der ein religiöser Exorzismus durchgeführt wird. Ihre Schauspielausbildung schließt sie im Jahr 2000 an der Hochschule für Schauspielkunst Brownian Movement" und Franziska in der preisgekrönten Tragikomödie "Finsterworld". Seit Herbst 2011 steht Sandra Hüller wieder bei den Münchner Kammerspielen auf der Bühne. Seit Anfang 2011 ist Hüller Mutter einer..
Requiem (Kinofilm)
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