Concorde Filmverleih
Die Queen
Hinter der Fassade der Royals
Feature: Die Queen im Wohnzimmer
Die erste Privataudienz bei Queen Elizabeth II. (Helen Mirren) ist für Premierminister Tony Blair (Michael Sheen) ein verwirrendes Erlebnis: Mit sarkastischem Unterton lässt sie den verunsicherten Frischling spüren, wie viele seiner Vorgänger bereits gekommen und gegangen sind. Nach jahrelangen Recherchen blickt der britische Starregisseur Stephen Frears mit "The Queen" hinter die Fassade der königlichen Familie und erzählt von den Tagen nach Lady Dianas Tod.
erschienen am 7. 09. 2006
Jean-François Martin/Ricore Text
Helen Mirren ist die Königin - auch in Venedig
Die erste Privataudienz bei Queen Elizabeth II. (Helen Mirren) ist für den frisch gewählten Premierminister Tony Blair (Michael Sheen) ein verwirrendes Erlebnis: Mit sarkastischem Unterton lässt sie den verunsicherten Frischling spüren, wie viele seiner Vorgänger bereits gekommen und wieder gegangen sind, ohne dass ihr Thron dabei auch nur annähernd ins Wanken geraten wäre. Doch dann kommt mit dem 1. September 1997 ein Schicksalstag, der für die Queen die bislang schwierigste Woche ihrer Amtszeit einläutet und ihr Verhältnis zu Tony Blair auf völlig ungewollte Art und Weise festigen wird.

Diana, Ex-Gattin von Thronfolger Charles, stirbt in Paris bei einem Autounfall. Während die ganze Welt in Trauer versinkt und bereits früh morgens Hundertschaften zum Londoner Buckingham-Palast pilgern, beschließt die Queen, ihren Aufenthalt auf Schloss Balmoral in Schottland nicht abzubrechen. Sie verleiht ihrer Position mit deutlichen Worten Ausdruck: Da Diana zum Zeitpunkt ihres Todes kein Mitglied der königlichen Familie gewesen sei, werde weder eine offizielle Reaktion der Familie erfolgen, noch ein Staatsbegräbnis.

Blair erkennt hingegen die immer stärker aufkeimende Massenhysterie bereits im Ansatz und rät dringend dazu, auf die Trauer des Volkes einzugehen und mit einem offiziellen Begräbnis dem globalen Schmerz am Verlust der geliebten Prinzessin eine Plattform zu bieten. Während Prinz Charles (Alex Jennings) auf der Seite des Premierministers steht und nach Paris fliegt, um den Leichnam seiner Ex-Frau nach England zu überführen, bleiben die Queen und ihr Ehemann Philip bei ihrem Entschluss, die Situation hinter verschlossenen Türen mit Ruhe und Würde zu verfolgen. Doch dies weckt die Unmut des Volkes, die beinahe sämtliche britischen Medien mit vernichtenden Schlagzeilen in Worte fassen: "Zeigt uns, dass es im Hause Windsor ein Herz gibt", heißt es - und zum ersten Mal in ihrer Amtszeit stößt die Queen auf die Ablehnung ihres Volkes. Mit dem anwachsenden Blumenmeer vor den Toren des Buckingham-Palasts sinkt auch der Widerstand der Queen, lässt einen Erkenntnisprozess ein der sie letztlich sogar schwanken lässt, ob ihre verstaubte Ansicht, Gefühle unterdrücken zu müssen, in der heutigen Medienzeit noch angemessen ist.
Jean-François Martin/Ricore Text
Stephen Frears mit Hauptdarstellerin Helen Mirren bei der Vorstellung von "The Queen"
Für die Präsentation von "The Queen" hätte der englische Starregisseur Stephen Frears keinen besseren Ort wählen können als die Filmfestspiele von Venedig. Denn als vor knapp neun Jahren die Nachricht vom Tode Lady Di's über die Medien verkündet wurde, dominierte kein anderes Thema das damaligen Festival - wie der plötzliche Tod der Herzensprinzessin. Der sonst so hektische Festivalbetrieb lag flach - kein Interview fand ein Ende, ohne die Thematik nicht zumindest angeschnitten zu haben. Nun bringt Frears die damaligen Ereignisse mit seinem umjubelten Wettbewerbsbeitrag zurück ins Gedächtnis und erzählt mit einer geschickten Mischung aus historischen Archivaufnahmen und inszenierten Szenen, was sich damals hinter den Kulissen der Königsgemächer abgespielt haben könnte.

Was anfängt wie eine ulkige Brit-Comedy, die das kapriziöse Verhalten der Royals mit herrlicher Ironie auf die Schippe nimmt, wird im Moment von Dianas Unfall zu einem brillant inszenierten Drama, das sich - so Frears - so nah an den wirklichen Ereignissen orientiert, wie es nur irgend möglich war. "Wir sprachen mit Leuten, die damals in Blairs Büro arbeiteten und konnten von Freunden, die in jener Nacht mit Charles mit Charles telefonierten, sogar in Erfahrung bringen, was sich im einzelnen auf Schloss Balmoral abgespielt haben könnte." Das Ergebnis der intensiven Recherche ist ein authentischer Erzählstil, der zwischen Fakten und Fiktion belegt, wie Diana nach ihrem Tod die königliche Familie stärker spaltete, als zu Lebzeiten. "Sie war wohl erzogen, aber eben eine der Frauen, die gerne Popmusik hörte", erklärt Frears. "Da traf Tradition auf Moderne - und das konnte nicht gut gehen". Alt gegen neu, Queen gegen Blair und der Zwiespalt zwischen Etikette, Protokoll und einem emotionalen Verhalten, das das Volk in dieser schweren Stunde von ihrer Königin verlangte.

Frears inszeniert diesen friedlichen Kampf der Erkenntnis, ohne die Figuren zu verraten. Im Gegenteil: Er schafft die Annäherung an die wundersame königliche Familie in einer Form, die es zum Beispiel gar nicht nötig hat, die Gesichter von William und Harry zu zeigen. "Die beiden Kinder haben damals ihre Mutter verloren", macht Frears klar. "Darauf würde ich nie herumreiten." Statt die Queen also lächerlich zu machen, gelingt ihm das schier unfassbare: Man fühlt mit der Regentin, erkennt ihren Konflikt - und hofft ohne Schadenfreude auf die Erkenntnis der großen Dame, manchmal auch mit der Zeit gehen zu müssen. Helen Mirren spielt diese Geradwanderung mit derartiger Brillanz, dass erfahrene Crew-Mitglieder am Set bei ihrem Anblick zusammenzuckten und sie auf Seiten der Presse bereits jetzt als heiße Favoritin für die kommenden Oscars gehandelt wird. Frears selbst will davon erst einmal nichts wissen und vergleich sein opulent und mit Liebe zum Detail ausgestattetes Werk lieber mit einem Spiegel: Ob der Film für oder gegen die Royals ist, kann jeder für sich entscheiden. "Ich habe lediglich versucht, so authentisch wie möglich zu sein." Eine Reaktion von Seiten der Queen gab es bislang freilich noch nicht. "Wir gehen davon aus", so Helen Mirren, "dass uns die königliche Familie völlig ignorieren wird."
erschienen am 7. September 2006
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Die Queen (Kinofilm)
Als 1997 Prinzessin Diana ums Leben kommt, verschanzt sich Königin Elizabeth II. (Helen Mirren) mit ihrer Familie in Schloss Balmoral. Die Monarchin kann die große öffentliche Anteilnahme für Lady Di nicht nachvollziehen. Premierminister Tony Blair (Michael Sheen) will in der schweren Krise versuchen, die britischen Untertanen wieder mit ihrer Königin zu versöhnen. Der britische Regisseur Stephen Frears blickt mit dem sensiblen Drama auf ein tragisches Ereignis aus der Geschichte seiner Heimat.
Stephen Frears wird am 20. Juni 1941 in Leicester, England geboren. Nach eigenen Angaben wollte der Regisseur, Drehbuchautor, Schauspieler und Filmproduzent nie zum Film sondern zum Theater, nur durch viele Unfälle mache er immer wieder Filme. Mit "Auf leisen Sohlen" inszeniert er 1971 sein erstes Werk. Viele weiter folgten bis ihm 1985 der große Durchbruch mit "Mein wunderbarer Waschsalon" gelingt. Für die Regiearbeit zu "The Grifters" und "Die Queen" wird Frears für den Academy-Award..
Schon früh beginnt der Nachfahre einer aristokratischen russischen Familie mit seiner Theaterausbildung. Mit 19 Jahren wird Helen Mirren in die renommierte James Mason in "Das Mädchen vom Korallenriff". Besondere Aufmerksamkeit erregte sie mit dem Skandalfilm "Caligula", der bis heute von vielen Kritikern als pornografisch eingestuft wird.Peter Greenaway ("Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber"), Robert Altman ("Gosford Park") oder Stephen Frears ("Die Queen").
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