News: Hollywood Insider
Walt Disney
Findet Nemo
Pixar: Ideen statt platte Sequels
Kleine Fische, großes Geld
Action statt Story, Sequels statt Ideen. Doch was genug ist, ist genug: Viele Kinofans haben die Lust an Klonfilmen verloren, und die daraus resultierenden Umsatzeinbrüche in Europa und Amerika haben die Studiobosse kalt erwischt. Nur Pixar-Chef Steve Jobs reibt sich fern von Hollywood die Hände, stammt der erfolgreichste Film des Jahres doch aus seiner Trickfilmschmiede: "Findet Nemo" ist ein im Computer generiertes Unterwasserabenteuer, dessen Hauptdarsteller kleine Fische sind.
11. Aug 2003: "X-Men 2", "2 Fast 2 Furious", "3 Engel für Charlie - Volle Power", "Lara Croft Tomb Raider - Die Wiege des Lebens", "Bad Boys 2", "Natürlich Blond 2", "Matrix Reloaded" und "Matrix Revolutions", "Terminator 3 - Rebellion der Maschinen", "American Pie - Jetzt wird geheiratet" und - schlau! - ein von Regisseur Robert Rodriguez als "Irgendwann in Mexico" deklarierter "Desperado 2": Nimmt man noch "Der Fluch der Karibik", "Hulk" und Co. hinzu, dann ist das Kinojahr 2003 eine erbärmliche Abfolge von Sequels, Comic-Filmen und explosiven Action-Abenteuern. Doch Hollywoods vermeintliches Patentrezept für Kassenhits hat ausgespielt: Einnahmen und Besucherzahlen liegen im Vergleich zum Vorjahr klar zurück, während die Filme immer teurer werden, die Stargehälter weiter in die Höhe schnellen und jeder an den Umsätzen beteiligt werden möchte.

Das Publikum ist offenbar der Explosionen und Effekte überdrüssig, zumal Story und Gefühle dabei häufig auf der Strecke bleiben. Und so meiden die Amerikaner (trotz freundlicher Kritiken) "Lara Croft Tomb Raider - Die Wiege des Lebens" und pilgern stattdessen in das brave Pferde-Epos "Seabiscuit", einen konventionellen Film mit Darstellern aus Fleisch und Blut, der gerade deswegen schon als Oscar-Kandidat gehandelt wird. Aus dem Grafikcomputer entwichen sind dagegen die Stars des originellen Unterwasserabenteuers "Findet Nemo" - dem bislang besten Film des Jahres, der in Deutschland leider erst am 20. November in die Kinos kommt. Der kindgerechte Streifen hat in Amerika nicht nur "Matrix Reloaded" überflügelt, er ist inzwischen auch der erfolgreichste Trickfilm überhaupt - eine Krone, die bislang "Der König der Löwen" trug - und hat sich einen Platz in der US-Bestenliste der zehn erfolgreichsten Filme aller Zeiten erobert. Jetzt fragen sich die Studiobosse, was Apple-Chef Steve Jobs, der nahe San Francisco nebenbei das Trickfilmstudio Pixar leitet, eigentlich besser kann als sie. Denn "Findet Nemo" ist ja keineswegs der erste Blockbuster von Jobs und seiner kreativen rechten Hand John Lasseter: Mit "Toy Story", "Das große Krabbeln", "Die Monster AG" und "Findet Nemo" hat das Studio ausnahmslos grandiose Hits gelandet - was zum Teil auch Pixars rührigem Vertriebspartner, den Disney-Studios, zuzuschreiben ist.

Erfolgsrezepte auf dem Prüfstand
Doch diese Partnerschaft steht auf der Kippe: Der Vertriebsvertrag mit Disney läuft nach zwei weiteren Produktionen aus, und Steve Jobs hätte in Zukunft gerne bessere Konditionen. Bisher teilen sich die Partner Kosten und Profit, Pixar möchte seine Filme aber künftig ohne fremde Hilfe finanzieren und Disney (oder einem anderen Studio) lediglich eine Vertriebskompensation von beispielsweise zehn Prozent der Einnahmen abtreten - einen ähnlichen Deal hat Lucasfilm ("Star Wars") mit dem Hollywood-Studio 20th Century Fox. Natürlich möchte Disney unbedingt beweisen, dass kein anderer "Findet Nemo" und Konsorten besser unter die Leute bringen kann als das auf Familienunterhaltung abonnierte Unternehmen - eine Kampfansage an die anderen Hollywood-Studios, die bei Pixar derzeit Schlange stehen. Für Deutschland plant Disneys Vertriebsarm Buena Vista International zum Beispiel eine rauschende Premiere mit einem Exklusivauftritt von Popstar Robbie Williams. Klotzen, nicht kleckern, lautet die Devise.

"Findet Nemo" hat außerdem gute Oscar-Chancen - nicht nur in der neu geschaffenen Trickfilm-Sparte. Dem submarinen Abenteuer winkt vielmehr eine Nominierung in der Königskategorie "Bester Film". Das freut die etwa 700 Pixar-Angestellten, die im Durchschnitt vier Jahre lang an einem Trickfilmabenteuer feilen. Was sie dabei besser oder zumindest anders machen als ihre erfolglosere Konkurrenz, lässt sich auf ein paar Grundregeln zurückführen. So denkt man sich bei Pixar lieber selber originelle Storys aus, als bekannte Stoffe und Figuren für die Leinwand zu bearbeiten. Anschließend muss jeder seine Hausaufgaben machen: Bei "Findet Nemo" etwa mussten alle Hauptbeteiligten Tauchkurse absolvieren, denn das Verhalten jeder (Fisch-)Figur im Film basiert auf einem echten Meereslebewesen. Um sich nicht selbst zu wiederholen, wechseln die Macher außerdem bewährte Schlüsselelemente aus. Beispiel: Wurde die Filmmusik früherer Pixar-Produktionen von Randy Newman komponiert, engagierte man für "Findet Nemo" seinen Cousin Thomas. Auch auf die seit "Das große Krabbeln" etablierten so genannten Outtakes im Abspann des Films verzichtete man dieses Mal zugunsten von - nun, Sie werden es ja sehen.

Heißt es bei anderen Studios gerne "Augen zu und durch", ist man bei Pixar eher selbstkritisch und schreckt auch nicht davor zurück, ein längst beschlossenes Konzept später noch einmal umzuwerfen - falls das Ergebnis dadurch besser wird. So wurde etwa "Toy Story 2" weniger als ein Jahr vor Kinostart noch einmal komplett umgemodelt. Die wichtigste Zutat im Erfolgsrezept ist jedoch der Respekt vor dem eigenen Publikum. Denn obwohl Pixar-Produktionen für sämtliche Altersgruppen freigegeben sind, sind sie keineswegs infantil, sondern zielen im Kern auf die Erwachsenen ab. Weder wird das Publikum für dumm verkauft noch unnötigerweise an die Hand genommen, und so zünden viele Anspielungen und Gags in "Findet Nemo" insbesondere bei den Großen. Dabei schreckt das Pixar-Team auch nicht vor Risiken zurück, etwa wenn in "Nemo" zu Beginn des Films ein regelrechtes Massaker stattfindet. Dieser Mut hat sich nun wieder ausgezahlt.
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