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Affäre: Mauscheleien überschatteten Förderpreis
Fett abgesahnt
Hans Weingartners "Die fetten Jahre sind vorbei" war der große Gewinner des diesjährigen Filmnachwuchs-Förderpreises. Doch niemand ist darüber wirklich glücklich: Zu zweifelhaft waren die Umstände, die zur mehrfachen Auszeichnung des deutschen Cannes-Beitrages führten.
07. Jul 2004: Manchmal ist der Weg zur Hölle mit den besten Absichten gepflastert. Diese hatten zweifellos auch die Sponsoren HypoVereinsbank, Bavaria Film und Bayerischer Rundfunk, die mit dem "Förderpreis Deutscher Film" im Rahmen des Münchner Filmfests junge Talente in den Kategorien Regie, Drehbuch und Schauspiel mit insgesamt 80.000 Euro honorieren. Doch der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Rückblickend war es deshalb unglücklich, die Zahl der Nominierten pro Kategorie auf zwei oder drei Filme und Personen zu beschränken. Es war unklug, dass Regisseur Hans-Christian Schmid ("Crazy") sich in die Jury setzte, obwohl der Streifen "Sommersturm" von Marco Kreuzpaintner von einer Vorjury in drei Kategorien nominiert worden war. "Sommersturm" ist "Crazy" nicht nur ähnlich (und hat mit Robert Stadlober denselben Hauptdarsteller gleich), der Film ist auch eine "Claussen & Wöbke"-Produktion. Hans-Christian Schmid gehört dort quasi zur Familie, musste sich in der Jury also politisch überkorrekt verhalten.

Merkwürdig auch die Nominierung des längst etablierten Cannes-Beitrags "Die fetten Jahre sind vorbei". Echte Nachwuchsförderung sieht anders aus. Schließlich war Regisseur Hans Weingartner bereits mit seinem Film "Das weiße Rauschen" äußerst erfolgreich (Max-Ophüls-Preis, First Steps Award etc.), und "Die fetten Jahre sind vorbei" wurde nach Cannes in Dutzende von Ländern verkauft. Seltsam auch, dass Weingartners neuer Film zwar offiziell zum Münchner Festivalprogramm gehörte, dort jedoch nur ein einziges Mal zu sehen war - in einer schnell ausverkauften Abendvorstellung, für die sich der deutsche Delphi-Verleih ein großes Kartenkontingent gesichert hatte. Der Film lief also quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit, was die Vermutung nahe legt, dass er pro forma ins Programm genommen wurde, um beim Förderpreis absahnen zu können.

Genau das gelang dem Streifen schließlich auch in einer Art und Weise, die den Preisstiftern nicht recht sein dürfte: Denn Weingartner gewann nicht nur den mit 40.000 Euro dotierten Förderpreis für die beste Regie - sein Film bekam außerdem einen Drehbuchpreis, war in dieser Kategorie allerdings überhaupt nicht nominiert! Die Jury, neben Schmid der Filmkritiker Michael Althen (FAZ) und die Schauspielerin Sophie von Kessel, setze sich eiskalt über das Regelwerk hinweg und schickte die regulär nominierten Autoren von "Sommersturm" (Kreuzpaintner) und "Such mich nicht" (Alex Buresch) ins Abseits. Und weil "Die fetten Jahre sind vorbei" laut Reglement nicht gleichzeitig für Drehbuch und Regie ausgezeichnet werden durfte, erfand die Jury kurzerhand eine neue (undotierte) Kategorie namens "Szenisches Treatment", während der ursprüngliche Drehbuchpreis einfach nicht vergeben wurde. 20.000 Euro warten seitdem auf einen Besitzer - noch im Juli wollen die Preisstifter entscheiden, was mit dem Geld passieren soll, das für die Autoren vorgesehen war.

Immerhin: Der Amoklauf der Förderpreisjury wurde vom Filmfestpublikum souverän korrigiert. Gegen starke internationale Konkurrenz wie "The Motorcycle Diaries" von Walter Salles und "Coffee and Cigarettes" von Altmeister Jim Jarmusch gewann Kreuzpainters "Sommersturm" den von Radio Bayern 3 ausgeschriebenen Publikumspreis des Festivals. Damit war zwar kein Geld verbunden - aber eine fette Portion Genugtuung.
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