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Peter Sellers war ein Mann der Extreme
Das kranke Herz der Komik: Peter Sellers
Retro Feature: Ironie eines Todes
"Ich hasse alles, was ich tue." Das Essen sollte an einem der kommenden Tage in London stattfinden. Die ehemaligen Partner Spike Milligan und Harry Secombe haben sich bereit erklärt, über eine Renaissance der "Goon-Show" zu verhandeln. Es ist der 22. Juli im Dorchester Hotel an der Park Lane. Die Wiedervereinigung des ehemaligen Ensembles wird von diesem Tag an für alle Ewigkeit begraben. In einer Suite der Luxusherberge kollabiert Richard Henry Sellers. 36 Stunden später verstirbt der Schauspieler in einem Londoner Krankenhaus. Nur ein Foto seiner ersten Frau Anne Howe trägt er zum Zeitpunkt seines Todes bei sich.
erschienen am 15. 02. 2022
Playboy
Peter Sellers als erster Mann auf dem Playboy Cover im April 1964
Auf Playboy-Cover mit Karen Lynn Gorney
1964 ist Peter Sellers das erste männliche Model auf dem Playboy-Cover. Für die April-Ausgabe posiert er zusammen mit der späteren Schauspielkollegin Karen Lynn Gorney auf der Frontseite des Herrenmagazins. Im gleichen Jahr muss er am Set von Billy Wilders Satire "Küß mich, Dummkopf" von einem Schauspielkollegen ersetzt werden. Sellers erleidet während der Dreharbeiten seinen ersten Herzinfarkt. Drei weitere stehen ihm noch bevor.

Zum Zeitpunkt des ersten Infarkts ist er gerade mal 39 Jahre alt. Am 8 September 1925 wird Richard Henry Sellers in der englischen Grafschaft Hampshire geboren. Seine Eltern Agnes und Bill rufen ihren Sprössling schon in jungen Jahren "Peter". Dies geschieht in Erinnerung an den älteren Bruder von Richard Henry, der einige Jahre vor seinem Bruder tot geboren wurde.
Gesundheitlicher Zusammenbruch
Irrsinnige Texte surrealen Humors gemixt mit bizarren Sound-Effekten sind zwischen den Jahren 1951 bis 1960 das Markenzeichen der "Goon-Show". Das komödiantische Radioformat der BBC ist die erste ernstzunehmende künstlerische Plattform für den ambitionierten Sellers. Das Einflussgebiet der provokanten Sendung reicht bis in die Vereinigten Staaten und beeinflusst nachhaltig den Nachkriegshumor des vereinigten Königreichs. Unter anderem lässt sich die damalige Studentengruppe "Monty Python" in ihrem Schaffen von der "Goon-Show" inspirieren. Für Sellers ist es der Anfang einer Weltkarriere.

Doch der gesundheitliche Zusammenbruch von 1964 verändert den Darsteller. Das anfällige Herz beeinträchtigt in der Folge permanent seine Gesundheit. Er trägt einen Herzschrittmacher um erneute Ausfälle der Herzmuskulatur abzufangen. Im Angesicht seiner körperlichen Versehrtheit stürzt er sich in zahlreiche Filmprojekte, deren Qualität unter der Massenproduktion leiden. Nicht nur die künstlerische Fassade bekommt in dieser Zeit Risse. Private Eskapaden rücken den Mimen in den Fokus der Boulevardpresse. Ein Potpourri aus Liebesaffären, Eheschließungen und Scheidungsprozessen sorgen für weiteren Stress. Doch der ist Gift für sein krankes Herz.
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Peter Sellers als Inspektor Clouseau
Exzentrische Lebensführung
Das Genie leidet unter seinem zerrütteten Privatleben. Seine exzentrischen Charakterzüge verletzen immer wieder sein familiäres Umfeld. Die ersten drei Ehefrauen können ein Lied von der dunklen Seite des Komikers singen. Sohn Michael eröffnet er beispielsweise, dass seine Mutter Anne Howe eine Affäre mit dem Dekorateur hat. Im Augenblick der Enthüllung ist Michael gerade acht Jahre alt.

1964 traut sich schließlich Britt Ekland mit ihm vor den Traualtar. Als das schwedische Top-Model mit der gemeinsamen Tochter Victoria am Set erscheint, dreht Sellers durch. Er fühlt sich von dem Kind beobachtet und lässt es umgehend vom Gelände entfernen. Nach dem Tod von Mutter Agnes beginnt er immer regelmäßiger Drogen zu konsumieren. Eine besondere Vorliebe entwickelt er dabei für das Inhalieren von Alkyl Nitraten. Die Rauschzustände und depressiven Nachfolgeerscheinungen werden von ehelichen Gewaltexzessen begleitet. Vier Jahre nach der feierlichen Hochzeit reicht Britt schließlich entmutigt die Scheidung ein.
Wiederauferstehung mit Willkommen, Mr. Chance
Infolge der cineastischen Fliessbandarbeiten kommt das künstlerische Comeback für Sellers erst ein Jahr vor dem letzten Infarkt. Mit "Willkommen, Mr. Chance" von Hal Ashby feiert er eine ästhetische Wiederauferstehung. Die Kritiken sind hymnisch, nur übersehen die Juroren der Oscar-Verleihung und der Filmfestspiele von Cannes die Qualität des Werkes leider, wahrscheinlich war ihnen sein bisheriges Werk ein Dorn im Auge.

Ende Juli 1980 soll sich Sellers in Los Angeles einer weiteren Operation am offenen Herzen unterziehen, um die anhaltenden Probleme medizinisch besser in den Griff zu kriegen. Für den 22. des Monats hat er einen Termin mit einem Londoner Notar ausgemacht. Er ist gewillt die Scheidung von seiner vierten Ehefrau Lynne Fredrick rechtskräftig zu vollziehen. Darüber hinaus will er die Noch-Gattin aus seinem Testament streichen. Aufgrund bereits erwähnter Umstände kommt es nicht zu dem Notarbesuch, weshalb die englische Schauspielerin Fredrick schließlich den Großteil seines Vermögens auf testamentarische Anweisung erbt.

Die Kinder Michael und Sarah dürfen sich immerhin noch über ein paar Tausend Dollar aus dem Millionenerbe freuen. Im Übrigen tut Michael es später seinem Vater gleich und stirbt früh am 24. Juli 2006. Auf den Tag genau 26 Jahre nach seinem Vater. Todesursache: Herzversagen. Eine familiäre Disposition?

Sellers verfügte notariell, dass auf seiner Beerdigung der Evergreen "In the Mood" von Glenn Miller gespielt wird. Zeitlebens hat Sellers diesen Song gehasst. Es ist ein letzter ironischer Gruß aus der Gruft, während seine Familie um ihn weint. Die ehemaligen "Goon"-Kollegen hingegen kennen seine Abneigung gegenüber dem Titel, sie brechen inmitten der trauernden Gemeinde in schallendes Gelächter aus. Erst am Londoner Golders Green Krematorium hat das kranke Herz von Richard Henry Sellers seine letzte Ruhe gefunden.
erschienen am 15. Februar 2022
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