Tobis Film
Paraderolle: Heath Ledger als schwuler Cowboy
Heath Ledger: Cowboy und Casanova
Starfeature: Steiler Aufstieg - frühes Ende...
Als Ende Januar 2008 die Nachricht vom plötzlichen Tod Heath Ledgers die Runde macht, ist die Betroffenheit groß. Publikum wie Medien sind schockiert über das jähe Ende des 28-jährigen Schauspielers. Gilt Ledger doch als Schauspieler, der über die Verkörperung scheuer Anti-Helden zur Identifikationsfigur eines Millionenpublikums geworden ist. Ob homosexueller Cowboy in "Brokeback Mountain", Frauenheld Casanova oder poetischer Träumer in "Brothers Grimm": Sensible, unstete und labile Charaktere sind die Markenzeichen des gebürtigen Australiers.
erschienen am 18. 08. 2008
Teeny-Komödien ebnen den Weg
Eine Körpergröße von 1 Meter 85, blendendes Aussehen und eine tiefe, heisere Stimme. Heath Ledger hätte es sich leicht machen und auf das Klischee des 'Pretty Boy' festlegen lassen können. Als solcher gilt der damals 20-Jährige zu Beginn seiner Hollywood-Karriere. In der Teenager-Komödie "10 Dinge, die ich an Dir hasse" spielt Ledger 1999 Lehrerschreck Pat Verona. Ein Mädchenschwarm, der eine widerspenstige Mitschülerin um den Finger wickelt und dafür hinterrücks Geld kassiert. Doch so cool der aus dem australischen Perth stammende Ledger in der Rolle auch erscheint: Oberflächlichkeit ist seine Sache nicht. Und eine Zukunft als Hauptdarsteller seichter Teeny-Komödien erst recht: "Als ich jünger war, wurden mir meine Entscheidungen in gewisser Weise aufgezwungen. Man besetzte mich in mehr oder wenigen dummen Filmchen, und ich musste dann damit fertig werden. Diese Karriere versuche ich seit etwa zwei Jahren zu zerstören und gegen das einzutauschen, was ich mir selbst wünsche. Denn ich bin der Meinung, dass ich besseres verdient habe", so der selbstbewusste Jungstar 2005 im Gespräch mit Syd Thompson gegenüber Filmreporter.de.
Sony Pictures
Heath Ledger schärft sein Profil in "Der Patriot"
Feuerkopf und Hasenfuß
2000 bis 2005 vollzieht sich die eigentliche Entwicklung des Schauspielers Heath Ledger. In dieser Zeit probiert er sich in unterschiedlichsten Filmgenres aus. Bewusst verkörpert er gegensätzliche Charaktere. Nicht auf uninteressante Rollen in großen Filmen fokusiert er sein Interesse, sondern fordernde Rollen in gehaltvollen Produktionen. Dass großangelegte Kinoprojekte und Rollenangebote für profilierte Charaktere einander nicht ausschließen müssen, gehört zu den Glücksfällen in Ledgers Karriere. Bereits im Jahr 2000 erhält er in Roland Emmerichs "Der Patriot" seine erste Chance, allmählich ins angestrebte Charakterfach hineinzuwachsen: Er spielt Gabriel Martin, den Sohn eines von Mel Gibson dargestellten Südstaaten-Farmers. Gegen den Willen des Vaters zieht Gabriel in den Unabhängigkeitskrieg und erlebt hautnah dessen Grauen und Brutalität. Interessant ist die Gegenüberstellung mit einer Rolle, die Ledger 2002 im Film "Die vier Federn" übernimmt. Hier gibt er nicht mehr den jugendlichen Feuerkopf. Stattdessen spielt er den britischen Offizier Eversham, der angesichts eines gefährlichen Afrika-Kommandos seine Truppe verlässt. Doch die Scham, seine Regimentskameraden im Stich gelassen zu haben, lässt den jungen Soldaten nicht los. Auf eigene Faust macht er sich deshalb auf den gefährlichen Weg zu seiner im Sudan stationierten Truppe.
Buena Vista International
Heath Ledger auf der Bienale (2005)
Effektvoll als Desperado
Das Ringen um Wahrhaftigkeit und Reife im darstellerischen Ausdruck steht im Kontrast zur jugendlichen Ausstrahlung Heath Ledgers. Was immer der Australier an Rollen übernimmt: Optisch erscheint er vergleichsweise sanft, vom Leben wenig geprägt. Doch gerade über sein unschuldig-zartes Gesicht vermitteln sich die Schicksale der von Ledger verkörperten Figuren umso wirkungsvoller. Eine solche Figur findet sich im Südstaatendrama "Monster's Ball": Ledger spielt darin Sonny Grotowski, den lebensuntüchtigen Sohn eines beinharten Gefängniswärters. Die Hinrichtung eines Häftlings in Anwesenheit von Sonny führt zur bitteren Kontroverse mit dem Vater. Sonny erträgt weder dessen Missbilligung, noch die eigene Schwäche und nimmt sich kurz darauf das Leben. Die Rolle des Desperados scheint Ledger geradezu auf den Leib geschrieben. Ein weiteres Beispiel ist seine Rolle im australischen Drama "Candy" (2005): Hier spielt er den männlichen Part eines Liebespaars, das über das lustvolle Ausprobieren von Rauschgift in die Drogensucht abrutscht. Doch Ledgers Gestaltung der Figur erschöpft sich nicht allein in der Tragik eines Drogenabhängigen. Es ist der Weg in die Sucht mit all ihren intensiven und irrealen Glücksmomenten, den Ledger glaubwürdig nachzeichnet.
TOBIS Film
Heath Ledger und Michelle Williams in "Brokeback Mountain"
Erotisches Ideal beider Geschlechter
Galt Heath Ledger zu Beginn seiner Filmkarriere als Teenager-Idol, so erotisiert er mit den Jahren sowohl das männliche als auch das weibliche Publikum. Ledgers grazile Erscheinung und sein Charisma des Charmant-Schüchternen bilden die ideale Projektionsfläche für hetero- wie homoerotische Phantasien. 2005 beweist er in der romantischen Komödie "Casanova", dass er sich auf die Rolle des vitalen Frauenhelden versteht. Im selben Jahr sieht er sich einer weit schwierigeren darstellerischen Herausforderung gegenüber: Er spielt einen schwulen Cowboy in Ang Lees Western-Drama "Brokeback Mountain". Film wie Rolle sind eine riskante Gratwanderungen. Gilt der amerikanische Cowboy doch als Mythos und Symbol für Männlichkeit schlechthin. Ledger und sein Filmpartner Jake Gyllenhaal entwerfen jedoch ein ganz anderes Bild: Die von ihnen dargestellten Cowboys tragen ihre homosexuelle Neigung heimlich mit sich. Ein Outing im prüden Amerika der 1960er Jahre scheint ihnen undenkbar. Erst das Zusammentreffen beider Männer fernab jeder Zivilisation führt zu der leidenschaftlichen Liebesbeziehung. Auf seine Erfahrungen beim Dreh der Liebesszenen mit Jake Gyllenhaal angesprochen, erinnert sich Heath Ledger später im Interview: "Ich hatte wirklich keine große Lust, Jake zu küssen. Aber gerade deswegen habe ich es gemacht. Als Schauspieler suche ich die Herausforderung und will an dem wachsen, was ich eigentlich nicht kann."
Warner Bros.
Heath Ledger als Joker in "The Dark Knight"
Einsichten eines Frühvollendeten
Auch privat wird die Oscarprämierte Produktion "Brokeback Mountain" für Ledger zum Wendepunkt. Bei den Dreharbeiten verliebt er sich in Schauspielerkollegin Michelle Williams. Im Oktober 2005 kommt Tochter Matilda Rose zur Welt. Damals lernt die Öffentlichkeit einen gelösten wie nachdenklichen Heath Ledger kennen. Von Filmreporter.de-Autor Johannes Bonke in einem Interview auf sein Unterarmtattoo "Old Man River" angesprochen, meint Ledger: "Der Name erinnert mich irgendwie an die Ewigkeit. Mir kommt es so vor, als ob ich momentan in rasender Geschwindigkeit diesen Fluss entlang schwimme. Vielleicht ist es bald an der Zeit, mal anzuhalten und zu genießen. Bei vielen Männern verändert sich das Leben so richtig, wenn sie dreißig Jahre alt werden. Mir kommt es so vor, als ob sich bei mir schon jetzt alles im Umbruch befindet." Dass Ledger seinen 30. Geburtstag nicht mehr erleben wird, ahnt er damals noch nicht. Bis zuletzt befindet sich sein Leben im Umbruch. Im September 2007 gibt er seine Trennung von Lebensgefährtin Michelle Williams bekannt. Zu jener Zeit steht er für das Fantasyabenteuer "The Dark Knight" als ausgekochter Bankräuber Joker vor der Kamera. Es ist der letzte Film, den Ledger zu Lebzeiten fertigstellt. Nach einem Kurzurlaub von den Dreharbeiten zu Terry Gilliams "The Imaginarium of Doctor Parnassus" wird er am 22. Januar 2008 in seinem New Yorker Apartment tot aufgefunden. Als Todesursache wird eine verhängnisvolle Wechselwirkung von Schmerzmitteln, Schlaftabletten und Medikamente festgestellt. Ein Indiz dafür, dass Zerrissenheit und Selbstzweifel der von ihm verkörperten Charaktere auch dem Menschen Heath Ledger nicht fremd gewesen sein dürften.
erschienen am 18. August 2008
Zum Thema
Bevor Heath Ledger Fuß in Hollywood fassen kann, ist er in mehreren TV-Serien zu sehen. Der Australier ist lange Zeit als Teenie-Star verschrien, bevor er mit "Der Patriot" erstmals Aufmerksamkeit erregt. Den endgültigen Durchbruch schafft er unter der Regie von Ang Lee im Oscar-gekrönten Drama "Brokeback Mountain". Vor allem 2005 ist ein äußerst produktives Jahr für den gebürtigen Australier. Er wirkt in fünf Produktionen mit. Aus seiner Beziehung mit Michelle Williams geht die gemeinsame..
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