Jean-François Martin/Ricore Text
Wim Wenders (Cannes 2008)
Deutsches Autorenkino vom besten
Starfeature: Unverbesserlich: Wim Wenders
"Ich habe keine Höhenangst; ich habe nur Angst herunterzufallen", erklärt Protagonist Travis seinem Gesprächspartner Walt in "Paris, Texas". Der Vater dieser Figur kennt sich ebenfalls mit den Facetten von Extremen aus. Von vielen Cineasten verehrt, wird Wim Wenders und sein Werk von anderen mit kritischem Stirnrunzeln beäugt. Die Spannbreite der Urteile über den Filmemacher reicht von Einem der wichtigsten deutschen Filmpioniere bis hin zu Überambitioniertem Kinophilosoph.
erschienen am 17. 11. 2008
Kinowelt
Von einem der auszog – Wim Wenders’ frühe Jahre
Herkunft und Ausbildung
Als Ernst Wilhelm im Jahr 1945 in Düsseldorf zur Welt kommt, ahnt natürlich niemand, dass der kleine Schreihals einer der prägenden Filmemacher des Landes werden würde. Im katholischen-konservativen Elternhaus wird der Junge aufgrund der holländischen Herkunft seiner Mutter schon in Kindertagen Wim gerufen. Nach dem Abitur 1963 studiert Ernst Wilhelm kurzzeitig Medizin in München, ein Semester Philosophie in Freiburg und ein Semester Soziologie in Düsseldorf. In Anbetracht der gescheiterten akademischen Ausbildung widmet er sich der Aquarellmalerei, bevor er sich 1966 erfolglos am Pariser Institute des Hautes études cinématographiques bewirbt. Um sich finanziell über Wasser zu halten arbeitet Wenders in der französischen Mewtropole als Radierer im Atelier des deutschen Künstlers Gotthard Johnny Friedlaender.

In seiner Freizeit besucht er die Cinémathèque française, dem Filminstitut, das sich der Erhaltung und Verbreitung von Filmen als Kulturgut verschrieben hat. Zu einem günstigen Pauschalpreis haben die Besucher dort täglich bis zu fünf Filme zur Auswahl. Der angehende Regisseur nutzt das Angebot ausgiebig und sieht nach eigenen Angaben mehr als 1.000 Filme in einem Jahr. 1967 verlässt er Paris in Richtung München, da seine Bewerbung an der neugegründeten Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) von Erfolg gekrönt ist.
Rufus F. Folkks/Ricore Text
Wim Wenders (Venedig 2008)
Frühwerk, Erfolge und Querelen
Mit zwölf weiteren Regisseuren gründet er 1971 den Filmverlag der Autoren, einem Zusammenschluss der wichtigsten Filmemacher des neuen deutschen Films. Wenders widmet sich dem Autorenfilm, in dem der Regisseur sämtliche künstlerischen Aspekte des Films vom Drehbuch bis zum Schnitt mitbestimmt. Das erste Ergebnis der intensiven Zusammenarbeit mit Schriftsteller Peter Handke ist die Romanadaptionen "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" aus dem Jahr 1972. Ein Jahr darauf gelingt ihm mit dem Roadmovie "Alice in den Städten" bereits der internationale Durchbruch. Um einen Film über den US-amerikanischen Krimiautor Dashiell Hammett zu drehen, wird Wenders 1977 vom zuständigen Produzenten Francis Ford Coppola in die USA eingeladen. Die Zusammenarbeit entwickelt sich zu einer einzigen Katastrophe. Heftige Auseinandersetzungen hinsichtlich des Drehbuchs und der Besetzung verzögern die Fertigstellung von "Hammett" um einige Jahre. Der deutsche Filmemacher verarbeitet die nervenaufreibenden Querelen mit Coppola filmisch in "Der Stand der Dinge" von 1982.
Tobis Film
Paris, Texas
Nach einer literarischen Vorlage von Sam Shepard inszeniert er im Jahr 1984 "Paris, Texas". Das poetische Drama gewinnt im selben Jahr in Cannes die Goldene Palme und gilt neben dem Filmmärchen "Der Himmel über Berlin" als einer der kommerziell erfolgreichsten Filme des Düsseldorfers. Damit setzt er die Messlatte für die Beurteilung etwaiger Nachfolgewerke sehr hoch an. Aus diesem Grund knüpfen "Lisbon Story", "Buena Vista Social Club" oder "The Million Dollar Hotel" nur noch partiell an frühere Erfolge an. Der breiten Wertschätzung innerhalb der internationalen Filmszene kann er sich dennoch allzeit gewiss sein. Im Jahr 1989 ist Wenders Vorsitzender der Jury bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes und 2008 obliegt ihm Selbiges bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig.
Ottfilm
Filmemacher Wim Wenders
Rezeption und Kritik
Die Filme von Wim Wenders rufen unterschiedlichste Reaktionen hervor. Seine artifiziellen Arbeiten werden einerseits aufgrund ihrer anspruchsvollen Grundausrichtung geschätzt, andererseits wegen philosophischer Überfrachtung, Langatmigkeit oder ihrer idealistischen Hinwendung zur amerikanischer Kultur und dem pathetischen Freiheitsmythos kritisiert. Ein abschließendes Gesamturteil ist nicht möglich - und wird von niemandem verlangt. Beide Sichtweisen sind zulässig. Zu vielfältig erscheint Wenders Œvre, als dass man seine Arbeiten auf Bipolarität reduzieren darf. Der interessierte Filmfreund sollte sich aus dem reichen Fundus bedienen und differenziert urteilen.

Wim Wenders lehrt an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg und wurde als erster Filmschaffender Träger des renommierten Ordens Pour le Mérite. Er ist in dritter Ehe mit der Fotografin Donata Wenders verheiratet und seit 1990 Träger des Bundesverdienstkreuzes.
erschienen am 17. November 2008
Zum Thema
Wim Wenders gehört zu den renommiertesten Filmemachern des internationalen Kinos. Mit Filmen wie "Der amerikanische Freund", dem in Paris, Texas" und "Der Himmel über Berlin" schreibt er Filmgeschichte.Die Toten Hosen verbindet die Familie Wenders eine besondere Beziehung. Wim dreht mit ihnen ein Musikvideo, seine Frau Donata gestaltet ein Cover, Nichte Hella dreht eine Kurzdokumentation über die Afrika-Reise einiger Band-Mitglieder. Hosen-Frontman Campino spielt zudem in Wenders Drama..
Weitere Starfeatures
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Prinzessin Dianas Leid
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