Jean-François Martin/Ricore Text
Regisseur Steven Soderbergh (Cannes 2008)
Steven Soderbergh zwischen Kunst und Kommerz
Starfeature: Erfinder des Independent-Blockbuster
In finanzieller und künstlerischer Hinsicht verläuft die Karriere von Steven Soderbergh wie eine Achterbahn. Immer wieder kehrt der Regisseur nach Blockbuster-Erfolgen zu seinen Wurzeln zurück. Seine Independent-Film aber werden meist zu kommerziellen Desastern. Dabei gilt gerade Soderbergh als Filmemacher, der künstlerisch anspruchsvolle Filme einem breiten Publikum zugänglich machen kann.
erschienen am 7. 06. 2009
Berlinale
Steven Soderbergh verteidigt den guten Deutschen auf der Berlinale PK (2007)
Regie-Wunderkind
Der Erfolg von Steven Soderberghs "Sex, Lügen und Video" (1989) verhilft einem Genre auf die Sprünge: Der Independentfilm wird ein Blockbuster. Zwar kommt das Interview-Drama insgesamt nur auf ein Einspielergebnis von 25 Millionen Dollar, aber das bei einem geschätzten Budget von gerade 1,2 Millionen Dollar. Laut Miramax-Gründer Harvey Weinstein wären Filme wie "American Beauty" ohne Soderberghs Debüt nicht möglich gewesen. Schon als Kind beschäftigt er sich mit dem Filmen. Er sammelt erste Erfahrungen mit Super 8 Kurzfilme, geht dann über zu 16 mm und landet nach seinem High-School Abschluss schließlich in Hollywood. Mit dem Grammy nominierten Konzertvideo "Yes: 9012 Live" (1985) für die Rockgruppe Yes erlangt er einen Achtungserfolg. Der Gewinn der Goldenen Palme auf dem A-Festival von Cannes bringt 1989 den Durchbruch für den Regiedebütanten. Mit damals 26 Jahren ist Soderbergh der jüngste Filmemacher, dem diese Ehre zuteil wird. "Sex, Lügen und Video" gilt als Vorläufer der 1990er Jahre Independent-Film-Revolution und machte Low-Budget-Filme einem breiten Publikum bekannt. Einflussreich ist auch der Filmtitel. Die Verwendung der Phrase "Sex, Lügen und …" oder "…, … und Video" ziert seither unzählige Zeitungsartikeln, Werbe-Trailer und Episodentitel.
Universal Pictures
Out of Sight
Michael Jordan des Filmgeschäfts?
Wegen seiner Vielseitigkeit wird Soderbergh mit dem Basketballer Michael Jordan verglichen. Zwar kann er nicht unmittelbar an seinen ersten Erfolg anknüpfen, erweitert aber dennoch sein Tätigkeitsgebiet, das ohnehin schon Regie, Drehbuch und Filmschnitt umfasst, auf Kameraführung, Schauspiel und Komposition. Soderbergh versucht sich an ambitionierten Projekten, scheitert aber kommerziell. Das ist für einen, der es sich zum Ziel gesetzt hat, ein breites Publikum mit filmisch anspruchsvollen Werken zu erreichen, nicht genug. Erst mit der Verfilmung eines Kriminalromans von Elmore Leonard beendet Soderberghs seine kommerzielle Durststrecke. "Out Of Sight" (1998) erreicht ein weltweites Einspielergebnis von über 77 Millionen Dollar und ist auch in einer anderen Hinsicht ein entscheidendes Ereignis in Soderberghs Karriere. Der Thriller markiert die erste Zusammenarbeit mit George Clooney. Bis 2009 drehen die Brüder im Geiste miteinander insgesamt sechs Filme und gründen 2000 die Produktionsfirma Section Eight Productions. Überhaupt scheint Soderbergh seine Schauspieler gerne wiederzusehen, was wohl auf Gegenseitigkeit beruht. Namen wie Julia Roberts, Benicio Del Toro und Catherine Zeta-Jones tauchen ein ums andere Mal auf seinen Besetzungslisten auf.
20th Century Fox
Traffic - Macht des Kartells
Peter Andrews und Mary Ann Bernard
Vielleicht liegt es an Soderberghs unaufdringlicher Art, Regie zu führen, dass so viele bekannte Stars mit ihm arbeiten. Er komponiert die Kulissen, stellt die Schauspieler ins rechte Licht und überlässt sie dann mehr oder weniger sich selbst. Seit seinem Episodenthriller "Traffic - Macht des Kartells" (2000) führt er in jedem seiner Kinofilme selbst die Kamera. Allerdings unter dem Pseudonym Peter Andrews. Da die Writers Guild of America Soderbergh ihm keinen weiteren Credit erlaubt, bastelt sich der Regisseur dieses aus dem Vor- und Zweitnamen seines Vaters. Aus eins wird schnell zwei. Der gelernte Schnittmeister Soderbergh taucht immer mal wieder auch als Mary Ann Bernard im Abspann auf.
Jean-François Martin/Ricore Text
Steven Soderbergh (Cannes 2008)
Wellenbewegung des Erfolgs
2000 wird das Jahr für Steven Soderbergh. Mit "Traffic" und "Erin Brockovich - Eine wahre Geschichte" geling ihm ein Coup, der seit 60 Jahren keinem Regisseur mehr gelungen ist. Im Rennen um den Regie-Oscar 2000 tritt Soderbergh gegen sich selbst an - und gewinnt. Für Hollywood ist er kurzeitig ein Superstar. Im Folgejahr feiert er seinen größten kommerziellen Erfolg. Die Gaunerkomödie "Ocean's Eleven" spielt weltweit rund 450 Millionen Dollar ein. Doch statt die an ihn gestellten Erwartungen zu bedienen, kehrt Soderbergh zum experimentellen Kino zurück. Soderbergh dreht "Voll Frontal" (2002) mit Handkamera auf digitalem Videomaterial und verzichtet auf MakeUp und Kostüme. Der "Film im Film im Film" ist weder künstlerisch noch finanziell ein Erfolg. Das bedeutet zwei weitere finanzielle Flops für den erfolgsverwöhnten Regisseur. Die ein Jahr zuvor gedrehte, starbesetzte Andrej Tarkowskij-Neuverfilmung "Solaris" ist ebenfalls ein finanzielles Desaster und wird von den meisten Kritikern verrissen.
Warner Bros.
Ocean's Twelve
Beißt sich die Schlange in den Schwanz
Wie reagiert Soderbergh auf das Fiasko? Er dreht eine Fortsetzung: "Ocean's Twelve" erreicht zwar nicht das Einspielergebnis seines Vorgängers, kann sich mit 350 Millionen Dollar Einspiel an den Kinokassen aber ebenfalls sehen lassen. Und so weiter und so fort könnte man sagen. Soderbergh benutzt die Erfolge seiner Hollywoodblockbuster, um künstlerisch anspruchsvolle Filme zu drehen. Oder benutzt er den Independent-Film um seinen Ruf als ernsthaften Filmemacher nicht zu gefährden? Vielleicht hilft ein Ausblick auf seine nächsten beiden Projekte bei der Antwort. Das Drama "The Girlfriend Experience" macht Schlagzeilen, weil Soderbergh die Hauptrolle mit einem Pornostar besetzt. Die erst 20-jährige Sasha Grey hat bereits in über 150 Erwachsenenfilmen mitgespielt. "Cleo" wird ein 3D Rock Musical über Kleopatras Leben mit Catherine Zeta-Jones in der Hauptrolle. Ein Independent-Film und ein möglicher Blockbuster. Wie es aussieht wird sich Soderbergh nicht so schnell auf eine Seite schlagen.
erschienen am 7. Juni 2009
Zum Thema
Steven Soderbergh besuchte nie eine Filmhochschule. Der Sohn eines Lehrers und Bruder von fünf Geschwistern drehte bereits als Jugendlicher leidenschaftlich gerne Filme. Später arbeitete er als Cutter. Sein erster Langfilm "Sex, Lügen und Video" brachte ihm 1989 die Goldene Palme beim Filmfestival von Cannes ein. Der Oscar folgte im Jahr 2000 für "Traffic - Macht des Kartells". Für seine Arbeit als Kameramann benutzt er gewöhnlich das Pseudonym Peter Andrews. Ist im Abspann im Bereich Schnitt..
Weitere Starfeatures
Christopher Nolans filmisches Labyrinth
Prinzessin Dianas Leid
2024