Tobis Film
Giuseppe Tornatore am Set von "Baarìa"
Eine Familiengeschichte, Italien und seine Kinder
Starfeature: Giuseppe Tornatores Ode an Sizilien: "Baarìa"
Die meisten Regisseure drehen Filme, die wenig bis gar nichts mit ihrer eigenen Biografie zu tun haben. Sie drehen Filme, um ein bisschen Abstand von ihrem Leben zu bekommen, um in eine völlig fremde Welt einzutauchen. Nicht so Giuseppe Tornatore. Der am 27. Mai 1956 im sizilianischen Bagheria geborene Regisseur lebte bis zu seinem 28. Lebensjahr in seiner Heimatstadt. Er wurde von ihr geprägt, vom Lebensstil ihrer Einwohner, der Kultur sowie den Gebräuchen und Sitten. Und genau dieser Stadt widmet er rund 50 Jahre später einen Film: "Baarìa - eine italienische Familiengeschichte".
erschienen am 26. 04. 2010
Tobis Film
Baarìa - eine italienische Familiengeschichte
Von sizilianischen Schwächen verseucht
Schon Giuseppe Tornatores Landsmann, der sizilianische Dichter Giuseppe Tomasi di Lampedusa äzt in seinem skandalösen Roman "Der Leopard", dass junge Männer Sizilien verlassen sollten, bevor sie das 17. Lebensjahr vollendet haben. Danach werde ihr Charakter von den Schwächen der Region und des Landes verseucht. Tornatore missachtet diesen wohlgemeinten Ratschlag und bleibt bis zu seinem 28. Lebensjahr in seinem Heimatdorf. Er kennt jeden Winkel und jede Ecke seiner Stadt, die Gerüche, die Eigenheiten der Bewohner, sogar den Staub in den Straßen hat er mittlerweile lieb gewonnen. In der Schule ist er Teil der Theatergruppe, mit 16 inszeniert er Bühnenstücke italienischer Meister wie Luigi Pirandello oder Eduardo De Filippo. Wie viele seiner Kollegen - etwa der Spanier Pedro Almodóvar - kauft sich Tornatore von seinem ersten selbst verdienten Geld eine Super-8-Kamera. Die Leidenschaft für das Schauspiel, das Kino und das Theater ist geboren. Bevor er sich dieser Passion ganz hingibt, besucht er zuerst noch einige Kurse an der Universität von Palermo.
Tobis Film
Szene aus "Baarìa - eine italienische Familiengeschicht"
Gangster, Mafia, Gefängnis
Zu Beginn der 1980er Jahre arbeitet Giuseppe Tornatore für den italienischen Fernsehsender RAI. Er inszeniert Dokumentationen, die meisten behandeln seine Heimat Sizilien. Er reflektiert über sizilianische Künstler, Regisseure und Dichter. 1986 dreht er schließlich seinen ersten Spielfilm, "Il camorrista" ("Der Professor"). Auch hier lässt ihn seine Heimat nicht los. Das Gangsterdrama hat stark authentische Züge. Es geht um einen verurteilten Gangsterboss, der aus dem Gefängnis heraus ein Gangstersyndikat aufbaut, das selbst von der übermächtigen Camorra geduldet wird. Der Film ist erfolgreich und kommt bei der italienischen Kritik und Publikum gut an. Tornatore wird als der vielversprechendste Nachwuchsregisseur gehandelt. Schon damals lässt sich erahnen, worüber er am liebsten Filme dreht. Es ist aber nicht nur seine Heimat und die Menschen, die Tornatore in seinen Filmen portraitiert. Er spart auch die politischen und kulturellen Machtverhältnisse nicht aus.
Tobis Film
Szene aus "Baarìa - eine italienische Familiengeschicht"
Nuovo cinema: "Cinema Paradiso"
Just in dem Moment, in dem das Kulturetat Italiens erneut gekürzt wird, in dem sich das Land in einer von vielen politischen und wirtschaftlichen Krisen befindet und in dem das italienische Kino international so wenig wie noch nie wahrgenommen wird, dreht Giuseppe Tornatore seinen ersten internationalen Erfolg "Cinema Paradiso" (1988). Darin erzählt er die Geschichte des Untergangs eines kleinen, sizilianischen Dorfkinos. Die Metapher über den langsamen Untergang der italienischen Kultur ist nicht zu übersehen. Prompt wird das leise Drama mit einem Auslands-Oscar, weiteren 19 Preisen und zwölf Nominierungen geehrt. "Cinema Paradiso" ist nicht der letzte Film über Sizilien. Nach dem Spielfilm "Allen geht's gut" (1990) folgen fünf Jahre später die Dokumentation "Lo schermo a tre punte" und der Spielfilm "Der Mann, der die Sterne macht". Letzterer erhielt eine Oscar-Nominierung für den besten fremdsprachigen Film und den Spezialpreis der Jury von Venedig 1995. Im Jahr 2000 folgt schließlich die zauberhaft romantische Komödie "Der Zauber von Malèna" mit der sexy-barocken Monica Bellucci.
Tobis Film
Giuseppe Tornatore am Set von "Baarìa"
Baarìa - eine italienische Familiengeschichte
Und dann kommt "Baarìa", ein Film, der den treffenden Untertitel "Eine italienische Familiengeschichte" trägt. Er erzählt Tornatores eigene Familiengeschichte. Der Film umfasst die Ereignisse dreier Generationen, die Geschichte beginnt in den späten 1930er Jahren und reicht bis in die 1980er. Eigener Aussage zufolge ist dies das persönlichste Werk des Regisseurs. Auch hier arbeitet er mit seinem langjährigen Freund Ennio Morricone zusammen, der seine kolossalen Klänge über das gesamte Werk legt. Klar, dass sich Filmkritiker und Fans des italienischen Kinos viel versprechen. Tornatore darf sogar die Filmfestspiele von Venedig 2009 eröffnen. Was folgt, ist eine einzige Enttäuschung. Man wirft dem sizilianischen Regisseur vor, dass er einfach zu viel aussagen wollte, dass in diesem Fall weniger mehr gewesen wäre.
Senator Film Verleih
Giuseppe Tornatore am Set von "Die Unbekannte"
Schmutzige Politik und die Liebe
Trotz aller Kritik reiht sich "Baarìa - eine italienische Familiengeschichte" einwandfrei in Giuseppe Tornatores Werk ein. Es ist nämlich eine liebevolle Hommage an das Sizilien seiner Kindheit und Jugend, das mit dem heutigen korrupten, von der Wirtschaftskrise und der Mafia geschundenem Land nicht mehr viel zu tun hat. Es sind seine Erinnerungen, die er auf die Leinwand bannt, die er bereit ist, mit der ganzen Welt zu teilen und zu sagen: "Schaut her, Sizilien hat auch seine schöne Seiten, wenngleich das Land von einer schmutzigen Politik in den Dreck gezogen wird." "Baarìa" ist sein vierter Spielfilm über Sizilien. Ob es sein letzter sein wird, darf bezweifelt werden, denn tatsächlich gibt die Insel viel Stoff für Filme, gerade für einen, der hier geboren und aufgewachsen ist.
erschienen am 26. April 2010
Zum Thema
Schon als Kind entdeckt Giuseppe Tornatore seine Leidenschaft für die Kunst. Mit seinem ersten selbstverdienten Geld kauft er sich eine Super-8 Filmkamera und begibt sich auf Streifzüge. Er inszeniert mehrere Dokumentationen für den öffentlich-rechtlichen italienischen Fernsehsender Il camorrista" ("Der Professor") realisiert. Seine Heimat Sizilien, die Bewohner und Bräuche des Landes ziehen sich wie ein roter Faden durch Tornatores Werk. Fast immer zeichnet er ein Kaleidoskop sizilianischen..
Mit der Hommage an seine Heimatstadt Baaría und das Sizilien der 1930er und 1980er Jahre hat sich Meisterregisseur Giuseppe Tornatore keinen Gefallen getan. Viele Handlungsstränge wirken oberflächlich und sind nicht zu Ende erzählt. Es ist auch nicht einfach, 50 Jahre in knapp zweieinhalb Stunden Filmmaterial zu packen. Doch mit seinem wohl persönlichsten Film, wie Tornatore stets betont, hat er sich zu viel vorgenommen. Weniger wäre hier definitiv mehr gewesen.
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