Eugen Haller
Eran Kolirin
Wie ein geschiedenes Ehepaar
Interview: Eran Kolirin kein Missionar
Eran Kolirin gelang mit seinem Spielfilmdebüt "Die Band von nebenan" ein einfühlsames, modernes Märchen, mit schweigenden Charakteren. Der schwarze Humor nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise in ein fernes Land. Doch der Regisseur wollte seinem Publikum keine Botschaften mit auf den Weg geben. Vielmehr möchte er Initiator wichtiger Themen sein, die bisher keine Basis für Diskussionen fanden. Was Kolirin sonst noch auf dem Herzen hat, das erzählte er uns in einem gemütlichen Gespräch bei einer Tasse Kaffee.
erschienen am 27. 01. 2008
Tzveta Bozadjieva/Ricore Text
Eran Kolirin auf dem Filmfest München mit seiner Großmutter
Ricore: Wie entstand die Idee zu diesem Film?

Eran Kolirin: Normalerweise schreibe ich nach einem Bild in meinen Kopf, ohne zu wissen, woher dieses Bild eigentlich kommt. In diesem Fall hatte ich eine Vision von einem teuflisch aussehenden Mann mit einer Polizeiuniform, der einfach seinen Mund öffnet und ein arabisches Lied zu singen beginnt. Ich bin ein großer Anhänger eines ägyptischen Theaterautors. Dieser schrieb einmal ein Buch über seine Reise nach Israel. Wir hatten in den 1980er Jahren nur einen Fernsehsender. So saß die ganze Familie vor dem Fernseher und schaute sich ägyptische Liebesfilme an. Durch die Industrialisierung Israels gibt es heute natürlich mehr Sender. Vor allem aus Amerika und Europa. Die Frage, warum wir die Liebesfilme aus Amerika und Europa kaufen, beschäftigt mich schon seit langem. Das ist eine Sache mit uns aus dem Mittleren Osten. Wir scheinen vergessen zu wollen, wer wir selbst sind. Wir Israelis scheinen glauben zu wollen, dass wir aus Amerika und Europa kommen.

Ricore: Wie würden Sie die heutige Filmindustrie Israels beschreiben?

Kolirin: In den letzten Jahren konnten einige israelische Filme internationale Erfolge verbuchen. Sie waren ein großer kommerzieller Erfolg. Ich habe keine Ahnung, was sich daraus entwickeln wird, weil dies nur ein kleiner Teil eines komplexeren Prozesses ist. Hat man Erfolg, kommt das große Geld. Dann kommen Leute mit Geld, die glauben wollen, sie wissen, wie man einen Film macht. Was diese Menschen jedoch wollen, sind US-ähnliche Filme drehen.

Ricore: Wie würden Sie die Beziehung zwischen Israelis und Ägyptern beschreiben?

Kolirin: Zwischen Israel und Ägypten herrscht ein kalter Frieden. Die kulturelle Beziehung zwischen den beiden Nationen ist nicht sehr gut. Vergleichbar mit einer Beziehung zwischen zwei geschiedenen Eheleute, die einmal eine Wohnung mit einander teilten.

Ricore: Sie waren mit ihrem Film in Cannes. Wie wichtig ist Ihnen dieses Festival?

Kolirin: Nun ja, es tut was für mein Ego. Filme in Cannes zu präsentieren, ist immer sehr gut für das Ego. Das ist ein gutes Gefühl. Es ist großartig, wenn dein Film auf der ganzen Welt gezeigt wird. Es öffnet viele Türen.
Concorde
Die Band von nebenan
Ricore: Was ist die Botschaft Ihres Films?

Kolirin: Es ist nicht in meiner Absicht, eine Botschaft zu vermitteln. Ich kann den Film nicht einmal in einem Satz zusammenfassen. Ich mache Filme, weil es mir Spaß macht, mich mit Fragen über die Menschheit auseinander zu setzen. Ob es nun politische oder soziale Fragen sind. Es sind Dinge, die mich beschäftigen. Und ich hoffe, dass ich Fragen, die bisher unbehandelt geblieben sind, zum Thema machen kann.

Ricore: Wo haben Sie den Film gedreht?

Kolirin: Wir drehten in einer kleinen Stadt in Israel. Es ist kein realistischer Film. Ich habe nicht versucht, diesen Ort so realistisch wie möglich darzustellen. Doch diese kleine Stadt in der wir drehten, existiert tatsächlich.

Ricore: Wie sind Sie zum Film gekommen?

Kolirin: Ägyptischen Filme haben mich schon immer inspiriert. Ich habe sie mir mit meiner verstorbenen Großmutter angesehen. Sie mochte sie so gerne. Daher widme ich meine Filme alle ihr. Eine meiner ersten Kindheitserinnerung ist an den ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat, wie er das erste Mal Israel besucht. Das wurde den ganzen Tag lang übertragen.

Ricore: Gibt es einen Regisseur, der Sie in Ihrer Kindheit sehr prägte? Was sind ihre ersten Erinnerungen ans Kino?

Kolirin: Da gibt es natürlich viele Filme, an die ich mich sehr gut erinnere. Jean-Luc Godards "Außer Atem" oder Jim Jarmuschs "Down by Law" und "Stranger than Paradise". Sehr beeindruckt hat mich auch "High Hopes" von Mike Leigh.
erschienen am 27. Januar 2008
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In Tel Aviv, Israel, geboren.
"Bikur Hatizmoret" ist eine kleine aber feine Hommage von Regisseur Eran Kolirin an seine eigene Kindheit und Jugend. Obwohl der Film reich an situationskomischen Elementen sowie Missverständnissen aller Art ist, spart er nicht mit tiefgründigen Momenten. Für die weibliche Hauptrolle wurde die heute in Paris lebende, äußerst beliebte israelische Schauspielerin Ronit Elkabetz verpflichtet.
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