ARD Degeto/Walter Wehner
Familie Sonnenfeld
Helmut Zierl über pubertierende Kinder
Interview: Toleranz ist wichtig
Er zählt heute zu den beliebtesten, deutschen Fernsehschauspielern. Doch anstatt sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, freut sich Helmut Zierl jedes Mal aufs Neue auf neue Herausforderungen. Dabei Familienleben und Beruf unter einen Hut zu kriegen, ist selbst für den dreifachen Vater und erfahrenen Schauspieler nicht einfach. In der inzwischen siebenteiligen Fernsehserie "Familie Sonnenfeld" spielt Zierl ebenfalls einen Familienvater. Wir haben ihn gefragt, ob er denn nicht Parallelen zu seinem eigenen Leben sieht. Und tatsächlich, es gibt sogar mehr als nur eine!
erschienen am 6. 02. 2008
ARD Degeto/Walter Wehner
Helmut Zierl in "Familie Sonnenfeld"
Ricore: In "Familie Sonnenfeld" spielen Sie einen Familienvater. Inwiefern können Sie sich mit dieser Figur identifizieren?

Helmut Zierl: Es wird ja oft unterstellt, wenn man selber Kinder hat, kann man besonders gut einen Vater spielen. Ich weiß gar nicht, ob es so ist. Auf jeden Fall sind alle Drehbücher zu dieser Serie hervorragend. Die sind so gut, dass man eigentlich nichts verkehrt machen kann. Wir sind ein eingespieltes Team - wir drehen ja schon das vierte Jahr gemeinsam - und ich erlebe meine Filmkinder, wie sie von Jahr zu Jahr wachsen und extreme Fortschritte machen. In dieser Kontinuität liegt auch der Reiz der Serie. Die Zuschauer können mit den Figuren mitleben.

Ricore: Liegt darin der Erfolg der Reihe?

Zierl: Ja ganz bestimmt. Irgendwann wird es allerdings auserzählt sein. Der Charme der Reihe besteht ja darin, dass man die Familie begleitet und die Kinder vom Kindesalter bis hin zum Erwachsenenalter aufwachsen sieht. Irgendwann sind sie groß, dann braucht man nicht mehr weitererzählen. Bisher gibt es sieben Folgen, 2008 kommen wahrscheinlich noch zwei hinzu. Vielleicht wird es ein Zehnteiler. Man wird es sehen.

Ricore: Entstehen im Laufe einer solchen langjährigen Arbeit "Familiengefühle" am Set?

Zierl: Auf jeden Fall entsteht eine Art Familienfeeling. Man trifft sich jedes Jahr für zehn Wochen, man kennt sich sehr gut, die Vorzüge als auch Nachteile und die Macken. Es ist jedesmal wieder schön.

Ricore: Welchen Einfluss hatte ihre Familie als Kind auf Sie?

Zierl: Als Kind hatte ich die Familie nie angezweifelt. Ich hatte ein sehr liebevolles Elternhaus. In der Pubertät will man ausscheren, das ist der normale Gang der Dinge. Das war bei mir auch der Fall. Meine beiden jüngeren Söhne, die zwölf und 15 Jahre alt sind, fangen jetzt an zu pubertieren. Das sieht man als Vater teilweise mit einem lachendem und einem weinendem Auge. Es ist ein Abnabelungsprozess. Irgendwo versteht man das gut und irgendwo trauert man ein wenig.
Walter Wehner
Marion Kracht und Helmut Zierl in "Familie Sonnenfeld"
Ricore: Könnten Sie dabei nicht sogar etwas von Ihrer Filmfigur lernen?

Zierl: Es gibt eine Szene mit meinem großen Filmsohn, in der ich mit ihm ein intensives Vater-Sohn-Gespräch führe. Die einleitende Frage war "Wo drückts?" Ich glaube schon, dass ich auch privat so gestrickt bin, dass ich auf jedes Problem eingehe.

Ricore: Wie tolerant sind Sie Ihren eigenen Kindern gegenüber?

Zierl: Ich bin sehr tolerant. Ich würde nicht sagen, dass ich ein absoluter Befürworter einer komplett antiautoritären Beziehung bin, aber ich bin mit Sicherheit toleranter als viele Eltern der Freunde meiner Kinder. Ich habe einen lustigen Spruch gehört, den ich meinem 15-jährigen Sohn mal genannt habe: Pubertät ist, wenn die Eltern anfangen, komisch zu werden. Ich habe ihm gesagt, ihr erwartet von uns Erwachsenen alle Toleranz der Welt, aber ihr selbst seid total intolerant. Als Antwort bekam ich dann: Mensch Papa, nerv nicht.

Ricore: Wie reagieren Ihre Kinder wenn sie Sie im Fernsehen sehen?

Zierl: Damit sind sie großgeworden. Das ist für sie nichts Besonderes. Mein Kleiner, der jetzt zwölf ist, hat mit fünf, sechs Jahren herausgekriegt, wie er mich wahnsinnig ärgert. Er hat mir in der Öffentlichkeit immer zugerufen, "Hallo Herr Zierl, berühmter Schauspieler". Da war ich völlig genervt. Ab und zu schauen sie sich heute mal einen Film von mir an, wenn sie es nicht tun, bin ich etwas enttäuscht, weil das ja die Begründung ist, warum ich so lange weg bin. "Familie Sonnenfeld" hat sie nicht so sehr interessiert.

Ricore: Wie kriegen Sie die Schauspielerei und Ihr Vaterdasein unter einen Hut?

Zierl: In der Zeit in der ich zu Hause bin, kümmere ich mich intensiv um meine Kinder, übrigens auch um meinen Großen aus erster Ehe. Er war vier Jahre alt und ich habe ihn großgezogen, er ist nun 24 Jahre alt und hat eine Ausbildung als Koch hinter sich.

Ricore: Es gibt also doch eine Parallele zu "Familie Sonnenfeld"?

Zierl: Ja, tatsächlich. Ich habe ihm damals die Lehre beschafft und war begeistert, als er sich diesen Beruf auswählte. Es ist ein toller Job, den man weltweit ausüben kann. Jetzt will er ebenfalls Schauspieler werden. Er hat eine Schauspielschule besucht und einige Kurzfilme gedreht.
Walter Wehner
Manon Straché in einer Szene aus "Familie Sonnenfeld"
Ricore: Geben Sie Ihrem Sohn Tipps, vom erfahrenen Schauspieler zum Newcomer?

Zierl: Ja, aber ich bin der Meinung, dass er sich selbst durchbeißen muss. Ich protegiere ihn nicht, sondern ich sage "Mach! Spiel auch mal Theater!". Ich finde, das ist dringend notwendig, wenn man in diesen Beruf will. Man lernt das Handwerk, die Stimmbildung, die Aussprache. Er hat ja seinen zweiten Beruf, wenn es nichts wird mit der Schauspielerei, kann er ausweichen. Wenn er sich durchbeißt, was, so glaube ich, schwieriger denn als zu meiner Anfangszeit ist.

Ricore: Woran liegt es, dass es junge Schauspieler heutzutage nicht mehr so einfach haben, Fuß zu fassen?

Zierl: Es gibt im Moment circa 20.000 Schauspieler, von denen vielleicht nur 1.000 gut beschäftigt sind. Es herrscht ein Überangebot. Viele junge Leute wollen erst gar nicht ans Theater, sondern gleich Filmstar werden und schleichen sich dann über Soaps da rein. Dort werden sie dann mehr versaut als gefördert. Die wenigsten beißen sich durch. Ein positives Beispiel ist Til Schweiger von der "Lindenstraße". Aber es gibt etliche, von denen man nichts mehr hört. Sie verbrauchen vier, fünf Jahre ihrer Jugend, ihres Charmes und dann sind sie "weg vom Fenster".

Ricore: Ist es heute schwieriger, gute Rollen zu bekommen?

Zierl: Die Qualität hat sich sehr geändert. Es gibt mittlerweile so viel Billigschrott im Fernsehen der die besten Sendezeiten ausfüllt und dummerweise gute Quoten hat. Die Leute lassen sich anscheinend auch gerne verblöden. Für die qualitativ hochwertigen Sachen bleibt oftmals nur wenig Geld übrig. Da reinzukommen ist ganz schwierig, auch für mich.

Ricore: Sie zählen zu den beliebtesten deutschen Fernsehdarsteller. Kann man sich auf diesen Lorbeeren ausruhen?

Zierl: Überhaupt nicht. Ich arbeite seit über 30 Jahren in diesem Beruf, es geht ständig weiter. Mein Motor ist die Neugier auf die nächste neue Rolle. Ausruhen kann man sich nicht. Mit dem Alter kommen mehr spannende Rollen auf eine zu, bei denen man die Chance erhält, etwas gegen seinen Typus zu spielen - nicht immer nur Sympathieträger.
Tzveta Bozadjieva/Ricore Text
Helmut Zierl gewohnt freundlich
Ricore: Was muss ein Schauspieler heute können, um richtig gut zu sein?

Zierl: Ich glaube, dass es ganz viele gute Schauspieler gibt, die nie entdeckt wurden. Das hat viel mit Glück zu tun, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Protektion spielt ebenfalls eine Rolle. Als ich am Theater war, gab es eine Menge Super-Schauspieler. Aber viele von ihnen hatten dieses Sicherheitsdenken: Lieber bleibe ich am Theater, habe mein fixes Monatsgehalt und kann so meine Familie ernähren, als dass ich mich wie viele andere nach Hamburg oder Berlin absetze und hoffe, freiberuflich im Fernsehen Fuß zu fassen. Viele gute Schauspieler sind zu Recht da, wo sie heute sind. Es geht aber auch umgekehrt. Ich glaube, es ist eine Kombination aus wirklichem Können, Qualität und ein bisschen Glück.

Ricore: Waren Sie schon mal in der Situation, wo Sie den Beruf an den Nagel hängen wollten?

Zierl: Nein, noch niemals. Ich liebe den Beruf sehr. Ich habe nach 30 Jahren immer noch Lust, ihn auszuüben. Aber als ich nach sieben Jahren Theater aufgehört habe, um freiberuflich als Schauspieler zu arbeiten, habe ich mich die erste Zeit mit Synchronisationen über Wasser gehalten. Auch Hörspiele gemacht. Das Schöne ist, der Beruf hält viele Nischen bereit, mit denen man letztendlich auch überleben kann. Aber Existenzängste hat jeder freiberufliche Künstler, ob Schauspieler, Maler oder Musiker.

Ricore: Sie selbst haben auch privat viele Hochs und Tiefs erlebt...

Zierl: Das ist richtig. Aber dann kommt ein Filmangebot und man bekommt den Kopf wieder frei und konzentriert sich auf neue Inhalte und Texte. Man darf den Blick nach vorne nie verlieren.

Ricore: Vielen Dank für das nette Gespräch.
erschienen am 6. Februar 2008
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