20th Century Fox
Colin Farrell in: Nicht auflegen!
Colin Farrell ist gut aufgelegt!
Interview: Der irre Ire
Colin Farrell ist als Schauspieler noch immer Hollywoods bestgehütetes Geheimnis. Als Party- und Loverboy findet man ihn in allen Gazetten: von Britney Spears bis zur Mutter seines zukünftigen Kindes, dem Model Kim Bordenave, trinkt er sich durch alle Bars und Betten und gebraucht dabei sein Lieblingswort. Beinahe jder Satz beginnt oder endet mit Fuck! Seinem enormen Talent tut das jedoch keinen Abbruch. Auch wenn er erst mit der Hauptrolle in Oliver Stone's "Alexander der Große" zum Superstar werden wird - seine Arbeit in Joel Schumachers "Nicht auflegen!" ist eine Ochsentour der Schauspielerei, und eine Oscarreife noch dazu.
erschienen am 3. 08. 2003
Colin Farrell in: Nicht auflegen!


Ricore Medien: Sie kamen vor zwei Jahren zum ersten mal nach L.A. um einen anderen Joel Schumacher-Film, "Tigerland", zu promoten. Damals waren Sie ein Nobody...

Colin Farrell: Bin ich immer noch.



Ricore: ...und hatten kein Geld. Jetzt haben Sie ein fettes Bankkonto, spielen in jedem Film mit, den Hollywood macht, waren verheiratet und wurden geschieden, drehten einen Steven Spielberg-Film mit Tom Cruise und zeugten ein erstes Kind. Wie reagieren denn ihre Trinkkumpane in Dublin auf all diese Veränderungen?

Farrell: Die Leute, die mir wichtig sind, interessiert die ganze Scheiße gar nicht. Kürzlich war ich mit meiner Mutter, meiner Schwester Claudine und meinem besten Freund in Bistro 990 in New York. Und wir waren laut, lachten viel, und auf einmal sagt Clau, dass mich alle Leute im Lokal anstarren. Und mir wurde zu meiner Erleichterung klar, dass mir das gar nicht aufgefallen war. Und ich sagte zu meiner Runde: wenn ich mich je anders benehme als ich will, nur weil mich die Leute beobachten, erschießt mich. Oder noch besser, schreibt mich ins nächste Entzugsprogramm ein. Dann bin ich nämlich total gefickt, wenn ich nicht mehr ich selbst bin. Dann gebe ich lieber die Schauspielerei auf, wenn ich eines Tages nicht mehr ins Pub gehen und mich blödsinnig besinnungslos besaufen und total daneben benehmen kann.
Colin Farrell in: Nicht auflegen!
Ricore: Welche Beziehung haben Sie denn nach "Nicht auflegen!" zu Ihrem Handy?

Farrell: Ich scheiß mir jedes Mal in die Hosen wenn es läutet! (lacht) Nö, ich hab gar kein Handy. Ich hasse schon normale Telefone, dann leg ich mir nicht auch noch ein Handy zu. Ich liebe es mit Leuten direkt zu reden. Auf die Idee, auf einer Strasse ein öffentliches Telefon, das zufällig läutet, zu beantworten, komme ich gar nicht.

Ricore: Sie sind 90 Prozent des Films die einzige Person auf der Leinwand. Wie schwierig ist es ohne Reaktion von anderen zu spielen?

Farrell: Wie wenn man mit einer Wand redet. Ron Eldard, ein großartiger Schauspieler, war am anderen Ende der Leitung und fütterte mir den Dialog, aber abgesehen von ihm war ich zwölf Drehtage lang allein in dieser Telefonhütte. Das war meine Welt. Ich stotterte oft. Ich sage auch 120 mal 'fuck' in dem Film, und nur zwei 'fucks' standen im Drehbuch! (lacht)

Ricore: Die Message von "Nicht auflegen!" ist, dass Lügen sehr gefährlich sein kann für die Gesundheit. Wie ist Ihr Verhältnis zum Lügen?

Farrell: Großartig! Macht den Sex um vieles besser! (lacht)
Colin Farrell in: Nicht auflegen!
Ricore: Merken Sie, wenn Sie angelogen werden?

Farrell: Ich selber lüge nicht sehr gut, daher lasse ich es lieber. Als ich vor drei Jahren zum erstenmal nach L.A. und Leute traf, mit denen ich mich betrank, und die dann alle in meinem Hotelzimmer landeten bis die Minibar leer war, wusste ich, die tun das weil sie mich mögen. Wenn ich heute mit zehn Leuten in meinem Hotelzimmer ende, könnte ich natürlich sehr leicht um mich blicken, und denken: tja, wer von denen ist echt, und wer ist nur hier, weil ich berühmt bin? Aber in Wahrheit besitze ich einen Instinkt. Du musst jemandem nur in die Augen schauen, um zu wissen, ob sie echt sind oder falsch. Ich brauche keinen Lügendetektor, ich besitze einen hervorragenden Shit-Radar.

Ricore: Joel Schumacher sagt, der Unterschied zwischen europäischen und amerikanischen Schauspielern ist, dass europäische Schauspieler nach Können streben, und amerikanische nach Ruhm...

Farrell: Richtig.

Ricore: ...Wie klar ist Ihnen, dass Sie an der Kippe zum Superstar in Amerika stehen?

Farrell: Ich bin mir der Fallen sehr bewusst, das heißt aber auch, dass ich nicht hineinfallen werde. Wenn mir das alles nicht klar wäre, wäre ich ein verdammtes Arschloch. Ich schätze mich sehr glücklich von einem Ort zu stammen, wo die Hauptsache immer noch ist, ein guter Mensch zu sein und Spaß zu haben. Und wenn du ganz viel Glück hast, dann hast du einen Job, der dir gefällt. Schau mal, ich sitze hier. Und ich habe dieselben Probleme wie jeder. Mein Großvater wurde gerade aus dem Spital entlassen, aber vor drei Tagen wussten wir noch nicht, ob er überleben wird. Er ist 86. Soll ich also ein High kriegen, weil ich in einer verfickten Limousine sitze? Ich weiß, was wirklich wichtig ist im Leben: Familie, Freundschaften, Liebe, Glück, Traurigkeit. Ich mag nicht der Cleverste sein, aber das habe ich längst begriffen.
Colin Farrell in: Nicht auflegen!
Ricore: Wie viele Nummern von Stars stehen in Ihrem Telefonbuch?

Farrell: Gar keine, weil ich keins habe. Aber ich schaute kürzlich in das meiner Schwester, die meine Assistentin ist und sagte: Heilige Scheiße! Bruce Willis, Oliver Stone, Tom Cruise? - und sie meinte, ja, es ist schlimm, nicht wahr. Und das ist genau, was es ist. Es bedeutet gar nichts. Wenn mir Tom Cruise via seine Assistentin ausrichten lässt, er wünscht mir alles Gute, und wenn ich je etwas brauche soll ich mich bei ihm melden, dann ist das sehr nett, aber anrufen werde ich ihn nie.

Ricore: Sie werden als nächstes "Alexander der Große" drehen. Was fasziniert an dieser historischen Figur?

Farrell: Sein Leben liest sich wie ein schlechter Roman. Es ist unfassbar, was der in seinem kurzen Leben alles geleistet hat. Es war eine völlig dekadente Zeit, Aristoteles war sein Lehrmeister, es gab Eifersucht und Intrigen, Leidenschaft und das Gefühl für etwas Höheres geboren zu sein, ein Schicksal erfüllen zu müssen. Was fasziniert mich noch? Na, mit Oliver Stone zu arbeiten, natürlich!

Ricore: Wie viel trinken und rauchen Sie pro Tag?

Farrell: Viel zu viel, aber auch das ist relativ. Viel zu viel gilt nur für L.A., wo du zum Mittagessen zwei Seidel Bier trinkst, und gleich als Alkoholiker giltst. Ich rauche 20 Zigaretten und trinke ein paar Pints.
erschienen am 3. August 2003
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Colin Farrell entscheidet sich erst während eines einjährigen Australienaufenthaltes für eine Schauspielkarriere. Zuvor will er es seinem Vater gleichtun und Profifußballer werden. 1996 geht er mit seiner Schwester Catherine auf die Auf der Suche nach Finbar" feiert der irische Schauspieler sein Leinwanddebüt. Zwei Jahre später wird er von Kevin Spacey auf der Bühne entdeckt. Fortan spielt Farrell in zahlreichen amerikanischen Großproduktionen. Er selbst bezeichnet seine Titelrolle in Oliver..
Nicht auflegen! (Kinofilm)
Presseagent Stu Shepard (Colin Farrell) ist ein smartes Arschloch. Ständig telefonierend, lügend, schmeichelnd und betrügend schummelt sich Stu durch sein erfolgreiches Leben. Doch ein Serienkiller bringt Stu in einer Telefonzelle arg in Bedrängnis. Joel Schumacher stellt Collin Farrell in das Zentrums seines durchkonzipierten Thrillers.
2024