Jean-François Martin/Ricore Text
Angelina Jolie (Cannes 2007)
Angelina Jolie hat die innere Mitte gefunden
Interview: Die Rückkehr der Lara Croft
Verschwunden sind die 'Billy Bob'-Tätowierungen, verschwunden das Blut-Amulett, verschwunden ist Billy Bob selbst, und auch die schlechten Filme, die Angelina Jolie drei Jahre lang machte, sind ein Ding der Vergangenheit. In "Lara Croft Tomb Raider - Die Wiege des Lebens" glänzt sie durch mehr Leinwandpräsenz als je zuvor. Beim Interview strahlt sie von innen, denn Angelina Jolie hat ihre Balance gefunden. Und redet frei von Landminen, Exmännern, digital entfernten Brustwarzen und der grossen Liebe ihres Lebens: Söhnchen Maddox.
erschienen am 8. 08. 2003
Concorde
Angelina Jolie in: Lara Croft Tomb Raider - Die Wiege des Lebens
Ricore: Sie haben noch mehr Stunts gemacht und noch härter für diesen Film trainiert als für Teil eins - wie schafften Sie das?

Angelina Jolie: Ich leide an Insomnia, daher halfen mir all die körperlichen Aktivitäten beim Schlafen. Ich war am Ende des Tages immer so erschöpft, dass ich keine Probleme hatte einzuschlafen. Ich hatte das Gefühl, dass Körper und Geist ganz in Balance waren. Ganz gleich ob ich Kardiotraining, Yoga, Meditation oder was anderes machte, ich fühlte mich ganz toll. Ernährung war auch wichtig. In einer Situation zu sein, wo ich gezwungen war mich mit meiner geistigen und körperlichen Gesundheit auseinander zu setzen war ein Geschenk für mich. Ich wusste genau wie ich essen musste. Ich esse auch normalerweise gesund, aber ich ernährte mich beim ersten "Tomb Raider" fast nur von Protein-Mix-Getränken, und erkannte bei diesen Dreharbeiten, dass es viel gesünder ist zu essen, was einem Spaß macht, und das in Balance.

Ricore: Haben die Veränderungen in Ihrem eigenen Leben - ihre Scheidung und die Adoption Ihres Sohnes - dazu geführt, dass Sie Lara Croft als Rolle jetzt anders sehen?

Jolie: Ich denke nicht, dass es mich als Frau beeinflusst hat. Aber ich fühlte mich freier. Lara Croft ist sehr allein, verantwortlich für sich und ihre Umwelt, und das bin ich jetzt auch. Selbst bei der Auswahl der Outfits war ich befreiter, denn ich musste mir keine Sorgen machen, dass mein Ehemann was daran zu kritisieren hat. Ich fühlte mich sexier, weil es mir erlaubt war, mich sexueller zu verhalten, denn ich war niemandes Ehefrau mehr.
Concorde
Angelina Jolie in: Lara Croft Tomb Raider - Die Wiege des Lebens
Ricore: Hatten Sie Bedenken, eine Fortsetzung zu drehen?

Jolie: Ich war nicht glücklich mit dem ersten Film, daher musste ich den zweiten Teil machen, um meine ursprünglichen Erwartungen zu befriedigen. Ich wollte diesen Film so machen, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, und die Rolle mehr so gestalten, wie ich sie von Anfang an gesehen hatte. Diesmal ist sie eine viel komplettere Frau, sie ist physisch betrachtet viel mehr Lady. Man versteht sie besser. Ich wollte sie so zeigen, wie ich sie im ersten Film nicht zeigen konnte, weil es viel zu viele Leute mit verschiedenen Meinungen gab. Die gab's natürlich bei der Fortsetzung auch noch, aber nachdem ich ja nie darauf höre, was mir Leute einreden... (lacht)

Ricore: Wie viele Stunts waren Sie gewillt selbst zu machen? Hatten Sie vor manchen Angst?

Jolie: Es gibt nichts, was ich nicht gewillt bin zu tun. Ich bin nur vorsichtig wenn es mit Tieren zu tun hat, die machen mich tierisch nervös, weil sie sich nur schwer kontrollieren lassen. Aber was die anderen Stunts angeht, ich trainiere einfach hart dafür. Natürlich bin ich seit meiner Jugend vorsichtiger geworden. Ich checke ein Seil dreimal bevor ich mich dranhänge. Aber ich machte ca. 85% aller Stunts selbst.
Concorde
Angelina Jolie in: Lara Croft Tomb Raider - Die Wiege des Lebens
Ricore: Verletzten Sie sich gelegentlich?

Jolie: Ich habe eine seltsame Beziehung zu Stunts: ich verlor einen Teil meines Ellbogens an diesem Film, der ist irgendwo in mir drinnen, ganz eingedrückt, aber ich bin sicher nach ein paar "Tomb Raider"-Fortsetzungen und ich werde sicher noch ein paar Stücke weniger haben! (lacht) Aber ich sehe das nicht negativ: ich habe die Chance bei jedem Film drei neue Länder kennen zu lernen, zehn neue Sportarten zu erlernen und Dinge zu tun, die man sonst nur im Zirkus sieht. Da hängst du kopfüber in 130 Meter Höhe und die lassen dich einfach fallen. Das mag verrückt klingen, aber es ist auch ungeheuer spannend. Und ich vertraue den Stuntleuten, ich fühle mich mit ihnen sicher.

Ricore: Wie treffen Sie die Entscheidungen, welche Filme Sie machen wollen?

Jolie: Das hat mit meiner Entwicklung als Frau zu tun. Ich spielte Gia (das Supermodel, das an AIDS starb) weil ich gewisse Dämonen in mir konfrontieren wollte. "Durchgeknallt - Girl, Interrupted" half mir, meine innere Fesseln abzulegen. Und auch wenn alle Leute glauben, dass ich mit "Tomb Raider" nur was Oberflächliches machen wollte, um mich zu amüsieren, das war nicht der Grund für diese Wahl. Ich wollte die Seite an mir erforschen, die gesund und selbstbewusst und stolz ist, nicht die Person, die sich lieber versteckt oder völlig verrückt gebärdet.

Ricore: Was lief schief in Ihrer Ehe mit Billy Bob Thornton?

Jolie: Ich glaube, wie waren wirklich leidenschaftlich ineinander verliebt, so wie in der Highschool, und ich weiß, es klang alles sehr exzessiv, aber es machte viel Spaß. Aber dann veränderten wir uns beide und entwickelten uns in entgegengesetzte Richtungen. Auf einmal hatten wir einander nichts mehr zu sagen, also endete die Ehe. Das ist ein sehr traurige und seltsame Sache, aber so ist das Leben. Manche Leute verändern sich nie, aber er und ich veränderten uns ganz drastisch. Und heute ist er sicher glücklicher wo er ist, und ich bin auf jeden Fall glücklicher wo ich bin.
Concorde
Angelina Jolie in: Lara Croft Tomb Raider - Die Wiege des Lebens
Ricore: Gleichzeitig mit dem Ende Ihrer Ehe, zerkrachten Sie sich auch mit Ihrem Vater Jon Voight? Haben Sie sich inzwischen wieder versöhnt?

Jolie: Nein. Das ist traurig, denn wir alle wünschen uns eine gute, enge Beziehung zu unserer Familie, aber leider habe ich keine mit ihm. Er ging mit privaten Dingen an die Öffentlichkeit, und mir wurde klar, dass er von mir sehr enttäuscht ist, und viel zu kritisieren hat. Ich wünschte, er hätte es mir unter vier Augen mitgeteilt anstatt ins Fernsehen zu gehen. Aber ich will und muss positiv bleiben, um eine gute Mutter sein zu können. Und ich habe keine Lust herum zu sitzen und mir jemanden anzuhören, der mich nur schlecht macht. Daher kann ich es mir derzeit gar nicht leisten, eine Beziehung mit ihm aufrecht zu erhalten.

Ricore: Haben Sie jetzt inneren Frieden gefunden?

Jolie: Ja, es begann als ich anfing für die UNO die Welt zu bereisen und mit der Weltorganisation zu arbeiten. Da fühlte ich zum ersten Mal, dass ich genau das machte, wozu ich auf diese Welt gekommen bin. Ich fühlte mich endlich nützlich. Ich tat, was ich tun sollte, anstatt herum zu sitzen und mir zu überlegen, was ich als nächstes tun will. Ich habe eine Tätowierung, die ein Fenster zeigt. Ich ließ sie vor langer Zeit machen, denn ganz gleich wo ich war, ich wollte immer wo anders sein. Ich dachte immer, dass ich wo anders hingehöre. Und ich werde diese Tätowierung bald entfernen lassen, denn ich bin jetzt genau da wo ich's ein will.

Ricore: Wo ist diese Tätowierung?

Jolie: Ach, an einer dieser Stellen, die ich nicht herzeigen kann! Ganz unten am Rücken, gerade mal oberhalb des...Sie wissen schon! (lacht)
Concorde
Angelina Jolie in: Lara Croft Tomb Raider - Die Wiege des Lebens
Ricore: Das Billy Bob-Tattoo ist auch weg.

Jolie: Ja, weg gelasert.

Ricore: Werden Sie sich den Namen Ihres Sohnes, Maddox, eintätowieren lassen?

Jolie: Nein, denn ich werde nie etwas brauchen, das mich an ihn erinnert. Er ist ein Teil von mir.

Ricore: Sie sagten kürzlich, Sie wollten mehr Kinder adoptiere...

Jolie: Ja, aus verschiedenen Ländern und Rassen.

Ricore: ...und keine selbst bekommen?

Jolie: Das darf man nicht falsch verstehen: wenn ich schwanger werde, dann klar. Aber im Moment fühle ich, dass jedes Kind, das ich selbst kriege, ein Kind weniger ist, das adoptiert werden sollte. Und weil ich durch meine Arbeit in der UNO die Situation auf der Welt kenne, verfolgt mich der Gedanke, dass ich ein Kind zuwenig aus einem Waisenhaus retten würde.
Concorde
Angelina Jolie in: Lara Croft Tomb Raider - Die Wiege des Lebens
Ricore: Maddox stammt aus Kambodscha. Kauften Sie deshalb dort ein Haus?

Jolie: Ja, ich will, dass er seine Sprache und seine Kultur kennt. Ich kaufte übrigens kein Haus, sondern nur Grund und baue nun darauf drei kleine Häuser. Erst mal mussten wir aber den Grund entminen! Wir fanden 48 Landminen aus verschiedenen Ländern. Außerdem will ich den Teil des Grundes, der Wald ist, ganz vorsichtig von wilden Tieren frei machen - ohne ihren natürlichen Lebensort zu zerstören. Vermutlich geht das nur indem ich den Teil mit einem Zaun abgrenze und ihn einfach an den Urwald zurückgebe.

Ricore: Wie viel Zeit wollen Sie dort verbringen?

Jolie: Soviel ich kann. Ich möchte auch, dass Maddox eines Tages dort in die Schule geht. Derzeit kann ich viel dort sein, wenn ich nicht drehe. Später werde ich wohl meinen Beruf darauf einstellen oder ihn ändern.

Ricore: Wie fanden Sie Maddox?

Jolie: Ich beschloss, ein Waisenhaus zu besuchen - nicht viele, sondern nur eins. Er war das letzte Baby, das ich sah. Er war drei Wochen alt und wurde mir schlafend in den Arm gelegt. Er wollte nicht und nicht aufwachen, und ich dachte schon, dass er krank sei, aber dann schlug er die Augen auf und lächelte mich an. Und das war's. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch gar nicht ob er gesund ist, kein AIDS hat. Aber es spielte keine Rolle. Ich wollte ihn adoptieren, ganz gleich wie schön oder schwierig unser Leben sein würde.
erschienen am 8. August 2003
Zum Thema
Volle Lippen, viele Tattoos, private Skandale, eine Horde Kinder und ihr soziales Engagement sind die Markenzeichen von Angelina Jolie. Die zweifache Adoptivmutter wurde mehrfach zu einer der schönsten weiblichen Stars gewählt. Ein Brad Pitt auch im Komödienfach aus, natürlich darf es aber auch hier nicht an Action mangeln.In the Land of Blood and Honey", ein Drama vor dem Hintergrund des jugoslawischen Bürgerkrieges, ist ein Achtungserfolg, der der Nachuchsregisseurin eine Unbroken". Die..
Lara Croft (Angelina Jolie) ist zurück! Die äußerst durchsetzungsfähige Archäologin sieht sich in ihrem zweiten Filmabenteuer erneut einer ganzen Reihe von Gefahren und Herausforderungen gegenüber. Jan de Bont ("Speed 2 - Cruise Control") hat die Regie der kultigen Computerspieladaption von dem Briten Simon West ("Wehrlos - Die Tochter des Generals") übernommen.
2024