Jean-François Martin/Ricore Text
Madonna
Berlin als Hochsicherheitstrakt
Interview: Superstar Madonna
Auch wenn ihr Film nicht im Wettbewerb läuft, ist Madonna der Superstar der Berlinale. Keine andere Pressekonferenz, keine Premiere und kein Roter Teppich waren 2008 so bedrängt, wie die der britischen Popikone. Polizei, Absperrungen und Sondereinsatzwagen wohin man schaut. Selbst die Kinosäle wurden vorher genauestens inspiziert. In der deutschen Hauptstadt präsentierte sie ihr Regiedebüt "Filth and Wisdom". Jede Vorstellung war binnen weniger Minuten ausverkauft. Und, ob man es glaubt oder nicht, es scheint als habe sie als Regisseurin mehr Erfolg denn als Schauspielerin.
erschienen am 14. 02. 2008
Jean-François Martin/Ricore Text
Sängerin, Schauspielerin und Regisseurin Madonna
Ricore: Ursprünglich planten Sie einen Kurzfilm zu machen. Wie kam es, dass ein Langfilm daraus wurde?

Madonna: Als ich begann mit den anderen Schauspielern zu arbeiten, verliebte ich mich sofort in ihre Charaktere und wusste sofort, dass ich mehr daraus machen wollte, als nur 20 Minuten. So haben wir angefangen, mehr Szenen zu schreiben und mehr Charaktere einzuführen. Und so ist die Geschichte und meine Liebe zu ihr gewachsen. Nun ist es kein Kurzfilm mehr.

Ricore: Mr. Hutz, wie war die Zusammenarbeit mit Madonna? Und wie haben Sie reagiert, als sie Ihnen diese Rolle angeboten hat?

Eugene Hutz: Ich war ziemlich müde und genervt von den vielen Filmangeboten die ich erhalten habe. Ich war von den vorherigen nicht so begeistert, aber bei diesem Projekt dachte ich, es könnte etwas Außergewöhnliches werden. Ich habe mir einen Monat Zeit genommen, diesen Film zu drehen und bin jetzt froh darüber. Wenn man mich darum bitten würde, einmal nicht mich selbst zu spielen, wäre ich auch sehr froh darüber.

Ricore: Haben Sie eine Lebensphilosophie?

Hutz: Ja, viele der Zeilen habe ich selbst geschrieben. Die überkamen mich wie im Rausch. Es war unmöglich, sie zu veröffentlichen, denn das klingt grausam. Und einen Sinn da hinein zu bringen ist sowieso unmöglich. Deshalb habe ich beschlossen, es dabei zu belassen.
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Vicky McClure sieht zu Schauspielkollegen Eugene Hutz auf
Ricore: Ist es nicht unfair, Mr. Hutz kriegt die gute Rolle und Sie werden in Rollen gedrängt, die sie gar nicht haben wollen?

Vicky McClure: Nun, wie viel Einfluss haben wir tatsächlich auf die Rollen, die wir in unserem Leben spielen? Holly und ich waren auf dem gleichen Level würde ich sagen.

Madonna: Ich würde sagen, ich habe sie gut gecastet.

Holly Weston: Für mich war es eine großartige Erfahrung, mit solch guten Freunden in einem Film zu spielen. Wir verstehen uns privat auch sehr gut. Es war sehr nahe am Leben.

Ricore: Wieviel Einfluss haben wir auf die Rollen, die wir im wirklichen Leben spielen?

Madonna: Wir haben alle totale Kontrolle über unser Leben. Wir sind für unser Schicksal selbst verantwortlich. Ich glaube wir täuschen uns, wenn wir glauben, dass dies nicht der Fall ist.

Ricore: Jean-Luc Godard sagt, ein guter Titel macht 50 Prozent des Films aus. Stimmen Sie dem zu und könnten Sie Ihren Titel vielleicht genauer erläutern?

Madonna: Ich bin ein großer Fan von Godard und bin froh, dass Sie ihn zitieren. Ich stimme auch zu, dass der Titel sehr viel des Films ausmacht. Ich kann den Titel gerne erklären. Es geht um zwei Punkte, einmal Dualität des Lebens und um den Kampf dieser Dualität. Es sieht so aus, als würden die Charaktere an beiden Enden des Spektrums stehen. Was ich gelernt habe, dass man sowohl lernen als auch Erleuchtung finden kann, in der Weisheit und im Dreck.

Ricore: Haben Sie sich als Regisseurin Rat geholt, oder begannen Sie diese Karriere wie eine Jungfrau, "like a virgin"?

Madonna: Das war nicht so clever. Nun ich habe Rat von Menschen bekommen, die ich bewundere. Aber Ratschläge sind wie Arschlöcher, nicht wahr? Das war jetzt mein Witz. Aber jedes Projekt soll natürlich sehr persönlich werden, daher muss man auch auf sich selbst hören, und viele Ratschläge über Bord werfen.
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Madonna versteht es, sich in Szene zu setzen
Ricore: Es gibt Gerüchte, dass Sie neue Wege für die Veröffentlichung des Werks einschlagen wollen. Stimmt es, dass Sie ihr Werk ins Internet stellen wollen?

Madonna: Ja, das ist ein Weg, den wir gehen. Natürlich ist es aufregend, da dies natürlich kein konventioneller Weg ist, aber ich mag unkonventionelle Vorgehensweisen.

Ricore: Hat Ihnen Eugene am Set russisch beigebracht?

Madonna: Eugene hat mir schlechte Worte beigebracht, Straßenslang und so...

Ricore: Herr Hutz, haben Sie manchmal Heimweh?

Hutz: Heimweh, ich weiß nicht. Ich trage all die Dinge die mir aus meiner Kultur am Herzen liegen, mit mir herum. Ich bekämpfe das Heimweh mit meiner Musik, die mich überallhin begleitet, egal wo ich bin, in Brasilien oder in den Staaten. Und gerade in diesem Film wird das sehr deutlich.

Ricore: Wie haben Sie die Musik für diesen Film ausgewählt, inklusive Britney Spears?

Madonna: Eugen war derjenige, der hauptsächlich die Musik auswählte. Es war vor allem er und seine Musik, die im Film präsent sind. Die ganze Zeit während wir drehten, machte er mich auf neue Musik aufmerksam und ich verliebte mich sofort in jede CD, die er mir gab. Viele davon stammten von seinem Onkel und so endete das Projekt damit, dass ein Haufen Lieder seines Onkels im Film vorkommen. Das war sehr inspirierend. Ehrlich gesagt, die gesamte Musik, die ich im Film verwende, stammt von Menschen die ich kenne. Ich musste nicht viel dafür bezahlen. Und eine dieser Personen war Britney. Sie war sehr großzügig.

Ricore: Wie war es für Sie, andere Menschen in einem Film anzuleiten? Gab es so eine Art 'Brainstorming' während der Dreharbeiten?

Madonna: Ich liebe die Regie, die Arbeit mit den Schauspielern und das Sammeln von Ideen. Vieles in meinem Film stammt nicht von mir, sondern von anderen Schauspielern, die mich während der gesamten Arbeit inspirierten. Darin liegt auch eine gewisse Magie, die mir sehr gut gefallen hat.
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Hauptdarstellerin Holly Weston
Ricore: Was faszinierte sie am Zigeunerleben?

Madonna: Ich liebe die Idee des Herumfahrens, das spontane, irgendwo Musik zu machen. Im Grunde meines Herzens wollte ich immer Zigeunerin sein. Diese Menschen haben eine Authentizität, die ich liebe und bewundere. Ich hoffe, dass ich etwas von diesem Lebensstil in meiner Arbeit spiegle.

Ricore: Was kritisieren Sie an der Regisseurin Madonna?

Hutz: Wir haben am Set viel diskutiert. Es war aber überraschenderweise wenig Konfliktbeladen. Sie müssen wissen, ich bin sehr direkt und offen. Meine erste Filmerfahrung war enttäuschend, aber das war auch nicht mit Madonna.

Ricore: Was bedeutet für Sie Glück heute und was vor 30 Jahren?

Madonna: Ich glaube, vor 30 Jahren war Glück für mich, dass ich ein Dach über mein Kopf hatte und dass ich in New York überleben konnte. Ich hatte das Herz am rechten Fleck. Heute bin ich dankbar, dass all diese Dinge für mich weitergegangen, dass mich das Glück nie verlassen hat.

Ricore: Haben Sie darüber nachgedacht, je einen Film über Malawi zu drehen?

Madonna: Ich habe gerade eine Dokumentation dort beendet. Das Werk wird demnächst auf den festivals von Cannes und Tribeca gezeigt. Es gibt aber noch keinen Verleih.

Ricore: Als Schauspielerin haben Sie mit einigen Regisseuren zusammengearbeitet. Haben Sie als Regisseurin versucht, bestimmte Dinge zu vermeiden?

Madonna: Ich habe mit einer Reihe guter Regisseure zusammengearbeitet, die ich sehr bewundere. Ich war sehr privilegiert. Als Regisseur hat man natürlich Visionen, die man umzusetzen versucht. Als Regisseur ist das leichter umzusetzen.

Ricore: Warum haben Sie die Geschichte nicht in die USA gelegt?

Madonna: Nun ja, ich lebe in London, meine Kinder gehen dort zur Schule, ich wollte nicht getrennt von ihnen sein und ich liebe die Stadt. Sie ist kosmopolitisch. Das waren die Gründe, warum ich in England drehte.
erschienen am 14. Februar 2008
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In der chaotischen Dreier-WG von Andriy (Eugene Hutz), Holly (Holly Weston) und Juliette (Vicky McClure) kehrt selten Langweile ein. Hollys Wendung vom Ballett zum Strippen, Juliettes Bemühungen, die hungernden afrikanischen Kinder zu retten und Andriys philosophische Beobachtungen halten die Handlung auf Trap in Madonnas Regiedebüt. Skurrile Charaktere, poppige Vision und punkige Musik zeichnen dieses aus.
2024