Ricore Text
Regiesseurin Doris Dörrie auf der Münchner Premiere
Doris Dörrie als Japan-Expertin
Interview: Die Macht des Dialekts
Schriftstellerin und Regisseurin Doris Dörrie war auch 2008 mit einem Film im Wettbewerb der Berlinale vertreten. In unserem Gespräch bedauert die aus Norddeutschland stammende Japan-Expertin allerdings, dass sie ohne Dialekt aufgewachsen ist und gesteht, dass sie Bayern exotischer als Asien empfindet. Zudem vertraute sie uns an, warum sie gerade mit Elmar Wepper und Hannelore Elsner drehen wollte. Schließlich erfahren wir noch, was denn nun "Hanami" wirklich bedeutet.
erschienen am 2. 03. 2008
Majestic Filmverleih
Doris Dörrie
Ricore: Frau Dörrie, wie fühlt man sich mit einem deutschen Film auf der Berlinale? Sind Sie nervös oder eher skeptisch? Oder sind Sie ganz positiv gestimmt, weil Sie ja auch wissen, was Sie tolles gemacht haben?

Doris Dörrie: Natürlich bin ich aufgeregt. Ich versuche es zu genießen, so gut ich kann. Der echte Lakmus-Test für so einen Film ist, wenn man ihn das erste Mal mit einem Publikum zusammen sieht. Das ist ein bisschen so, wie auf dem Operationstisch ohne Narkose zu liegen.

Ricore: Sie haben nicht das erste Mal in Asien gedreht. Vielleicht können Sie etwas zu Ihrer Affinität für Fernöstliches erzählen?

Dörrie: Ich war das erste Mal mit meinem Spielfilm "Mitten ins Herz" in Japan. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich das Land nicht begreife. Dann habe ich einen Japaner gebeten, mir das Zeichen für Tokio auf ein Stück Karton aufzuschreiben. Das habe ich mir in die Tasche gesteckt und bin damit durch Japan getrampt. Ich habe mich sofort in dieses Land verliebt. Weil es mir einerseits sehr fremd war, ich mich andererseits aber sehr aufgehoben fühlte. Es gibt dort einen liebevollen, zärtlichen und nonverbalen Umgang, der mich sehr beeindruckt. Auch diese Sorgfalt und Achtsamkeit mit allem, ob Menschen oder Dinge. Immer wenn ich nach Japan gefahren bin, habe ich es anders erlebt. Ich habe auch drei verschiedene Filme in Japan gedreht. Einmal "Erleuchtung garantiert" und "Der Fischer und seine Frau". Diesmal habe ich gedacht, ich knöpfe mir die beiden größten Klischees vor. Den Fuji und die Kirschblüte. Weil das die beiden Dinge sind, die Trudi und Rudi aus der Entfernung aus Japan kennen. Und ich, die bereits 17 Mal in Japan war, habe es nie geschafft, den Fuji zu sehen, weil er immer in Wolken war. Ich habe auch immer die Kirschblüte verpasst. Deshalb gibt es in meinem Film die Figur von Yu. Er findet jemanden, der auf ihn aufpasst und erkennt, was mit ihm los ist. Das ist eine sehr persönliche Erfahrung, die ich auch immer wieder in Japan gemacht habe.
Majestic Film Verleih
Kirschblüten - Hanami
Ricore: Warum haben Sie für diesen Film das japanische Wort "hanami" benutzt?

Dörrie: Der Grund, warum der Film "Hanami" heißt, ist, weil die Kirschblüte natürlich nicht nur das Klischee für Japan ist. Sie ist auch eine Metapher für Vergänglichkeit. Und weil es in dieser Geschichte um Vergänglichkeit geht und hanami bedeutet, dass man unter den Kirschblüten sitzt und sie anschaut, soll es uns an unsere eigene Vergänglichkeit erinnern. Die Kirschblüte dauert nicht lange an, sie blüht in ihrer Schönheit und ist dann wieder weg. So wie wir. Nur, wenn wir es verpassen, in aller Schönheit aufzublühen, weil wir uns von Dingen ablenken lassen, auch von unserem eigenen Leben, dann haben wir Pech gehabt. Darum geht es mir in dieser Geschichte.

Ricore: Wie haben Sie es geschafft, Trauer darzustellen? War das für Sie eine Katharsis? Und wie fasst man so etwas in einen Film?

Dörrie: Nein, das war keine Katharsis. Meine persönliche Trauer habe ich in anderen Dingen verarbeitet. Damit hatte das gar nichts zu tun.

Ricore: Mir persönlich gefiel das Symbol der Fliege sehr gut. Ist das die westliche Antwort auf die Kirschblüte? Und wie kam es zu diesem Gedicht?

Dörrie: Die Eintagsfliege ist ein Gedicht aus der Romantik. Das habe ich durch Zufall in einem Gedichtband gefunden. Ich habe das Buch aufgeschlagen und da war die Eintagsfliege. Ich wollte dieses Symbol in meinem Film. Das hat natürlich auch etwas mit dem Alltagsleben von Trudi und Rudi zu tun. Jeder, der schon einmal auf dem Land war, weiß, wie viele Fliegen es da gibt. Genauso wie Trudi, glaubt eine Eintagsfliege auch, dass sie ein langes Leben vor sich hat. Und dass sie dieses Leben genießen will.
Ricore Text
Doris Dörrie auf der Premiere zu "Der Fischer und seine Frau"
Ricore: Wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit mit Maximilian Brückner?

Dörrie: Ich habe Maximilian schon im Volkstheater in München bewundert, und deshalb wollte ich ihn schon immer besetzen.

Ricore: Was hat es mit der Szene mit dem Fahrscheinautomaten auf sich?

Dörrie: Ich stehe als offizielle Fahrscheinerklärerin neben dem Hauptautomaten der MVV München am Marienplatz. Das ist immer wieder so, dass verzweifelte Ausländer vor diesem Automaten stehen und nicht wissen, wie es geht. Das finde ich so lustig in Deutschland, dass immer alles so kompliziert sein muss. Warum ist es in Tokio so einfach, eine Karte zu kaufen und in Deutschland so kompliziert?

Ricore: Sie drehen ja nicht das erste Mal mit Elmar Wepper. Was macht ihn als Darsteller so besonders für Sie, was verkörpert er für Sie, was andere vielleicht nicht können?

Dörrie: Wenn man mehr als zwei Filme gemeinsam gemacht hat, läuft man Gefahr, dass man routiniert wird. Und man glaubt, dass man weiß, wie es geht. So entwickelt man vielleicht Tricks und Posen und weiß, was gut ankommt. Für mich ist das überwältigende an Elmar, dass er überhaupt keine Pose hat. Beim "Der Fischer und seine Frau" ist mir aufgefallen, mit welcher Offenheit er an die Arbeit herangegangen ist. Das ist die größte Herausforderung und Schwierigkeit in unserem Beruf, dass wir keine Routine entwickeln. Und dass wir alles immer frisch und neu sehen.

Ricore: Warum war Ihnen wichtig, dass Ihre Hauptdarsteller bayrischen Dialekt sprechen?

Dörrie: Ich komme aus Norddeutschland, ich habe keinen Dialekt, das habe ich immer beklagt. Der Dialekt ist nun mal immer stärker als das Hochdeutsche. Weil er direkter und emotionaler ist. Für mich als Schriftstellerin ist es ein richtiges Manko, dass ich keinen Dialekt sprechen kann. Das andere ist die überwältigende Schönheit von Bayern, die meine Heimat geworden ist.
erschienen am 2. März 2008
Zum Thema
Mit der Erfolgskomödie "Männer" im Jahr 1995 gelingt Doris Dörrie der Durchbruch. Seitdem ist sie eine feste Größe im deutschen Film. Dörrie inszeniert vornehmlich eigene Bücher. 1993 entsteht nach ihrer Kurzgeschichten-Sammlung "Für immer und ewig" der Kinofilm "Keiner liebt mich". 1997 inszeniert sie nach ihrem eigenem Erzählband die Tragikomödie "Bin ich schön?" Die Dreharbeiten zu dem preisgekrönten Film werden über mehrere Monate unterbrochen, als Dörries Ehe- und Kameramann Helge..
Doris Dörries sensibles Drama "Kirschblüten - Hanami" handelt von einem Ehepaar in den Sechzigern, dass durch den Tod auseinander gerissen wird. Erst jetzt erfährt der zurückgebliebene Ehemann (Elmar Wepper) eine Nähe zu seiner Frau Trudi (Hannelore Elsner), die ihm zu Lebzeiten nicht möglich war. Im Zeichen der Wiedergutmachung begibt sich der Witwer auf eine Reise zu Trudis Wurzeln.
2024