André Weikard/Ricore Text
Rob Stewart bei der Münchner Premiere zu "Sharkwater"
Kampf gegen der "Weiße Hai"
Interview: Tauchgang für bessere Welt
Rob Stewart hat ein Anliegen. Er will sein mit "Sharkwater - Wenn Haie sterben" Publikum auf die Gefährdung einer Spezies aufmerksam machen, die in den Medien zum Ungeheuer stilisiert wird. Als Ökoaktivist präsentiert sich der Filmemacher auch in unserem Interview. Bewaffnet mit eindrucksvollen Statistiken macht er sich daran, den Mythos Bestie Hai zu widerlegen. Der Abenteurer berichtet von Gefahren während des schwierigen Unterwasserdrehs, Drohungen durch die Fischereimafia und wie er in Lebensgefahr geriet. Er verrät auch, warum der Film die Beziehung zu seiner Freundin zerstört hat und er heute wieder Fleisch isst.
erschienen am 7. 04. 2008
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Sharkwater - Wenn Haie sterben
Ricore: An Ihrem Film haben Sie fast alles selbst gemacht. Sie waren selbst zu sehen, haben das Drehbuch geschrieben und den Film geschnitten. Warum?

Rob Stewart: Ich wollte einen schönen Unterwasserfilm ohne Menschen machen. Mir ging es um die Haie. Wie man im Film sieht, landen wir letztendlich im Gefängnis, die Geschichte endet total verrückt. Der wahre Grund, warum ich alles alleine gemacht habe: wir hatten kein Geld. Und ich kannte auch nicht die richtigen Leute. Ich kannte keine Drehbuchschreiber. Ich wollte einen engagieren, aber was der geschrieben hat war schrecklich. Da dachte ich: "Das kann ich besser". Also habe ich ihn gefeuert, und das war schlussendlich auch billiger.

Ricore: Wenn Sie so ein Anfänger waren wie sie sagen, wie haben Sie die Techniken gelernt?

Stewart: Als ich anfing, war ich ein guter Fotograf. Ich wusste also, dass ich schöne Aufnahmen machen konnte. Nun bewegen sich die Dinge beim Filmen und das war neu für mich. Ich ging die Sachen an wie beim Fotografieren. Wenn sich die Dinge bewegten, habe ich versucht, mit den Bewegungen mit zu gehen. Ich hatte zwei Filme auf meinem Laptop: "Die fabelhafte Welt der Amélie" und "Snatch - Schweine und Diamanten". Das waren meine Vorbilder. Meine damalige Freundin hat mir ein Buch über die Filmkunst geschenkt. Es war ein sehr gutes Buch. So habe ich mir das beigebracht.

Ricore: Daneben gab es aber noch andere Schwierigkeiten. Wovor hatten sie am meisten Angst?

Stewart: Einmal sind wir getaucht, als wir auftauchten, waren wir zwei Kilometer vom angepeilten Ort entfernt. Wir konnten das Boot nicht sehen und trieben im Pazifik. Wir verbrachten acht Stunden 600 Meilen vom Land entfernt. Wir haben uns aller unserer Sachen entledigt, bis auf die 200.000 Dollar Kamera. Beim Sonnenuntergang hat uns dann endlich ein Rettungsboot gefunden. Ich dachte wir würden sterben. Das war am schlimmsten. Die Angriffe der Fischereimafia passieren ja sehr schnell. Da hast du keine Zeit, Angst zu haben, du reagierst einfach. Die haben sogar gesagt, dass sie uns erschießen würden. Das war Furcht einflößend. Ich war damals 22 und habe Fische fotografiert. Ich habe nichts getan.
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Auf dem Weg in die Tiefe
Ricore: Welche Rolle spielt Ihr Film im Kampf gegen das Fischen von Haien?

Stewart: Hauptsache ist, das Thema ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Man kann nicht sehen, was in den Meeren vor sich geht. Die Leute wissen nicht, dass sie pro Jahr 54 Milliarden Pfund Fisch verschwenden. Das Meer ist ein Sonderfall. Mit den riesigen Netzen fängt man nicht einzelne Tiere, sondern alle Lebewesen des gesamten Ökosystems. Das ist eine unvorstellbare Verschwendung. Die Öffentlichkeit muss erfahren, dass 70 Prozent unseres Sauerstoffs aus dem Leben in den Meeren gewonnen wird. Den Meeren, die wir jeden Tag zerstören. Die Öffentlichkeit muss sich mit der globalen Erderwärmung auskennen. Da geht es nicht um die Autoindustrie, sondern um das Leben im Meer. Wenn die Menschen das wüssten, gäbe es einen ähnlichen Aufstand wie damals im Kampf um die Gleichberechtigung der Frauen, der Beendung der Sklaverei. Die Intention meines Films ist, den Menschen die Realität vor Augen zu führen.

Ricore: Glauben Sie, dass sich die Einstellung gegenüber Haien in Kanada oder den USA gegenüber derjenigen in Europa, wo es keine Haie gibt, unterscheidet? Leute, die in der Nordsee baden, müssen keine Haiangriffe fürchten. Auch in den Medien sind Haie nicht die Monster, wie sie vielleicht in Kanada oder anderswo dargestellt werden.

Stewart: Das ist wahr. In Kanada wird niemand von einem Hai gebissen, aber in den USA schon. Auf der einen Seite werden in den USA natürlich mehr Menschen gebissen als in Kanada oder Europa. Auf der anderen Seite geht es natürlich um die Sensationslust der US-Medien. Wenn ein kleiner Hai in Florida jemandem in den Fuß beißt, zeigen die Titelblätter das Foto eines riesigen weißen Hais. Damit machen sie ihr Geld. In den USA gibt es eine Angstkultur. Das ist ein wesentlicher Aspekt des Problems.

Ricore: Auch in den Dokumentationen von Michael Moore geht es um die Angstgesellschaft der Vereinigten Staaten. Wo würden Sie Ihren Film ansiedeln? Eher in der Nähe von Jean-Michel Cousteau, Al Gore oder Michael Moore?

Stewart: Ich sehe ihn als selbständig an. Keiner der anderen Filme hat eine richtige Story.
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Rob Stewart: 22-jähriger Cutter, Darsteller, Regisseur, Drehbuch, Kamera, Produzent und Ökoaktivist
Ricore: Auch nicht der von Al Gore?

Stewart: Was ist da die Story? Das die Erde sich erwärmt ist noch keine Story. In "Sharkwater" gibt es eine Story wie in einem klassischen Spielfilm. Einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende. Es gibt Korruption, Mordversuche, einen Höhepunkt und das Alles. Es gibt eine Story, und das haben bisher nur ganz wenige Dokumentationen. Das macht den Film so besonders.

Ricore: Haben Sie jemals Hai gegessen?

Stewart: Nein, ich habe noch nie Fisch gegessen. Schon als Kind waren Fische meine Freunde. Heute habe ich viele Gründe, keinen Fisch zu essen.

Ricore: Sind sie Vegetarier?

Stewart: Nein, ich war es sechs Jahre lang, bis Dezember 2007. Da war ich völlig am Ende. Der Film startete in den USA, ich war einen Monat lang jeden Tag in einem Flugzeug. Ich war so fertig, dass ich beschlossen habe, ein halbes Jahr lang wieder Fleisch zu essen. Zur Probe, einfach um zu sehen, ob es mir dann gesundheitlich besser geht.

Ricore: Sie haben vorher schon über ihre persönlichen Ängste beim Drehen gesprochen. Wie war das bei Ihrer Familie und Ihrer Freundin?

Stewart: Dieser Film hat meine Beziehung ruiniert. Ich war zu lange weg und habe mich nur auf den Film konzentriert. Meine Familie hatte Todesängste als ich fast mein Bein verloren hätte. Sie wollten, dass ich Costa Rica verlasse und nach Hause komme. Es war sehr hart für meine Familie. Aber ich war 22, das war mein erster Film. Die Zeit im Krankenhaus war mein Tiefpunkt. Ich konnte niemandem sagen, was ich für Angst hatte. Hätte ich es meinen Mitarbeitern, Eltern oder Freundin gesagt, wäre ich nach Hause geflogen worden und alles wäre beim Teufel gewesen. Meine Eltern sind fast verrückt geworden. Sie haben sich bei der kanadischen Regierung um einen Privatjet gekümmert um mich zurück zu holen. Aber die Kameras kosten 2.500 Dollar pro Tag. Wenn ich aufgegeben hätte, wären sie zurück zur Leihstelle gekommen. Nach dem Aufenthalt hätte ich kein Geld mehr gehabt, die Kameras wieder zu holen. Den Film hätte ich begraben müssen, das wusste ich. Der Film hatte Potential, Gutes zu tun. Das war meine Chance. Wir können den Meeren, den Haien, den Menschen helfen. Das war eine große Sache für mich, das konnte ich nicht aufgeben.
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Beeindruckende Geschöpfe: Haie
Ricore: Ihr Film soll vor allem Gutes tun. Was denken sie über "Der weiße Hai"?

Stewart: Ich hasse diesen Film. Einerseits ist er zwar fantastisch und ein großer Horrorfilm. Aber es ist eine Schande, dass er von einer Kreatur handelt, die so wichtig ist. Als der Film erschien, wusste man noch wenig über Haie. Die Leute haben den Film wie einen Dokumentarfilm gesehen, sie haben das geglaubt, aus Haien würden Monster. Überall auf der Welt begannen Menschen, Haie zu töten, um die Menschheit vor dieser bösartigen Kreatur zu retten. Das ist eine schreckliche Folgeerscheinung. Steven Spielberg wollte das nicht. Peter Benchley, der Autor auch nicht. Die letzten 20 Jahre reist er um die Welt und erzählt allen, dass Haie tolle Tiere sind. Er will sie retten. So etwas hat Spielberg nie gemacht.

Ricore: Steven Spielberg wollte auch nicht, dass ein Interview mit ihm in Ihrem Film gezeigt wird.

Stewart: Das stimmt. Wir hatten ein Interview mit ihm im Film, aber kurz vor der Veröffentlichung hat er uns verboten, es zu verwenden.

Ricore: Warum, glauben sie, hat er das gemacht?

Stewart: Ich weiß es nicht.
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90 Prozent der Großhaie schon abgeschlachtet: Fischer
Ricore: Sie hatten einige Probleme mit der Regierung. Ist Filmmaterial verloren gegangen?

Stewart: Nein. Als ich zum zweiten Mal nach Costa Rica kam, habe ich das Filmmaterial so schnell ich konnte nach Toronto geschickt. Ich war total aufgeregt, weil so viele Leute mein Material im Fernsehen sehen würden.

Ricore: Am Anfang hat Sie sogar der Präsident von Costa Rica eingeladen.

Stewart: Stimmt. Aber als wir ankamen, wurden wir angeklagt, anstatt mit offenen Armen empfangen zu werden. Da wusste ich, dass irgendwas vor sich geht.

Ricore: Was sind ihre nächsten Projekte?

Stewart: "Sharkwater" hat mich zu einem Filmemacher gemacht. Dadurch habe ich die Macht von Filmen erkannt, die Welt zu verändern. Mein nächster Film wird wieder eine Dokumentation. Es geht um die Frage, wie die Menschheit die nächsten 100 Jahre überlebt. "Sharkwater" war sehr emotional, jetzt wird es lustig. Vielleicht mache ich auch eine TV-Serie über Haie. Ich weiß noch nicht, ob ich mir das noch einmal antun soll, ich will auch einmal fröhlich sein. Man muss sich um alles kümmern und hat ansonsten eigentlich kein Leben.

Ricore: Aber Sie haben nicht die Nase voll von Haien?

Stewart: Nein. Sobald ich wieder Ferien habe, werde ich wieder bei den Haien im Wasser sein.
erschienen am 7. April 2008
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Ausgebildeter Tauchlehrer war Rob Stewart schon als 18-Jähriger. Danach studierte der gebürtige Kanadier Meeresbiologie und Zoologie an Universitäten in Jamaika und Kenia. Schnell wurde Stewart zu einem gefragten Unterwasserfotografen. Mit 22 Jahren überzeugte er eine Produktionsfirma, ihm 300.000 Dollar zur Verfügung zu stellen. Vier Jahre lang arbeitete Stewart daraufhin an seinem ersten Film, einer Dokumentation über Haie. Er führte Regie, schrieb das Drehbuch und kümmerte sich um die..
Wer etwas über Haifische jenseits dämonisierender Mythen erfahren will, sollte sich Rob Stewarts Dokumentation "Sharkwater - Wenn Haie sterben" ansehen. Er bekommt die Schönheit eines Meeresjägers vorgeführt, das Medien zumeist als gefühllosen Räuber darstellen. Neben wundervollen Naturaufnahmen problematisiert die Dokumentation insbesondere auch, was der Mensch dem ui den ältesten gehörenden Tier antut.
2024