ZDF
"Stürmische Zeiten"
Wolfgang Stumph steigt aufs Dach
Interview: Stürmische Zeiten für Sturköpfe
Ob als Lehrer Struutz in "Go Trabi Go", Stankoweit in "Salto postale" oder Stubbe in der gleichnamigen Krimiserie, Wolfgang Stumph hat immer geerdete Rollen. Im ZDF-Fernsehfilm "Stürmische Zeiten" spielt er Dachdeckermeister Werner Stegemann. Der gebürtige Schlesier erzählt, worum es in dem TV-Film geht und spricht über die Qualität der eigenen Rollen. Er redet mit uns über Sturheit beim Dreh und sein Lampenfieber vor dem nächsten Auftritt. Der ehrenamtliche Mitarbeiter bei UNICEF nimmt auch Stellung zu den derzeitigen Irritationen um Provisionen für Spendengelder bei der Hilfsorganisation.
erschienen am 5. 04. 2008
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Wolfgang Stumph in "Stürmische Zeiten"
Ricore: Sind Sie mit dem Ergebnis der Dreharbeiten?

Wolfgang Stumph: Es ist einfach schön, wenn man spürt dass das, was man sich gemeinsam mit dem Autor ausgedacht hat, langsam Gestalt annimmt. Wenn die Figuren so besetzt sind, wie man sie vorher im Buch schon gefühlt hat, wenn man herrliche Motive hat und genau die Kirche oder die Steilküste findet, die man braucht. Zum einen ist der Darß ein sehr schöner Landstrich.

Ricore: Ist das Thema Generationsübergreifend?

Stumph: Das Thema betrifft sowohl die Generation meiner Schauspielkollegen Marie Zielcke und Max von Thun, als auch meine. Es gibt da ein schwieriges Verhältnis zwischen Vater und Sohn, eine große Trotzigkeit. Keiner will auf den anderen zugehen. Das passiert überall einmal. Nur ist bei diesen beiden Typen diese Phase etwas länger und zäher. Es mag am Landstrich liegen, vielleicht auch einfach am Charakter dieser beiden Sturköpfe, dass sie so viel Zeit verstreichen lassen, ohne die Vorwürfe des Sohnes aus der Welt zu schaffen. Es war einfach ein Glück, dass diese beiden jungen Leute so gut gespielt haben, wir einen wunderbaren Regisseur hatten und einen Kameramann, der herrliche Bilder von der Landschaft gemacht hat. Wir haben ein Ergebnis von dem ich sagen kann: das zeige ich gerne.

Ricore: Denkt man auch über die eigene Familiensituation nach?

Stumph: Zum Nachdenken kamen wir ja schon, bei der Überlegung, wie dieser Stoff umgesetzt werden sollte. Jeder der Hauptdarsteller konnte aus seiner Lebenserfahrung etwas zum Thema beisteuern. Es tauchen nun wirklich keine weltfremden Probleme auf. Es geht um eine alleinstehende junge Frau, die sich und ihr Kind mit einer Arbeit absichern muss, die von ihrer Qualifikation und ihrer Moral nicht zu ihr passt. Sie ist Stripperin. Jeder junge Mann wird sich erinnern können, wo es einmal Missverständnisse oder Konflikte mit dem Vater gab. Ich kann das genauso nachvollziehen. Mein Sohn ist so alt, wie Max von Thun, der die Rolle gespielt hat. Natürlich greift man auch auf Erlebtes zurück. Wir wussten ja um die Sensibilität des Stoffes. Wir sind sehr verantwortungsvoll damit umgegangen und wussten, dass wir die ehrliche Atmosphäre des Films nur rüberbringen können, wenn wir alle drei stimmig sind.
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Wolfgang Stumph macht Traktorfahren sichtlich Spaß
Ricore: Im Augenblick wird viel über Doris Dörries "Kirschblüten - Hanami" gesprochen. Lag das Thema Generationenkonflikt und Tod als Tabu vielleicht irgendwie in der Luft?

Stumph: In Deutschland vermeidet man ja alles, was nicht jung und erfolgreich ist, was außerhalb der künstlichen Norm ist. Zu diesen Themen gehört der Tod. Wir drücken uns auch um das Thema Sterbehilfe und Pflege herum. Vor allem Männer sind in Bezug auf Vorsorgeuntersuchungen nachlässig. Jeder dritte hat Hämorrhoiden aber nur jeder achtzigste wagt es, darüber zu sprechen oder deswegen zum Arzt zu gehen. In dieser Leistungsgesellschaft redet man nur von den Jungen und Erfolgreichen.

Ricore: Macht es einen Unterschied fürs Kino oder fürs Fernsehen zu arbeiten?

Stumph: Ich weiß aus eigener Erfahrung, welchen Unterschied es macht, ob man Einschaltquoten und Kritiken liest oder ob man den Genuss hat mit vielen Menschen in einem Kino zu sitzen und die Reaktionen mitzuerleben. Wenn ich mir Filme im Fernsehen anschaue, bei denen ich mitgespielt habe, dann tue ich das gerne in einem größeren Kreis. Das ist auch ein Qualifizierungsprozess für die nächste Arbeit. Das mache ich auch mit meinen Kindern. Wir sehen uns die Filme meistens gemeinsam an. Ich freue mich über ein Feedback im Allgemeinen. Man wird ja im Fahrstuhl, auf der Rolltreppe, in der Kneipe oder im Foyer eines Theaters angesprochen. Mich spricht man meist mit dem gerade vergangenen Filmnamen an. Der Herr Stubbe, der Herr Stankoweit, meine St-Figuren eben. Das stört mich gar nicht. Wenn ich meine Ruhe brauche, muss ich ja nicht im Kaufhaus die Rolltreppe hochfahren oder mich in der Gaststätte so setzen, dass mich die nächsten fünfzig Gäste alle sehen.

Ricore: In "Stürmische Zeiten" war es wieder eine St-Figur. Ist das Absicht?

Stumph: Es gibt ein paar Filme, wo ich einen anderen Namen habe. Das sind Produktionen, bei denen ich erst zugesagt habe, als das Drehbuch schon fertig war. Ich hatte immer ein Motiv das zu tun. Einmal wollte ich gerne mit Ann-Kathrin Kramer spielen, ein anderes Mal wollte ich Til Schweiger nicht zum dritten Mal absagen. Bei "Keinohrhasen" haben berühmtere Leute als ich, etwa Jürgen Vogel, Armin Rohde, und andere Kurzauftritte. Oder es ist eben eine Figur, die ich noch nicht gespielt habe und die meine Palette erweitert. Das da trotzdem "stumph-sinn" drin steckt, lässt sich nicht vermeiden, weil ich kein Schauspieler bin, der nur vom Blatt spielt, sondern der sich einbringt.
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Wolfgang Stumph und Max von Thun in "Stürmische Zeiten"
Ricore: Sie bringen sich ja nicht nur als Schauspieler ein, sondern auch in gesellschaftlicher Hinsicht. Sie engagieren sich etwa für UNICEF. Was halten Sie von den derzeitigen Unruhen um Missmanagement des Vorstands?

Stumph: Das Versagen von einzelnen Menschen, ob es nun bei UNICEF ist, ob es sich um kirchliche Würdenträger handelt, oder um Topmanager ist nicht immer ein Zeichen für das Versagen der ganzen Gruppe, die sie vertreten. Deshalb kann man sich immer noch zu der Sache, die sie vertreten, bekennen. Wenn man der Meinung ist, dass man helfen muss, dann sollte man sich nicht von einem einzelnen Fehlverhalten davon abhalten lassen. Schutzbedürftige in Deutschland und in der Welt sind trotzdem darauf angewiesen. Auch wenn es einen Herrn Zumwinkel gibt, kaufen wir trotzdem noch Briefmarken. So sollte man auch weiter spenden, weil es wichtig ist, dass man sensibel in dieser Gesellschaft miteinander umgeht. Ich möchte eine Lanze brechen für die vielen Ehrenamtlichen, die sehr engagiert sind. Wie sich mancher Postler für Herrn Zumwinkel schämt, müssen sie sich für das organisatorische Versagen im Vorstand schämen.

Ricore: Ihre Figur Werner ist Dachdecker, bekommt plötzlich Höhenangst. Welche Rolle spielt diese Angst im Film?

Stumph: Die Höhenangst spiegelt die Hilflosigkeit von Werner, den Konflikt mit seinem Sohn zu lösen. In dem Augenblick, wo dieser Konflikt gelöst ist, verschwindet sie wieder. Man zeigt diese Schwäche nur sehr ungern. Man glaubt, wenn man um Hilfe bittet, würde man die Achtung von seinem Gegenüber verlieren.

Ricore: Wann hatten Sie selbst eine derartige Sturheit oder Angst?

Stumph: Ich bin ein sehr harmoniebedürftiger Mensch. Des gemeinsamen Ergebnisses wegen bin ich manchmal fast zu tolerant. Da habe ich vielleicht sogar ein Defizit an Sturheit. Es muss dann schon eine schwere Krankheit sein, die einen mal wieder zur Vernunft bringt. Angst hat man vor jeder künstlerischen Aufgabe. Ich war noch nie damit zu beruhigen, dass es das letzte Mal doch auch gut gegangen ist. Ich fange immer mit Zweifeln an. Ich habe eine produktive Angst, die Kräfte frei macht. Selbst wenn es nur der Besuch einer Talkshow ist oder ein Beitrag für "Verstehen Sie Spaß?".
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Wolfgang Stumph
Ricore: Sie sind kürzlich 60 geworden und haben angekündigt, Sie wollen sich ein wenig zurücknehmen. Gilt das noch?

Stumph: Einen Schritt habe ich schon geschafft. Neben meiner vielen Arbeiten, die ich für Film und Fernsehen mache, habe ich ja auch noch Kabarett gespielt. Gastspielreisen mit 100 Auftritten schaffe ich parallel zum Fernsehen nicht mehr. Die Verantwortung, den Erfolg zu erhalten, braucht viel Kraft. Ich pausiere jetzt seit einem halben Jahr mit jeglicher Kabarettarbeit. Das fällt mir nicht so schwer, weil es das Kabarett in der dieser Comedy-Zeit doch sehr schwer hat. Heute unterscheidet man nicht mehr, ob der Gag moralischen oder politischen Anspruch hat oder nur noch des Gags wegen gemacht wird. Als Kabarettist fragt man sich dann, ob man überhaupt noch gehört wird.

Ricore: Sind Sie allgemein zufrieden mit der Qualität ihrer Rollen?

Stumph: Angebote bekomme ich genügend. Die sind allerdings häufig sehr klischeehaft. Ich will mich nicht wiederholen. Ich möchte den Stubbe erhalten. Sonst möchte ich aber neue Themen. Da kommen sehr wenige Angebote. Die Breite der Themen mit denen ich den Zuschauer überrasche, muss ich mir häufig selbst organisieren. Ich habe immer mit Dingen wie "Go Trabi Go" oder "Salto postale" aufgehört, wenn man droht, so festgelegt zu sein, dass man für andere Rollen nicht mehr glaubwürdig ist. Es ist schöner aufzuhören, solange die Leute es noch bedauern. Es ist schon erstaunlich, dass das ZDF nie auf die Idee kommt, mir Sachen anzubieten, die mir dazu dienen, meine Palette zu erweitern. Ich bin immer derjenige, der neue Farben, neue Bücher anbietet. Manches wird abgelehnt und läuft dann sehr erfolgreich bei der ARD. Das gibt mir schon manchmal zu denken.

Ricore: Um Stubbe muss sich das Publikum aber noch keine Sorgen machen?

Stumph: Nein, aber mit zunehmender Anzahl der Sendungen, überlege ich schon, wie das Leben dieser Familie weitergeht. Wir drehen im Augenblick die Folgen 34 und 35. Man muss sich fragen, ob da noch genug ist, was mich und die Zuschauer neugierig machen könnte. Ich habe schon immer selbst bestimmt, wann Schluss ist.
erschienen am 5. April 2008
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Der Durchbruch für den studierten Schauspieler und Kabarettisten Wolfgang Stumph kam 1991 mit der Komödie "Go Trabi Go". Das sächsische Schlitzohr spielte er daraufhin in den TV-Serien "Salto postale" und der Fortsetzung "Salto Kommunale". Seit 1995 tritt er gemeinsam mit seiner Tochter Stephanie in der Krimiserie "Stubbe - Von Fall zu Fall" auf. Sein Kabarettensemble mit den Kollegen Gunter Antrak und Detlef Rothe hatte 2006 seinen letzten Auftritt. Wolfgang Stumph engagiert sich nach wie vor..
"Stürmische Zeiten" herrschen auf der Halbinsel Fischland an der Ostsee nicht nur wetterbedingt. Vater Werner (Wolfgang Stumph) und Sohn Niels (Max von Thun) sind heillos zerstritten. Dazwischen steht Urlauberin Inka (Marie Zielcke), die sich in einen verliebt und zu dem anderen Vertrauen fasst. Das TV-Drama um zwei Sturköpfe vermittelt sowohl eine heitere Atmosphäre als auch den Ernst alltäglicher Nöte.
2024