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Johnny Depp in: Fluch der Karibik (2003)
Besser als eine billige Persiflage
Interview: Johnny Depp zu den Rockstars ihrer Ära
In "Pirates of the Carribean" kanalisiert Johnny Depp sein musikalisches Vorbild Keith Richards. Was nicht heißen soll, dass er den Film als Whisky trinkender, Kette rauchender Marlboro-Man verbringt, der mit der umgeschnallten Gitarre ein gesamtes Piratenschiff unterhält. Depp ist besser als eine billige Persiflage des besten Rock'n'Rollers aller Zeiten und seine Darstellung subtiler als jede Imitation.
erschienen am 28. 08. 2003
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Johnny Depp am Set von: Fluch der Karibik (2003)
Geld war nicht das Wichtigste
Ricore Medien: Wie bereitet man sich auf eine Rolle vor, die sehr leicht zum Klischee werden kann?

Johnny Depp: Ich überlegte mir, womit man die Idee von Piraten im 18.Jahrhundert in der heutigen Zeit portieren könne. Ich kam auf die Idee, dass Piraten die Rockstars ihrer Ära waren. Geld war nicht das Wichtigste für sie - ja, es war ganz nett, aber es ging ihnen mehr um Freiheit. Und ich dachte, okay, wer ist der größte Rockstar unserer Zeit? Für mich ist das zweifellos Keith Richards, und auf seine Weise ist Keith auch ein Pirat. So wurde Keith dann zur Basis meines Rolle. Als zweite Person erinnerte mich an die Zeichentrickfigur Pepe LePew. Pepe schaffte es immer wieder aus den unangenehmsten Situationen herauszufinden. Er lief zwischen den Regentropfen. Ich spielte also einen Mix aus Keith Richards und PepeLePew.

Ricore: Werden Sie leicht seekrank?


Johnny Depp: Nein, ich hätte diesen Film sonst nie machen können. Ich lebte auch auf einem Boot während der Dreharbeiten und fühlte mich so wohl, dass ich Schwierigkeiten hatte, an Land zu gehen. Ich war landkrank! Ein Boot ist unheimlich beruhigend, ich fühlte mich darauf wie im Bauch meiner Mutter.

Ricore: Wie werden Sie mit großer Hitze fertig, ein großes Thema im Film?


Johnny Depp: Ich musste mir darüber klar werden, wie stark Hitze Körper und Hirn beeinträchtigt. Ich ging deshalb viel in die Sauna und blieb viel zu lange. Kann ich niemand empfehlen! (lacht) Du kommst an den Punkt, wo du kurz davor bist ohnmächtig zu werden, innerlich fast zu kochen beginnst.
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Johnny Depp in: Fluch der Karibik (2003)
Daddy als Pirat
Ricore: "Pirates of the Carribean" ist eine der beliebtesten Attraktionen von Disneyland. Waren Sie mal dort?

Johnny Depp: Ich war fünf oder sechs als wir nach Disney World in Florida fuhren, und ich wollte immer wieder und wieder auf diese Bahn. Ich war völlig süchtig danach. Kürzlich zeigten Vanessa und ich den Kids zum ersten mal Disneyland. Ich dachte, oh, Gott, meine Tochter will sicher nur all die typischen Mädchensachen tun, die Prinzessinnen und Alice im Wunderland, und ich konnte es gar nicht erwarten, zu den Piraten zu kommen. Aber erstaunlicherweise gefiel ihr das unheimlich gut.

Ricore: Was denkt sie denn über ihren Daddy als Pirat?


Johnny Depp: Es ist wirklich witzig, denn Lily sieht mich nicht als Schauspieler. Kürzlich wurde sie gefragt, was ihre Eltern tun, und sie sagte: Mami ist eine Sängerin. - Und was macht dein Daddy? - Daddy ist ein Pirat. (lacht) Und ich bringe es nicht übers Herz , ihr zu sagen, dass ich Schauspieler bin, denn wie kann man einen Schauspieler denn mit einem Piraten vergleichen?! (lacht)

Ricore: Warum haben Sie noch Monate nach dem Ende der Dreharbeiten ihre Goldzähne nehalten?


Johnny Depp: Gute Frage. Ich hatte nie vor, sie zu behalten. Ich verließ Los Angeles sofort nach den Dreharbeiten um zu meiner Familie nach Frankreich zurückzukehren, hatte aber keine Zeit zum Zahnarzt zu gehen. Ich meine, ich ging zum Zahnarzt, aber ich hatte eine Wurzelbehandlung, und dachte, das ist mehr als genug für einen Tag. Erst als ich in Europa war, wurde mir klar, dass ich nun Monate lang mit diesen Goldzähnen leben müsste.
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Johnny Depp in: Fluch der Karibik (2003)
Es gibt Zahnärzte in Europa!
Ricore: Johnny, es gibt Zahnärzte in Europa!

Johnny Depp: (lacht) Ja, aber ich mag nur meinen!

Ricore: Ewan McGregor erzählte vor zwei Jahren, wie cool es war in "Star Wars" einen Jedi zu spielen und Kindheitsträume auszuleben. Verhält es sich mit Piraten ähnlich?


Johnny Depp: Klar, das ist ein wahrgewordener Traum für jeden Schauspieler, der sich noch daran erinnern kann, wie er als 5-jähriger war. Es gab Momente wo Orlando und ich uns anschauten und lachten: was, wir werden wirklich dafür bezahlt?! Ich erinnerte mich an eine Aussage Lee Marvins nachdem er "Cat Ballou - Hängen sollst du in Wyoming" gedreht hatte und gefragt wurde, wie er sich auf die Rolle vorbereitet hätte. Er meinte: ich bereite mich seit 40 Jahren auf diese Rolle vor!

Ricore: Gab es da so was wie eine Schule für Piraten?


Johnny Depp: Ja, wir mussten schließlich in Gruppen lernen wie man richtig mit Schwertern kämpft. Das war anfangs nicht so lustig, eher anstrengend. Es ist ein Ganzkörper-Workout ohne Pausen. Am Ende bist du so fertig, dass du nur noch umfallen willst.

Ricore: Welche Art von Drehbüchern suchen Sie?


Johnny Depp: Gute! (lacht) Die Idee für diesen Film schwebt schon lange im Raum, aber erst als ich das Drehbuch von Ted Elliott und Terry Rossio las, wusste ich, dass ich interessiert bin. Die beiden erfanden immerhin "Shrek".
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Johnny Depp in: Fluch der Karibik (2003)
Franzosen sind elegant und kulturell
Ricore: Sie leben in Frankreich - spüren Sie den Anti-Amerikanismus?

Johnny Depp: Seltsamerweise merke ich davon überhaupt nichts. Die Franzosen sind viel zu elegante, kulturelle Leute, um sich da groß auszulassen. Natürlich waren sie nicht erfreut. Aber die ganze Welt war schließlich gegen den Irak-Krieg. Es ist sehr interessant, was passiert, wenn man in Frankreich den Namen George W. Bush erwähnt. Die Franzosen verziehen dann immer ihre Mundwinkel zu einem süffisanten Lächeln, irgendwie so wie Eltern, die sich nicht mehr über ein dummes Kind aufregen wollen. Und natürlich lachten sie genauso laut wie wir allen, als das Weiße Haus beschloss die French Fries (Pommes Frites) in Freedom Fries und den beliebten French Toast (mit Ei in der Pfanne geröstetes Toastbrot) in Freedom Toast umzubenennen - besonders als ein französischer Minister meinte, dass French Toast eigentlich aus Belgien käme! (lacht)

Ricore: Wann hören Sie zu lachen auf, was George W. Bush betrifft? Was macht Sie zornig?


Johnny Depp: Er ist ein verdammt schlechter Lügner. Es wäre anders, wenn er gut lügen könnte, aber er ist ein schlechter Lügner, und das ist unverzeihlich. Sei ein besserer Schauspieler. Ich hasse Politik. Mir kommt das jedes Mal so vor, als müsste man in einen Topf kochender Spaghetti springen. Du kommst nicht mehr raus. Was mich wütend macht ist die immerwährende Ignoranz. Wir sollten ganz andere Länder befreien, aber die sind uns gleichgültig, weil wir damit kein Geld verdienen. Das ist unverzeihlich.

Ricore: John Malkovich zog kürzlich nach Südfrankreich - sehen Sie ihn manchmal?


Johnny Depp: Ja, ich war schon beim ihm. Er ist ein fantastischer Koch.

Ricore: Was kochte er denn?


Johnny Depp: Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich weiß, es gab hervorragenden Rotwein. Und danach schwand mir die Erinnerung! (lacht)

Ricore: Danke für das Gespräch.
erschienen am 28. August 2003
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