X-Verleih
Fabian Busch
Über die Kunst, sich treiben zu lassen
Interview: Liegen lernen, in Bewegung bleiben
Mit einer Rolle in Hans-Christian Schmids "23 - nichts ist so wie es scheint" sorgte Fabian Busch erstmals beim Kinopublikum für Aufsehen. Der heute 27-jährige gebürtige Berliner war seitdem immer wieder in interessanten deutschen Kinofilmen wie Achim von Borries "England!" und Rainer Kaufmanns "Kalt ist der Abendhauch" zu sehen. In "Liegen lernen" spielt er einen 32-Jährigen, der noch immer seiner Jugendliebe hinterher trauert und erst begreifen muss, wie man loslässt.
erschienen am 4. 09. 2003
X-Verleih
Fabian Busch in: Liegen lernen
Ricore Medien: "Liegen lernen" stellt nicht zuletzt die 80er Jahre dar. Welche Assoziationen verbindest du mit dieser Zeit?

Fabian Busch: Ich bin im Osten Deutschlands groß geworden und war 1989 14 Jahre alt. Ich hab die 80er Jahre mit all ihren Einzelheiten also gar nicht wirklich miterlebt. Ich finde es eine unglaublich spannende Zeit und bin weit davon entfernt, die 80er Jahre als langweilig zu verteufeln. Die Menschen hatten eine politische Meinung und haben für etwas gekämpft,. Das ist heutzutage selten geworden. Die 80er Jahre geben viel Stoff her für Filme. Man darf nicht in diese Haltung verfallen: Oh, Gott, jetzt kommen wegen des 80er-Jahre Revivals dauernd Filme darüber. Es sind einfach Filme, und die können spannende Geschichten erzählen, auch wenn sie in den 80er Jahren spielen. Man darf sie dann halt nicht als Nummern-Revue abfeiern, was Hendrik Handloegten bei "Liegen lernen" auch vermieden hat. Es ist vielmehr der Hintergrund einer Geschichte, die sich um die Hauptfigur Helmut dreht - und das kann genauso in den 50er oder in den 20er Jahren spielen. Männer, die so sind wie Helmut, hat es immer gegeben.

Ricore: Ist Helmuts Verhalten also deiner Meinung nach typisch männlich?

Busch: So wie ich das aus meinem Freundeskreis kenne und beobachte, glaube ich, dass es viele solche Männer gibt. Ich will das nicht pauschalisieren. Aber es ist sicherlich ein Verhalten, was vielen Frauen bekannt vorkommt, und in dem sich viele Männer wiedererkennen.
X-Verleih
Fabian Busch in: Liegen lernen
Ricore: Ist dir deine Figur Helmut denn sympathisch?

Busch: Es war die Herausforderung, ihn sympathisch hinzukriegen - oder zumindest so, dass man bereit ist, ihm 90 Minuten zu folgen. Er ist ja eigentlich schon ein ziemlich unsympathischer Typ. Da muss man eben gucken, wie man eine gewisse Sympathie aufbauen kann. Ich hatte mir überlegt, dass es über diese Ehrlichkeit funktionieren kann: Helmut ist zwar krass zu den Frauen, aber gleichzeitig auch ehrlich: Wenn Gisela ins Zimmer kommt und ihn mit Barbara in Flagranti erwischt, versucht er nicht, eine Ausrede zu finden oder sich unter der Bettdecke zu verstecken. Sondern er steht einfach so da: "Hier bin ich. Das war jetzt hart, aber so ist es." Ich könnte mir vorstellen, dass man dieses Verhalten honoriert.

Ricore: Sowohl in "Unter der Milchstraße" als auch in "Liegen lernen" spielst du Charaktere, die sich treiben lassen. Sind dir diese Rollen selbst nahe?

Busch: Sagen wir mal so: Es ist mir nicht fern. Ich bin aber auch nicht derjenige, der völlig antriebslos durchs Leben pendelt. So werde ich eben besetzt. Ich bin oft der passive, träumende und naive Typ, der lernt und erwachsen wird. So hat es mit der "Unter der Milchstraße" angefangen, und seitdem hat sich das kontinuierlich durchgezogen, was ich nicht schlimm finde. Es sind immer interessante Rollen gewesen, in denen auch eine Entwicklung war.
X-Verleih
Fabian Busch in: Liegen lernen
Ricore: Wie bist du zur Schauspielerei gekommen?

Busch: 1992 habe ich als 16-Jähriger eine Zeitungsannonce gelesen, in der junge Leute für einen Film gesucht wurden. Ich habe mich beworben und hatte nach mehreren Casting-Runden eine kleine Rolle in dem Kinofilm "Inge, April und Mai". Daraufhin hat mich eine Agentur genommen. Dann hatte ich unheimliches Glück, dass mich M. X. Oberg für "Unter der Milchstraße" entdeckt hat. Das war meine erste Kinohauptrolle. Auch der Film war kommerziell nicht erfolgreich, und es haben ihn nur wenig Leute gesehen. Aber innerhalb der Branche hat mir der Film was gebracht - selbst wenn das blöd klingt. Sowohl Hans-Christian Schmid, mit dem ich "23 - nichts ist so wie es scheint" gedreht habe, als auch Andreas Dresen, mit dem ich "Raus aus der Haut" gemacht habe, mochten "Unter der Milchstraße" und wollten dann mit mir drehen.

Ricore: Warst du denn dann noch auf einer Schauspielschule?

Busch: Ich habe mich einmal bei einer Schauspielschule beworben, um zu sehen, ob ich überhaupt genommen würde. Alle haben mir vorher geraten: 'Du darfst auf keinen Fall sagen, dass du Filme gemacht hast, weil die das schlecht finden.' Ich bin hin, habe vorgespielt und ihnen auch verraten, dass ich Film gemacht habe. Dann haben sie mich fertig gemacht: "Sie werden nie eine Bühnenpräsenz erlangen, sie sind versaut durch den Film." Das ist überspitzt, aber so in etwa war die Kritik nach dem Vorspielen. Da war mir klar, dass ich da nicht hin will. Und dass ich, was die Schauspielerei betrifft, viel zu sehr eine eigene Meinung habe, als dass ich mich noch mal verbiegen lassen könnte, wie es ja bei solchen Schulen erforderlich ist - weil man ja geformt wird. Wenn die mir erzählen, dass man eine Mandarine sein muss, um eine Szene zu spielen - das hätte ich nicht hingekriegt. Ich glaube rückblickend, dass es die richtige Entscheidung war. Ich habe auch viele kritische Stimmen gehört, als ich den Leuten erzählt habe, dass ich mich auf einer Schauspielschule bewerben wollte. Die haben gesagt: "Mann, das ist doch gerade, was wir an dir so mögen: dass du manchmal so ein bisschen rumnuschelst."
X-Verleih
Fabian Busch in: Liegen lernen
Ricore: Hast du neue Filmprojekte in Planung?

Busch: Nein. Ich habe schöne Drehbücher, die zu Hause liegen, und von denen eins vielleicht im Herbst finanziert wird. Aber es sieht momentan eher schlecht aus.

Ricore: Wie geht es denn dann bei dir weiter?

Busch: Ich bleibe geistig in Bewegung - und fahre beispielsweise in den Urlaub. Man muss das halt selbst in die Hand nehmen. Man darf nicht zu Hause sitzen, die Hände überm Kopf zusammenschlagen und sich sagen: Scheiße, ich hab keine Arbeit. Ich versuche zusammen mit ein paar Schauspielern, Drehbücher zu entwickeln. Aber das sind momentan noch mehr so Kopfsachen. Das meine ich mit geistig in Bewegung bleiben: Nicht zu Hause zu sitzen und die Wand anzustarren. Das passiert mir aber auch nicht. Ich bin da relativ entspannt. Nach dem Motto: Still halten. Nichts tun. Liegen lernen, um in Bewegung zu bleiben.
erschienen am 4. September 2003
Zum Thema
Geboren in Ost-Berlin, DDR.
Liegen lernen (Kinofilm)
In Hendrik Handloegtens Verfilmung des gleichnamigen Romans von Frank Goosen spielen 80er Jahre der Zauberwürfel und Fönfrisuren nur eine nebensächliche Rolle. Handloegten konzentriert sich vielmehr auf die Liebesleiden seiner Hauptfigur Helmut - und inszeniert dabei eine unterhaltsame und ehrliche Komödie, die immer wieder an Stephen Frears' "High Fidelity" erinnert.
2024