Warner Bros.
Sandra Bullock in "Das Haus am See"
Gute Geschichten entstehen aus Problemen
Interview: Soziale Themen: David Auburn
Das Drama "The Girl in the Park" dreht sich um eine Familie, die sich nach einem schweren Schicksalsschlag ein neues Leben aufbaut. Für sein Regiedebüt konnte Drehbuchautor David Auburn Sigourney Weaver und Kate Bosworth vor die Kamera locken. Filmreporter.de sprach mit Drehbuchautor und Pulitzer-Preis-Gewinner Auburn über den kreativen Prozess und das Schlimmste, was einer Familie passieren kann.
erschienen am 23. 06. 2008
Barbara Mayr/Ricore Text
David Auburn weiß was er will
Filmreporter.de: Sind Sie zum ersten Mal in Deutschland?

David Auburn: Nein, ich war schon zwei Mal hier, auch einmal in München. Damals reiste ich ein wenig herum. Aber auf dem Filmfest bin ich zum ersten Mal.

Filmreporter.de: "The Girl in the Park" ist ihr Regiedebüt. Wie kam es, dass Sie vom Drehbuchautor ins Regiefach wechselten?

Auburn: Ich habe Filme schon immer geliebt und wollte immer selbst einen machen. Ich habe einige Jahre in einem Theater gearbeitet und viele Drehbücher gelesen. Wenn man Kontrolle über einen Film haben will, muss man auch selbst Regie führen. Das Drehbuch habe ich mit dem Bewusstsein geschrieben, es selbst verfilmen zu wollen. Dann habe ich es einigen Leuten gezeigt und schließlich einen Geldgeber gefunden.

Filmreporter.de: War es eine völlig neue Erfahrung für Sie?

Auburn: Ja, komplett neu. Ich habe zwar vorher im Theater Regie geführt, aber das ist etwas ganz anderes. Ich musste viel lernen, aber ich hatte auch Hilfe. Kameramann Stuart Dryburgh war großartig und hat mir stets das Gefühl gegeben, dass es richtig ist, was ich gerade tue. Er hat mir durch die schwierigen Zeiten geholfen, ich hatte großes Glück.
Barbara Mayr/Ricore Text
David Auburn auf dem Filmfest München 2008
Filmreporter.de: Haben Sie im Vorfeld viel recherchiert?

Auburn: Nein, eigentlich gar nicht. Ich wollte einfach einen Film über eine Mutter-Tochter-Beziehung machen, die allerdings ein bisschen verdreht ist. Außerdem wollte ich einen Film machen, in dem ein großer Sprung in der Handlung passiert. Vom dramatischen Ereignis zu Beginn zur weit entfernten Zukunft. Ich wollte zeigen, wie die Charaktere nach vielen Jahren ihr Leben neu aufgebaut haben, oder auch nicht. Aus diesen zwei Ursprungsideen hat sich die Geschichte entwickelt. Bei der Entwicklung der Charaktere habe ich mich gefragt, wie ich selbst in so einer Situation reagieren würde. Und dann eine möglichst ehrliche Antwort gegeben.

Filmreporter.de: Der Film ist ein Wechselspiel zwischen tragischen und komischen Momenten. War das eine besondere Herausforderung für Sie und die Schauspieler?

Auburn: Sigourneys Rolle war auf jeden Fall schwer. Ich habe ihr immer gesagt, das wichtigste an ihrer Rolle ist, dass die Figur genau weiß, was sie tut. Sie ist nicht verrückt, sondern höchst intelligent. Sie spielt ein Spiel und versucht, die Fiktion aufrecht zu erhalten, dass dieses Mädchen ihre Tochter ist. Sie weiß, dass es eigentlich unmöglich ist, aber so zu tun, als ob, fühlt sich gut an. Die Tatsache, dass sie genau weiß, was sie tut, macht Platz für den Humor. Kates Charakter weiß gar nicht, warum diese Frau all dies macht. Für sie ist das sehr merkwürdig, aber sie will das Beste daraus machen. Die Situation, in der sich die beiden befinden, ist sehr interessant.
Warner Bros. Pictures
Das Haus am See
Filmreporter.de: In den letzten Jahren haben sich einige Filme mit dem Verlust eines Kindes auseinander gesetzt...

Auburn: Der Verlust eines Kindes ist ein Charakteristikum des modernen Lebens. Für Eltern gibt es keinen schlimmeren Albtraum. Es ist interessant, wie verschiedene Menschen auf die gleiche Situation reagieren. Julia wird verhaftet, weil sie mit den Kindern gesprochen hat. In New York würden Eltern so reagieren. Ich weiß nicht inwieweit das für die Zuschauer, insbesondere Nicht-Eltern, nachvollziehbar ist. Man könnte auch sagen: "Sie hat gar nichts Falsches gemacht, also warum tut ihr das?" Daran scheiden sich die Geister.

Filmreporter.de: Der Vater reagiert ganz anders auf den Tod des Kindes als die Mutter. Gehen Männer generell anders mit einem Schicksalsschlag um als Frauen?

Auburn: Ich habe nie darüber nachgedacht, ob es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt. Bei diesen speziellen Charakteren ist es eben so.

Filmreporter.de: Haben Sie bereits neue Pläne für ein Drehbuch, das Sie dann auch wieder selbst verfilmen?

Auburn: Das würde ich gerne wieder machen, aber mein nächstes Drehbuch wird von einem anderen Regisseur umgesetzt.
Barbara Mayr/Ricore Text
David Auburn
Filmreporter.de: Können Sie sich vorstellen, das Drehbuch eines anderen Autoren zu verfilmen?

Auburn: Absolut. Es funktioniert in beide Richtungen. Es kann sehr spannend sein, zu sehen, was ein anderer Regisseur aus dem eigenen Drehbuch macht. Aber ich mache es am liebsten selbst, wie ich auch am liebsten meine eigenen Fehler mache und erkenne. Ich hatte auch einige Szenen im Drehbuch, die nicht ausgefeilt waren. So kann man am Set improvisieren und verschiedene Dinge ausprobieren. Einige meiner Lieblingsszenen sind so entstanden, spontan in der Zusammenarbeit am Set. Die Verhaftungsszene zum Beispiel ist im Script nur angedeutet, es gab keine Dialoge dazu.

Filmreporter.de: Wäre "Das Haus am See" ein anderer Film geworden, wenn Sie nicht nur das Drehbuch geschrieben, sondern auch die Regie übernommen hätten?

Auburn: Natürlich. Durch Alejandro Agresti bekam der Film diese europäische, Hollywood-untypische Sensibilität, diese besondere, mysteriöse Stimmung. Agresti dreht auf eine ganz eigene Art, mit langen Takes, ohne große Absicherungen. Mir hat das Ergebnis gefallen.

Filmreporter.de: Sie haben den Pulitzer-Preis im Dramafach sowie den Tony Award gewonnen. Wie wichtig sind Ihnen persönlich diese Preise?

Auburn: Sie sind wichtig, weil man danach andere tolle Projekte verwirklichen kann. Ich will einfach arbeiten, und bin sehr dankbar, dass mir diese Preise dabei helfen.

Filmreporter.de: Sind Sie nervös, wenn Sie Ihre Filme zum ersten Mal im Kino sehen?

Auburn: Ja, sehr. Aber man kann nur hoffen, dass die Leute so reagieren, wie man es sich vorstellt. Das ist sehr aufregend.
Filmreporter.de: War es für Sie als Erstlingsregisseur schwer, Sigourney Weaver für Ihr Projekt zu gewinnen?

Auburn: Eigentlich war es einfach. Sie las das Drehbuch und sagte zu. Sie hat mir gegenüber auch nie erwähnt, dass Sie sich Sorgen macht, weil es mein erster Film ist. Sigourney hat schon in vielen großen Produktionen mitgemacht, aber sie war immer offen für Independent-Projekte, die unterstützt sie oft und gerne. Das hat natürlich sehr geholfen.

Filmreporter.de: Woher holen Sie sich die Inspiration für Ihre Themen?

Auburn: Meine Themen entstehen meistens aus Problemen, aus Dingen, die mir Sorgen machen, die mich beschäftigen. Man überlegt sich, was man machen würde, wenn so etwas geschähe.

Filmreporter.de: Besprechen Sie ihre Entwürfe mit ihrer Familie oder Freunden?

Auburn: Ja, ich zeige meinen Freunden, meiner Frau und Familie Auszüge meiner Arbeit und will so viel Feedback wie möglich.

Filmreporter.de: Sind Sie lieber Drehbuchautor oder Regisseur?

Auburn: Ich mag die soziale Komponente des Regierführens sehr gerne. Ich gehe gerne raus und arbeite mit anderen Menschen zusammen. Die Kombination von beidem ist das Beste.

Filmreporter.de: Sperren Sie sich beim Schreiben in ein Kämmerlein ein und schotten sich ab, wie es manchmal das Klischee eines Drehbuchautors vermitteln will?

Auburn: Bevor ich Kinder hatte, war es so. Aber jetzt bringe ich meine Kleinen zur Schule, koche, gehe einkaufen und arbeite vier bis fünf Stunden am Tag. Ich arbeite jetzt ernsthafter, weil ich nur eine bestimmte Zeit dafür zur Verfügung habe.

Filmreporter.de: Können Sie sich vorstellen, auch einen Kinderfilm zu drehen?

Auburn: Ja, darüber habe ich schon nachgedacht. Ich erzähle meinen Kindern gerne Geschichten, das könnte ich mir schon vorstellen.
erschienen am 23. Juni 2008
Zum Thema
David Auburn kommt eigentlich aus der Theaterecke. Er verfasste mehrere Bühnenstücke und führte bei einigen gar Regie. 2001 erhielt er für das Stück "Proof" den Tony Award und den Pulitzer Prize for Drama. Dennoch faszinierte ihn seit jeher der Film. 2007 wagte er sein Spielfilm-Regiedebüt mit "The Girl in the Park". Für die Hauptrolle konnte er keine Geringere als Sigourney Weaver gewinnen.
2024