Constantin Film
Anke Engelke
Mit 13 fanden mich alle ätzend
Interview: Oliver Pocher ist sensationell
Viele halten Anke Engelke für die einzige lustige Frau im deutschen Fernsehen. Bekannt wurde sie durch ihre Teilnahme an der "Wochenshow", ein "Blind Date" mit Olli Dittrich bescherte ihr den Adolf Grimme Preis. Auch "Ladykracher" war erfolgreich, nur ihre Late Night Show scheiterte an den Quoten. Engelke ist ein fester Bestandteil der deutschen Fernsehlandschaft, aber auch auf der Leinwand ist sie gelegentlich vertreten. So spielt sie in der Komödie "Freche Mädchen" eine chaotische Mutter, die sich in den Referendar ihrer Tochter verliebt. Wir unterhielten uns mit der Wahl-Kölnerin über Teenie-Probleme und ihre Schauspielkarriere.
erschienen am 13. 07. 2008
Constantin Film
Anke Engelke als hippe Mutter in "Freche Mädchen"
Ricore: Was hat Ihnen an der Rolle von Milas Mutter in "Freche Mädchen" gefallen?

Anke Engelke: Mir hat gefallen, dass sie eine Frau ist, die auf sympathische Art verwirrt ist. Ich mag solche Figuren. Ich mag es, wenn Menschen nicht perfekt sind und auch nicht danach streben. Und Ich mag die ungewöhnliche Beziehung zwischen Mila und ihrer Mutter. Mila muss mehr Verantwortung übernehmen, als man das in diesem Alter eigentlich sollte. Sie geht damit souverän und sympathisch um. Wahrscheinlich mag ich es einfach, wenn Figuren ein bisschen neben der Spur sind. Und das ist bei Milas Mutter der Fall.

Ricore: Wie finden Sie es, wenn sich kleine Mädchen in ihren Lehrer verlieben? Anke

Engelke: Ich glaube, das ist recht normal und grundsätzlich auch nicht schlimm. So was kann ja auch Jungs passieren. Lehrer sind immerhin Menschen, mit denen die Kinder sehr viel Zeit verbringen. Im Idealfall sind Lehrer Leute, die von den Kindern respektiert werden. Dass Erwachsene respektiert werden, ist ja im Teenageralter nicht der Normalfall. Da sind Erwachsene erst mal ein bisschen doof, da man Probleme hat mit dem eigenen Erwachsenwerden und eigentlich keine Lust auf andere Erwachsene. Mit den Eltern läuft es in dem Alter auch nicht immer so harmonisch. Insofern ist es sehr verständlich, wenn man dann eine Lehrerin oder einen Lehrer findet, für den man Sympathie empfindet. Ich denke, grundsätzlich sollte man so etwas nicht verfluchen und demagogisch losstänkern: "So etwas darf nicht passieren und es ist schlecht, wenn das passiert."
Constantin Film
Freche Mädchen
Ricore: Können Sie das anhand von "Freche Mädchen" erklären? Anke

Engelke: Das ist schön stringent erzählt im Film. Mila ist durch ihre Freundinnen mit dem Thema "erste Liebe" konfrontiert, stolpert aber ein bisschen hinterher, weil sie die Jungs in der eigenen Klasse nicht so toll findet. Dieser neue Lehrer dagegen ist lässig, sieht wirklich klasse aus und taucht im richtigen Moment auf. Es entsteht ein Dilemma - auch aus der Konfrontation mit der Mutter. Aber man gönnt Mila dieses Glück und dass sie verknallt ist, oder sogar verliebt: Das Verlieben ist etwas Tolles, Mila blüht auf.

Ricore: In Kürze werden Sie in "Lippels Traum" zu sehen sein. Ist ihre Rolle der Frau Jakob wieder eine komische Rolle? Anke

Engelke: Ich gehe selten mit der Prämisse an eine Figur, dass sie komisch ist. Es gibt auch Figuren, bei denen man erst nicht glaubt, dass es was zu lachen gibt oder dass sie Komik in sich tragen. Gerade die Menschen, die glauben, dass sie extrem ernsthaft sind - gerade die verleiten oft zum Lachen. Der Alltag liefert soviel Komik, da weiß man oft doch gar nicht, was geplant ist oder spontan und situativ. So ist das auch bei meinen Rollen. Ich freue mich immer, wenn sich die Komik aus der Situation entwickelt. Und der Zuschauer darf sich auch nicht gedrängt dazu fühlen, etwas lustig finden und sich zwanghaft vor Lachen nach hinten werfen zu müssen. Das finde ich ganz unangenehm, z.B. im Kino, wenn von vornherein klar ist, wann es garantiert lustig wird. Witze mit Ansage. Damit habe ich ein Problem. Deshalb mag ich die Figur der Frau Jakob so gern: Sie ist unfreiwillig komisch. Sie ist eine sehr strenge Frau, die von sich niemals behaupten würde, dass sie komisch sei. Von außen betrachtet ist es anders, weil sie durch ihr autoritäres Verhalten manchmal auch peinlich, lächerlich, bedauernswert, aber auch tragisch ist. Und das hat oftmals was Komisches. Ich denke, dass die Kinder Lachen werden, wenn sie auftritt, denn sie ist manchmal richtig bescheuert und hat ein paar blöde Macken.
20th Century Fox
Anke Engelke versteht ihr Fach
Ricore: Können Sie kurz sagen, um was es in "Lippels Traum" geht? Anke

Engelke: Das ist ein Film nach einer Romanvorlage von Paul Maar in der es um die Abenteuer des kleinen elf-jährigen Philipp, genannt "Lippel" geht. Er lebt mit seinem Vater zusammen, einem erfolgreichen, fast schon prominenten Koch, gespielt von Moritz Bleibtreu, und muss ein paar Tage ohne ihn auskommen, da er für eine Woche nach Amerika verreist. Kurzfristig muss eine andere Haushälterin einspringen, um sich um Philipp und den Haushalt zu kümmern. Diese neue Haushälterin bin ich, beziehungsweise Frau Jakob. Die Beiden kommen allerdings überhaupt nicht klar, weil Frau Jakob wirklich sehr unangenehm ist. Philipp hat von seinem Vater das Buch von "1001 Nacht" geschenkt bekommen, taucht ein in dieses Buch und flieht in seinen Träumen in die dort beschriebene orientalische Welt. Dort tauchen die Personen aus seinem realen Leben auf, allerdings in anderen Rollen. Sein Vater ist ein König, zwei Mitschüler seiner Klasse sind die Kinder des Königs und er ist deren Freund. Frau Jakob ist eine böse Tante und der erklärte Feind der Kinder. Philipp bewältigt in seinen Träumen immer mehr Konflikte, die er im Leben niemals bewältigen könnte. So ergänzen sich Traum und Wirklichkeit. Die orientalischen Szenen wurden in Marokko gedreht, der Film ist also eine Reise in Lippels Seele und in seine Traumwelt.

Ricore: Warum ist "Freche Mädchen" ein besonderer Film?

Engelke: Der Film nimmt die Mädchen ernst, denn sie sind nicht nur die Protagonistinnen, sondern der Film spielt tatsächlich in ihrer Gedankenwelt. Ich hatte manchmal als Erwachsene den Eindruck, ich sei fremd in dieser Mädchenwelt, ein Eindringling. Ich hatte Gedanken wie: "So ist das also, wenn ein Neuer in die Klasse kommt, wenn ein Lehrer ein bisschen jünger und einfach ein toller Typ ist." Dann gibt es da noch die Sicht der Mädchen auf die eigenen Eltern und auf Erwachsene generell. Darüber reden Jugendliche natürlich nicht mit ihren Eltern. Zwischen zwölf und sechzehn haben die einfach keine Lust, irgendetwas zu erzählen. Und Eltern haben in solchen Situationen häufig kein Verständnis. Teenager brauchen nun mal ein Feindbild, dafür müssen dann eben die Eltern herhalten. Die kapieren natürlich überhaupt nichts und machen immer alles falsch. Aber die eigenen Eltern müssen einem unbedingt peinlich sein. Deshalb ist es bestimmt nicht leicht, wenn die eigene Mutter auch mal ein bisschen hip ist. Es tut einfach gut, zu den Freundinnen zu gehen, über die Eltern zu schimpfen und beim Gedanken an die eigene Mutter die Augen zu verdrehen. Natürlich will jede Mutter, will jeder Vater helfen, wenn ein Kind Probleme hat. Aber was tut man, wenn mal zwischen Kindern und Erwachsenen alles schief läuft? Mila haut z.B. vor Kummer und Wut ab und so muss sich ihre Mutter fragen, ob sie das akzeptieren soll, oder ob zuviel Verständnis auch als Desinteresse interpretiert werden kann. Dieser Film lebt die scheinbar kleinen Konflikte richtig aus. Es gibt wirklich schöne Szenen mit den drei Freundinnen, die sich miteinander austauschen. Ich kam mir beim Schauen des Films manchmal so vor, als würde ich stören, wenn ich ihnen dabei zusehe. Eine weitere wichtige Frage in "Freche Mädchen": Was ist angesagt, was ist cool, was ist richtig?
20th Century Fox
Die Simpsons - Der Film
Ricore: Was halten Sie von Casting-Shows?

Engelke: Ich glaube, es ist zu hinterfragen, ob es wirklich so cool ist, ein Superstar sein zu wollen. Als ich in dem Alter war, mit 13, habe ich zwar schon beim Fernsehen gearbeitet, aber ich war kein Star. Natürlich wurde ich von meinen Mitschülern geärgert. Die fanden das total ätzend. Es gab auch noch nicht so viele Fernsehsender und was ich da im Ferienprogramm gemacht habe hat jeder mitgekriegt. Da konnte ich mich nicht verstecken. Alle sind davon ausgegangen, dass ich mich ganz toll finde, wegen dem, was ich tat, aber ich fand das gar nicht so besonders. Aufregend ja, aber nicht besonders. Meine Eltern mochten das Showgeschäft sowieso nicht und haben mich sehr gut gebremst. Für meine Eltern war das ein Hobby oder Ferienjob wie jeder andere und es kam darauf an, dass ich rechtzeitig zu Hause war und meine Schularbeiten gemacht habe. Starruhm und Karriere waren überhaupt kein Thema. Dagegen scheint es heute vielen Eltern um das Starsein zu gehen, nicht um das Fördern von Interessen und Talenten, und das färbt blöderweise auf die Kinder ab.

Ricore: Überbewerten junge Mädchen das Fernsehen?

Engelke: Nicht nur junge Mädchen, die meisten Menschen bewerten es über und richten ihr Weltbild eventuell zu sehr nach all dem Müll, der da rauskommt.
20th Century Fox
Anke Engelke
Ricore: Legen Sie Ihren Schwerpunkt jetzt eher auf Kinofilme?

Engelke: Nein, das hält sich eigentlich in der Waage. Für das Fernsehen mache ich jetzt wieder "Ladykracher" und den Krimi, das sind immerhin zwei Folgen im Jahr. Für "Die Simpsons" synchronisiere ich z.B. nächste Woche wieder. Durch einen Kinofilm ist man natürlich immer präsenter, weil die Promotion gut funktioniert. Beim Fernsehen kann man nicht genau sagen, was aktuell ist und was nicht, weil immer wieder Wiederholungen laufen. Man scheint darin omnipräsent zu sein. Ich denke, insgesamt bin ich eher eine Fernsehfrau.

Ricore: Bei der Oscar-Verleihung standen Sie schon am roten Teppich. Mit wem haben Sie am liebsten gesprochen? Wen fanden Sie am tollsten?

Engelke: Man muss davon ausgehen, dass die alle nicht echt sind, wenn sie über den roten Teppich gehen. Die Stars wissen, dass da eine Kamera und ein Mikrofon sind und dass viele Leute zu sehen. Sie werden sich dort nie als private Person geben oder echt sein. Das sind einfach alles sehr gute Schauspieler. Besonders gut spielt Leonardo DiCaprio. Der war so freundlich und charmant und hat sogar Deutsch mit mir gesprochen. Er war so freundlich, das war schon erschreckend.

Ricore: Wie finden Sie "Schmidt & Pocher"?

Engelke: Ich finde die beiden super. Oliver Pocher ist sensationell. Er ist extrem talentiert, wild und mutig. Ob die Sendung mit ihm lustiger geworden ist, kann ich nicht sagen.
erschienen am 13. Juli 2008
Zum Thema
Freche Mädchen (Kinofilm)
Ute Wieland zeigt ein lustiges und einfühlsames Porträt einer Mädchenclique in der Pubertät. Die besteht aus drei besten Freundinnen, die wie Pech und Schwefel zusammen halten. Alles wäre in Ordnung, wäre da nicht der ständige Stress mit den Jungs. Die sind entweder verfressen, Machos, wohnen zu weit weg oder sind im schlimmsten Fall der neue Referendar der Schule. Im allerschlimmsten Fall würden die etwas mit der eigenen Mutter anfangen. Das Gefühlschaos ist da vorprogrammiert.
Lippels Traum (Kinofilm)
Der elfjährige Lippel (Alexander Seidel) muss sich notgedrungen mit der neuen Haushälterin Frau Jakob (Anke Engelke) vertragen. Sein Vater (Moritz Bleibtreu) ist geschäftlich verreist und nicht nur die gestrenge Aufsichtsperson macht ihm das Leben zur Qual. Nachts jedoch findet der fantasievolle Junge Zuflucht in seiner Traumwelt. Nach einer Vorlage von Kinderbuchautor Paul Maar inszeniert Regisseur Lars Büchel einen Film fürs junge Kinopublikum leider ohne besondere Nachhaltigkeit.
Gott segne den Kinderchor. Vielleicht wäre eine der bekanntesten deutschen Komödiantinnen sonst nie entdeckt worden. Anke Engelke wurde nach einem selbstbewussten Auftritt als Chorsängerin für das tägliche Kinderprogramm des Blind Date". 2004 übernahm Engelke mit einer eigenen Late-Night-Show den Sendeplatz von Harald Schmidt, scheiterte aber an den Einschaltquoten.Findet Nemo" und der Fortsetzung "Findet Dorie".
2024