Walt Disney Studios Motion Pictures
Wall-E und Eve
Ben Burtt: inspiriert von Arthur C. Clarke
Interview: Magisches Lichtschwert
Ben Burtt ist der wohl bekannteste Sound-Designer der Filmgeschichte. Er kreierte nicht nur sämtliche "Star Wars"-Geräusche und Töne, sondern zeichnet sich auch für den neuen Pixar-Film "Wall-E - Der Letzte räumt die Erde auf" verantwortlich. Am Anfang allerdings nur widerwillig. Warum ihn Regisseur Andrew Stanton überzeugen musste und warum Burtt nach "Star Wars" eigentlich nie wieder mit Robotern und Raumschiffen arbeiten wollte, erklärt er uns in einem interessanten und informativen Gespräch.
erschienen am 24. 10. 2008
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Wall-E - Der Letzte räumt die Erde auf
Filmreporter.de: Haben Sie immer ein Diktiergerät bei sich, um Töne aufzunehmen?

Ben Burtt: Ich achte immer darauf, was ich gerade höre, da man die besten Töne oder Sounds zufällig trifft. Ich habe normalerweise immer ein Aufnahmegerät dabei, denn jegliche Art von Entdeckung ist nützlich für jemanden wie mich. Auch wenn ich gerade nicht an einem Film arbeite, nehme ich Töne auf und speichere sie auf meinem Computer ab, man weiß ja nie, wann der nächste Film kommt. Es könnte ja schließlich alles interessant sein. In meiner Karriere habe ich schon viele Fantasy-Filme gemacht. Da steht man immer vor unbekannten Problemen. Und die Technik geht dahin, dass man meistens reale Sounds verwendet, die man irgendwo aufgenommen hat. Man ändert sie ein wenig, und setzt sie in einen neuen Kontext, eben in die Fantasywelt. Das verleiht den Filmen eine gewisse Glaubwürdigkeit. Das Publikum erkennt die Töne natürlich, wenn sie sie auch nicht identifizieren können. Sie glauben, dass es real ist und haben dann den Eindruck, dass das Raumschiff echt ist. Das ist etwas, was ich bei meiner Arbeit während "Star Wars"-Serie entdeckt habe und jetzt bei "Wall-E" natürlich perfekt einsetzen konnte.

Filmreporter.de: Als Sie mit der Arbeit zu "Wall-E" angefangen haben, hatten Sie bestimmte Ideen, was seinen Ton betrifft?

Burtt: Den ersten Kontakt mit "Wall-E" hatte ich vor drei Jahren, als es noch gar keine Animationen zum Film gab. Lediglich das Storyboard war vorhanden. Andrew Stanton hat mir gesagt, was er sich vorstellt und wie der Charakter aussehen sollte. Ich habe einige Bilder gesehen, um eine Idee bekommen. Wenn man zum ersten Mal etwas über eine Figur hört, mit der man arbeiten soll, dann entwickeln sich erste Vorstellungen oder man erinnert sich an etwas, was man mal gehört hat.

Filmreporter.de: Hat Ihnen Andrew Stanton Geräusche vorgemacht, die er sich für "Wall-E" vorstellte?

Burtt: Alle Filmemacher tun das, denn es gibt kaum Worte, um Geräusche oder Töne zu beschreiben, aber genug, um zu beschreiben was wir sehen. Ich liebe aber die Improvisation. Ich habe ein Keyboard, auf der ich keine Musik habe, sondern Hörproben von allerlei Geräuschen und Sounds, wie Unfälle, Metalle, Flugzeugen und so weiter. Wenn ich dann weiß, an welchem Film ich arbeiten soll, beginne ich konkret zu sammeln und zu improvisieren. Ich spiele mit den Tönen und hoffe auf Neuentdeckungen. Ich habe mich beispielsweise hingesetzt und gedacht, ich arbeite jetzt an Wall-Es Stimme. Aber plötzlich hörte ich etwas, das super zum Autopiloten passte. So habe ich an seiner Stimme gearbeitet, ohne es zu merken.
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Wall-E - Der Letzte räumt die Erde auf
Filmreporter.de: Wie viele Soundfiles benötigten Sie für diesen Film?

Burtt: Rund 2.600 neue Soundfiles, das ist sehr viel. So viele hatte ich noch bei keinem Film, da hier viele Charaktere aber gleichzeitig wenige Dialoge waren. Es war sehr klug, mich früh in den Prozess einzubinden. So konnte ich verschiedene Sounds von Wall-E machen, wie er fährt oder Müll zusammensucht. Dann wurden Test-Animationen erstellt und geschaut, wie alles zusammenpasst. Ich konnte die Kraft der Animationen sehen, was mich wiederum inspirierte, die Geräuschkulisse und die Töne zu ändern und etwas Neues auszuprobieren. Ich habe zum Beispiel Soundfiles der Charaktere erstellt und diese dann zu Andrew geschickt. Es war so, als würden sich die Figuren vorstellen und für die Rolle vorsprechen, das war schon sehr komisch. Es war großartig, die Sounds gleichzeitig mit der Geschichte zu entwickeln.

Filmreporter.de: Als Sie zuerst von "Wall-E" gehört haben, dachten Sie sich, nicht schon wieder ein Roboterfilm?

Burtt: Oh ja, ich habe zu dieser Zeit an den "Star Wars"-Filmen gearbeitet. Sounds für Roboter oder Aliens zu kreieren, ist immer sehr schwierig. Das Publikum ist sehr kritisch, was Dialoge betrifft. Ich würde lieber Explosionen machen. Ich beendete das letzte "Star Wars"-Abenteuer, kam nach Hause und dachte mir: "Großartig, nie wieder Roboter, nie wieder Raumfahrzeuge". Und dann kam ein Anruf von Andrew. Er sagte mir: "Hey, wir haben einen neuen Pixar-Film." Ich fragte ihn, worüber er handle und er sagte mir: "Roboter". Aber es war natürlich eine ganz andere Arbeit, so konnte ich nicht Nein sagen. Ich liebe die Pixar-Filme, ich finde, die Leute machen einen großartigen Job.

Filmreporter.de: Wall-E hat unter anderem auch den Mac-Sound von Apple. Wie kam es dazu? Ist das ein Wink?

Burtt: Das war eigentlich Andrews Idee, er brachte den Sound mit. Natürlich ist es ein Wink. Er hatte Steve Jobs angerufen und gefragt, ob wir den Sound verwenden dürfen. Und Steve gab uns seine Zusage. Natürlich soll das witzig sein, die Verbindung mit Apple.

Filmreporter.de: Wall-E hat diesen Sound und Eve ist offensichtlich von Apple inspiriert…

Burtt: Ja, sie schaut aus wie ein iPod.
Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
Das Team um Wall-E: Jim Morris, Andrew Stanton, Lindsey Collins, Ben Burtt
Filmreporter.de: Ist es auch eine Anspielung auf die Kreativität von Pixar, die ebenso wie Apple immer wieder neue Maßstäbe setzen will?

Burtt: Sicherlich, Apple ist sehr stimulierend, kreiert immer wieder ungewöhnliche Formen. Steve Jobs ist ebenso wie John Lasseter und seine Mannschaft bei Pixar kreativ und einfallsreich. Sie machen anständige Filme und es herrscht eine positive Atmosphäre. Stets begegnet man lachenden Gesichter, von Ärger oder Zorn kaum eine Spur. Und das, obwohl sie beinahe Tag und Nacht arbeiten, denn als Animator hat man nie Pause. Pixar ist ein angenehmer Ort, um zu arbeiten. Das Unternehmen sprüht nur so vor Humor. Das ist sehr ungewöhnlich. Ich habe auch für Firmen gearbeitet, wo es dunkel zuging und man sich die ganze Zeit bedroht fühlte. Das ist aber eine andere Geschichte.

Filmreporter.de: Was ist Ihr bisher erfolgreichster Sound? Wo hat das Publikum am meisten reagiert?

Burtt: Ich denke, das ist sicherlich das Lichtschwert bei "Star Wars". Ich glaube, dieser Sound steckt dem Publikum immer noch im Gedächtnis. Ironischerweise war dies der erste Sound, den ich für "Star Wars" kreiert habe, damals war ich fast noch Student. Aber man sieht heute oftmals noch Kinder kämpfen, die diesen Sound nachahmen. Auch Ewan McGregor und Liam Neeson machten dieses Geräusch nach, als sie zum Set kamen. Ich musste sie bitten, damit aufzuhören, da es sehr nervig war.

Filmreporter.de: Wie haben Sie diesen Sound hergestellt?

Burtt: Ich habe damals halbtägig als Filmvorführer gearbeitet. Der Projektor hat dieses ständige Geräusch gemacht. Für mich war er irgendwie magisch. Einige Wochen später habe ich diesen Sound aufgenommen, allerdings war das Kabel vom Mikrofon beschädigt und als ich mein Rekorder und das Aufnahmegerät anmachte, kam nur dieses Surren heraus. Ich dachte es sei ein Fehler, es hörte sich gefährlich an. Ich mixte das Geräusch und so entstand dann der Grundton vom Lichtschwert. Als ich mehrere Töne übereinander gelegt habe, entstand der Doppler-Effekt und daraus ging jenes Geräusch des schwingenden Lichtschwertes hervor.

Filmreporter.de: Haben Sie Rechte an Ihren Sounds?

Burtt: Nein, diese gehören Lucas Film. Wenn man Töne oder Geräusche für Filme kreiert, gehören diese den Produktionsfirmen. Ich habe auch nie Geld vom Merchandising erhalten. Ich habe mittlerweile über 10.000 Sounds hergestellt, da käme schon sehr viel zusammen, wenn ich bei jedem Ton einen Penny bekäme. Aber das wäre auch gar nicht realisierbar.
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Wall-E ist mehr als eine Schrottsortieranlage
Filmreporter.de: Was war der komplizierteste Sound bei "Wall-E - Der Letzte räumt die Erde auf"?

Burtt: Das war sicherlich Wall-E und Eve, denn in vielen Szenen sieht man sie gemeinsam und man achtet darauf, wie sie kommunizieren. Aber alle Sounds waren ziemlich anspruchsvoll. Eve ist beispielsweise mysteriös. Sie liebt aber auch das Musical. Wenn Sie nach Dingen sucht oder ärgerlich wird, erhalten ihre Gesten andere Töne oder werden bedrohlicher. Ich habe versucht, Sounds zu kreieren, welche diese Gefühle hervorrufen. In diesem Fall basieren sie auf den Charakteren. Das war das schwierigste an der Sache, denn jede Bewegung erfordert einen neuen, anderen Ton. Die Sound-Editoren arbeiteten tagelang nur daran, das alles richtig hinzukriegen. Die Stimmen bilden dabei noch eine andere Schwierigkeitsstufe. Denn das Publikum achtet genau auf die Stimmen, sie hören analytisch zu und können sagen, ob es sich um einen Mann, eine Frau, ein Kind oder eine Maschine handelt.

Filmreporter.de: Haben Sie auch bekannte Töne verwendet?

Burtt: Ja natürlich, bei Wall-E habe ich angefangen, meine eigene Stimme einzusetzen. Sonst war niemand da. Ich saß in einem Eck im Gebäude, isoliert, wie Wall-E, sozusagen Method Acting. Ich arbeitete abgeschottet für einige Tage, niemand kam mich besuchen. Scherz beiseite, Andrew kam alle paar Tage und hat ein neue Sounds abgeholt. Wir haben uns dann zusammengesetzt und alles besprochen.

Filmreporter.de: Der Erfolg des Films liegt unter anderem am gelungenen Sound, in den sich auch Erwachsene reinfühlen können.

Burtt: Natürlich wollen wir erreichen, dass Erwachsene wieder zu Kindern werden. Wenn ich an etwas arbeite, denke ich in erster Linie an mich, und dass ich am Ende zufrieden bin. Andrew ist natürlich derjenige, der alles entscheidet. Er akzeptiert etwas, und lehnt anderes ab. Er hat die Herrschaft über unsere Arbeit. Jeder hat natürlich einen anderen Geschmack und Töne und Geräusche sind sehr subjektiv. Einmal habe ich meine beste Explosion hingekriegt und bin voller Stolz zu ihm hin und Andrew meinte nur, das höre sich nicht gut an. Ich sagte ihm: "Warte einen Moment, das ist großartig!".
Filmreporter.de: Können Sie sich vorstellen, mit Pixar erneut zusammenzuarbeiten, eventuell bei "John Carter of Mars"?

Burtt: Natürlich stehe ich der Science Fiction Welt besonders nahe. Der Großteil der Filme, die ich gemacht habe, waren Science-Fiction-Filme. Fakt ist, dass ich für Pixar arbeite, aber noch keinen Vertrag für ein nächstes, konkretes Projekt habe. Ich versuche aber auch, solche Diskussionen aus dem Weg zu gehen, aus dem einfachen Grund, dass ich müde bin. Ich will endlich mal eine Woche frei haben. Es gibt natürlich Pixar-Projekte, und wahrscheinlich werde ich in ein paar eingebunden werden, aber um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Als mich Pixar engagierte, hoffte ich, bei einigen kleineren Projekten mitmachen zu können. Ich sehe mich selbst auch als allgemeiner Filmemacher. Aber wir werden ja sehen, was die Zukunft bringt.

Filmreporter.de: Wussten Sie schon seit jeher, dass sie Sounddesigner werden wollten?

Burtt: Nein, ich habe es nie in Erwägung gezogen, im Filmbusiness zu arbeiten. Ich wollte Wissenschaftler werden und der NASA angehören. Nach dem College änderte sich meine Meinung. Aber schon als Kind war Film mein großes Hobby. Ich interessierte mich für die Geräusche und die unterschiedlichen Sounds. Mein Vater war Uniprofessor. Als ich sechs oder sieben Jahre alt war, gab er mir einen Kassettenrecorder. Das war für die damalige Zeit, in den 1950er Jahren, sehr ungewöhnlich.

Filmreporter.de: Warum hat er Ihnen diesen geschenkt?

Burtt: Ich war damals krank, musste im Bett liegen und war sehr schwach. Ich konnte fast nichts machen. Ich habe mit Vorliebe Fernsehshows und Filme aufgenommen. Ich bin auch gerne in Autokinos gegangen und habe mein Aufnahmegerät ganz nah an die Boxen gehalten, so erhielt ich eine tolle Qualität. Ich habe es geliebt, Filme anzuhören, denn so erhielten die Bilder für mich eine andere Bedeutung. Das war großes Entertainment. Als Teenager habe ich meinen eigenen Film gemacht. Ich habe einen Projektor bekommen und mehrere Aufnahmegeräte gekauft.
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Eve
Filmreporter.de: Was oder wer hat Sie dazu inspiriert?

Burtt: Im Physiklabor erhielt ich eines Tages einen Besuch von Arthur C. Clarke, dem Science-Fiction-Autor. Zu dieser Zeit kam gerade der Film "2001 - Odyssee im Weltraum" in die Kinos. Er visionierte über die Raumfahrtentwicklungen. Schließlich war er Experte darin. Ich war Student und hing förmlich an seinen Lippen. Wir haben angefangen zu reden und ich war natürlich höchst interessiert am Film. Am Ende gab er mir eine Lektüre, wo genau beschrieben war, wie die visuellen Effekte entwickelt wurden. Alles war natürlich in wissenschaftlichen Termini beschrieben. Ich war fasziniert und merkte, dass Clarke sein Hobby zur Wissenschaft gemacht hat, und dass diese beiden Welten koexistieren konnten. Das war der Punkt, als ich realisierte, dass ich meine Leidenschaft in der Chemie und der Physik mit meinem Hobby kombinieren konnte. Dieses Treffen mit Clarke inspirierte mich. Ich setzte mich hin und versuchte herauszufinden, wie ich das am besten umsetzen konnte.

Filmreporter.de: Wie ging es dann weiter?

Burtt: Nun ja, ich machte einige Filme. Einer von ihnen, ein animierte Science-Fiction-Film, gewann einen nationalen Preis. Ich habe Geld bekommen und konnte mir damit die Uni finanzieren.

Filmreporter.de: Zum Schluss würde mich noch interessieren, welchen Ton Sie auf Ihrem Handy haben?

Burtt: Meinen Klingelton habe ich natürlich selbst gemacht…

Filmreporter.de: Wirklich?

Burtt: Ja, für das iPhone. Steve Jobs rief mich an und sagte mir, er würde einige Klingeltöne benötigen, so habe ich einige designt. Mein Handy habe ich jetzt nicht dabei, sonst könnte ich sie Ihnen vorspielen.

Filmreporter.de: Vielen Dank für das informative Gespräch.
erschienen am 24. Oktober 2008
Zum Thema
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