Jean-François Martin/Ricore Text
Dennis Hopper (Cannes 2008)
Dennis Hopper von Wim Wenders gerettet
Interview: Drei Gramm Kokain täglich
Das erste Mal trafen sich Dennis Hopper und Wim Wenders 1975, ein Jahr vor den Dreharbeiten zu "Der amerikanische Freund". Sie blieben Freunde, auch wenn es über 30 Jahre dauerte, bis sie erneut einen gemeinsamen Film drehten: "Palermo Shooting". Darin spielt Hopper einen müden, aber sympathischen Tod, der einen ausgebrannten Fotografen auf der Suche nach dem Sinn des Lebens verfolgt. Diesen mimt Campino, Frontman der deutschen Rockband "Die Toten Hosen". Mit uns sprach der Schauspieler über sein Leben, die Drogen, "Easy Rider" und das Filmgeschäft.
erschienen am 16. 11. 2008
UIP
Dennis Hopper in "Land of the Dead"
Filmreporter.de: Sie spielen einen richtig netten Tod. Einmal sagen Sie sogar, "Ich bin es leid, immer als der Böse betrachtet zu werden". Denken Sie manchmal ans Sterben?

Dennis Hopper: So ganz geht eine solche Rolle nicht an mir vorbei, ich habe schon manchmal über den Tod nachgedacht. Aber sonst vermeide ich diese Gedanken. Ich lebe in der Gegenwart, sie allein zählt.

Filmreporter.de: Stimmt es, dass Wim Wenders bei "Der amerikanische Freund" Ihr Leben gerettet hat?

Hopper: Ich habe ihm schon einiges zu verdanken. Das ist aber nicht der Grund, warum ich jetzt für ihn vor der Kamera stand. Wim Wenders ist ein toller Regisseur. Vor zwei Jahren musste ich eine Zusammenarbeit aus Termingründen absagen. Diesmal rief er mich an und fragte, ob ich mich zwei Wochen loseisen könnte. Er saß am Drehbuch und musste wissen, ob ich den Part des Todes übernehmen würde. Ich habe zugesagt und Wim schrieb die Rolle für mich. Diesmal ging alles zivilisierter über die Bühne als damals. Als ich 1976 in Hamburg aus dem Flugzeug stieg, kam ich aus dem Dschungel von den Dreharbeiten zu "Apocalypse Now". Ich sah aus wie ein wildes Tier, war körperlich kaputt und mit eitrigen Wunden bedeckt. Wim musste mich erst einmal aufpäppeln und für einen ordentlichen Haarschnitt sorgen. Ich fühlte mich wie in einem Schneesturm, aus dem mich Wim wie ein treu sorgender Bernardiner mit einem Brandyfläschchen um den Hals gerettet hat. Allerdings habe ich während der Dreharbeiten zu "Der amerikanische Freund" einiges an Drogen konsumiert und war oft neben der Spur.

Filmreporter.de: Wie sind Sie in den Drogensumpf geraten?

Hopper: Wenn jemand wie ich aus dem tiefsten Kansas kommt und ein Künstler sein will, denkt er in völlig falschen Kategorien. Er glaubt, mit Drogen und Alkohol seine Kreativität steigern zu können. Ich wollte so richtig tief eintauchen in eine mir fremde Welt der Exzesse, wollte erfahren, was van Gogh antrieb, sich ein Ohr abzuschneiden. Ich habe nichts auslassen, bin durch Höhen und vor allem Tiefen gegangen.
Senator
Palermo Shooting
Filmreporter.de: Wie verloren waren Sie?

Hopper: Wer drei Gramm Kokain am Tag schnupft, 28 Biere in sich reinschüttet und dazu noch zwei Liter Rum, der ist ständig im Rausch. Ich war über jede Grenze gegangen.

Filmreporter.de: Wie sind Sie da wieder raus gekommen?

Hopper: Der Tod meines Vaters half mir. Ihn zu verlieren, war der Wendepunkt.

Filmreporter.de: Stehen Sie zu Ihren wilden Jahren?

Hopper: Ich stehe dazu, habe von diesen Erfahrungen viel gelernt. Aber es war reine Zeitverschwendung, Mir gingen viele berufliche Angebote und Möglichkeiten durch die Lappen.

Filmreporter.de: Würden Sie sagen "I did it my way"?

Hopper: Sagen wir mal so, I did it. Es gibt keinen Grund, stolz darauf zu sein. Aber ich fand mein Leben damals nicht schlecht, es war außer Kontrolle. Ich hatte Blackouts und erinnerte mich am Morgen nicht mehr daran, was am Abend oder in der Nacht passierte. Ich bin jetzt seit 25 Jahren clean, keine Drogen, kein Alkohol. Das ist schon ein anderes, sehr viel leichteres Leben. Ich genieße es, nicht als Freak vor mich hin zu dämmern, sondern jeden Moment richtig bewusst auszukosten. Das ist allerdings schwierig, denn heute leben wir in einer Art Cyberspace und nicht im Moment.
Jean-François Martin/Ricore Text
Dennis Hopper (Cannes 2008)
Filmreporter.de: Was heißt das für Sie, im Moment zu leben?

Hopper: Meine fünfjährige Tochter und meine sechsjährige Enkeln heranwachsen zu sehen. Davon kann ich gar nicht genug kriegen, es ist ein Vergnügen. Ich habe eine tolle Frau, meine Kinder leben in Los Angeles, wir sind ein Familienverbund, eine Großfamilie wie früher. Manchmal denke ich mit Bedauern daran, dass ich meine Kinder nicht richtig habe Aufwachsen sehen.

Filmreporter.de: Welche Bedeutung hatte und hat die Schauspielerei?

Hopper: Mit 18 Jahren habe ich einen Vertrag bei Warner Bros. unterschrieben, gemeinsam mit James Dean. Ein Phänomen. Er hat mir gezeigt, wie ich als Schauspieler arbeiten muss. Doch bei mir lief nicht alles nach Plan, man ließ mich einfach nicht das spielen, was ich wollte. Da habe ich mir gesagt, dann mache ich eben eine richtige Ausbildung und bin nach New York gegangen, um bei Lee Strasberg die Schauspielerei zu studieren. Das öffnete mir aber auch keine Türen.

Filmreporter.de: Und dann kam der Kultfilm "Easy Rider".

Hopper: Kreativ ein wichtiger Moment für mich. Ich habe den Film in fünfeinhalb Wochen gedreht, konnte noch nicht einmal die Muster sehen, weil wir durch die USA reisten. "Easy Rider" liebe ich noch immer, ich kann ihn heute noch angucken, er ist einfach bahnbrechend. Die Erfahrung mit diesem Film möchte ich nicht missen.
Filmreporter.de: Gibt es heute noch Easy Riders? Hätte der Film heute noch eine so große Wirkung?

Hopper: Die Menschen zu unterhalten und eine Botschaft zu vermitteln, ist schwierig, diese feine Balance zwischen Lachen und Weinen zu halten. "Easy Rider" unterhält, ist lustig und traurig zugleich. Und die Musik war Teil der Geschichte, die wurde dadurch erzählt. Die Songs gehen heute noch durch Mark und Bein. Der Rest ist einfach: Auf schweren Motorrädern durchs Land donnern, die unterschiedlichsten Leute treffen, sie nehmen einen Rechtsanwalt mit, den sie im Gefängnis kennenlernen, werfen Drogen ein und amüsieren sich mit Prostituierten, erleben einen Wahnsinnstrip auf dem Friedhof von New Orleans und dann poff, werden die Typen ermordet.

Filmreporter.de: Wäre heute in der Zeit der Happy Endings ein Film wie "Easy Rider" noch möglich?

Hopper: Das Filmbusiness hat sich im Grunde nicht geändert. Nur muss jetzt jeder Film am ersten Wochenende das große Geld machen. Wenn nicht, fliegt er gnadenlos aus dem Programm. Als ich 1955 meinen Vertrag bei Warner unterzeichnete, war es schon so, dass die Bösen ihre gerechte Strafe am Ende erhielten. Und in "Easy Rider" waren wir die Bösen, jedenfalls für das konservative Amerika. Manchmal packt mich die Verzweiflung, wenn ich die heutige Verklemmtheit sehe, so als ob die 1960er Jahre mit ihrem Aufbruch nie existiert hätten. Wenn von Janet Jackson beim Super Bowl eine Brustwarze zu sehen ist, bricht für einige konservative Amerikaner eine Welt zusammen und sie glauben, die Hölle nahe. Eine Scheinheiligkeit und Scheißhysterie. Worüber reden die da eigentlich? Das ist doch verrückt.

Filmreporter.de: Haben Sie noch Lust, den "bad guy" zu spielen?

Hopper: Der nette Kerl ist mir lieber. Aber wenn es genug Dollarscheinchen dafür regnet, überlege ich es mir vielleicht noch mal, den Bösewicht zu mimen.

Filmreporter.de: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 16. November 2008
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Geboren in Kansas, feierte der Sohn eines Farmers gleich zu Beginn seiner Filmkarriere große Erfolge an der Seite von James Dean in "... denn sie wissen nicht, was sie tun" und "Giganten". Schon damals galt er als mürrisch und stur. Er zeigte keinen Respekt vor Produzenten und wurde immer öfter als Rebell bezeichnet. Keiner wollte ihm mehr einen Job anbieten. Rollenangebote blieben aus. Das Image des Hollywoodrebells wurde Dennis Hopper seitdem nicht wieder los. 1969 gelang ihm mit dem..
Das Aussteigerdrama markiert auch für Wim Wenders einen Wendepunkt. Nach zwölf Jahren kehrt er aus den USA zurück und gründete die Produktionsfirma Neue Road Movies. Für sein erstes Projekt konnte er Größen wie Dennis Hopper und Milla Jovovich verpflichten. Die Hauptrolle übernimmt mit Sänger Campino ein Kinodebütant, der Wenders beim Dreh eines Musikvideos aufgefallen war. Musik spielt überhaupt eine große Rolle in "Palermo Shooting". Wenders konnte unter anderem seine Lieblingsband..
2024