Jean-François Martin/Ricore Text
Javier Bardem
Javier Bardem zwischen den Stühlen
Interview: Harmonie oder Hass?
Rebecca Hall, Scarlett Johansson und Penélope Cruz spielen die drei starken Frauen in Woody Allens neuer Liebeskomödie "Vicky Cristina Barcelona". Alle drei zeigten sich stets demonstrativ harmonisch. Doch auf dem Festival in San Sebastián 2008 war nur Rebecca Hall aus dem Damenteam zugegen. Das heizte die Gerüchteküche natürlich an, denn schon seit längerem heißt es, die drei Frauen seien zerstritten. Wir bohrten natürlich nach und wollten wissen, wie es tatsächlich auf dem romantischen Set in Barcelona aussah. Als einziger Mann - neben Produzent Jaume Roures - beantwortete auch Javier Bardem geduldig unsere Fragen.
erschienen am 29. 11. 2008
Concorde Filmverleih
Vicky Cristina Barcelona
Ricore: Wie war es für Sie, hier in Spanien an einem amerikanischen Film zu arbeiten?

Javier Bardem: Ich lebe hier, natürlich gefällt es mir, hier zu arbeiten. Obwohl es ja nicht von mir abhängt.

Ricore: Vor einiger Zeit haben Sie gegenüber der New York Times die Spanier als "ein Haufen Idioten" beschimpft. Später haben Sie diese Aussage revidiert und erklärt, diese Aussage sei ein Missverständnis gewesen. Möchten Sie sich hierzu nochmal äußern?

Bardem: Ja, klar. Aber nach diesem Missverständnis, das um die Welt ging, habe ich der spanischen Tageszeitung "El País" in einer Erklärung klargemacht, um was es ging. Aber es ist schon seltsam, wie schnell sich so etwas verbreitet.

Ricore: Wie war die Zusammenarbeit mit Woody Allen? Es war ja Ihre erste....

Bardem: Woody Allen erschafft wunderbare Charaktere. Es macht Spaß, sie zu spielen und aufzubauen. Sie waren gleichzeitig komplex und lustig. Die Arbeit mit ihm war sehr kreativ und nicht so sehr durch Improvisation geprägt, wie man vielleicht glauben mag. Man hatte stets das Gefühl, etwas zu kreieren. Das liegt an der Schreibweise von Woody Allen. Bei ihm ist alles voller Gefühl, sei es Liebe oder Hass. Ich habe den Eindruck, dass seine Figuren stets Pirouetten drehen. Sie sind in gewisser Weise auch Klischeetypen, die Themenbereiche wie Angst, Schmerz und Lust abdecken. Dennoch sind sie humorvoll konstruiert. Eine solche Figur zu interpretieren ist heutzutage beinahe schon ein Luxus, der selten aufzufinden ist. Woody ließ es zu, dass wir äußerst kreativ an unsere Rollen herangehen konnten und uns gar nicht so sehr auf Improvisation verließen, wie man manchmal vielleicht glaubt.
Concorde Filmverleih
Javier Bardem und Rebecca Hall
Ricore: War die Arbeit mit Woody Allen einfacher als Sie es sich vorgestellt haben?

Bardem: Für jeden Schauspieler ist es ein Privileg und eine Ehre, den Respekt des Regisseurs zu erhalten, vor allem wenn der Regisseur Woody Allen heißt. Es war natürlich sehr schön, hier in Spanien einen amerikanischen Film zu drehen und dann auch noch spanisch und englisch reden zu können.

Ricore: Glauben Sie, dass Sie es mit dem Film bis zu den Oscars schaffen?

Bardem: Ich weiß es nicht, das ist vielleicht auch noch ein bisschen weit weg…

Ricore: Wie war Ihre Erfahrung als Produzent, mit Woody Allen zu arbeiten?

Jaume Roures: Es war für mich eine große Freude und Ehre mit einem Regisseur wie Woody Allen und seinem Team zu arbeiten, es war mehr wie Urlaub.
Jean-François Martin/Ricore Text
Woody Allen in Cannes
Ricore: Herr Bardem, Sie haben einst gesagt, Sie könnten sich nicht vorstellen, dass ein anderer Regisseur diesen Film machen könnte. Wie wäre es mit Pedro Almodóvar?

Bardem: Pedro Almodóvars Filme sind zweifelsfrei Meisterwerke, aber dieser Film stammt von Anfang bis Ende aus der Feder von Woody Allen und daher hätte ihn auch kein anderer drehen können. Almodóvar genießt meinen vollen Respekt.

Ricore: Eine Frage an Rebecca Hall. Fühlten Sie sich etwas ausgeschlossen, als Sie die anderen nicht im Trio dabei haben wollten?

Rebecca Hall: Nein, meine Figur war super, und ich war mit meiner Rolle sehr zufrieden. Die anderen waren einfach zu sexy für mich.

Ricore: Es wurde oft gemunkelt, dass sich die weiblichen Hauptdarstellerinnen untereinander nicht gut verstehen. Können Sie uns etwas darüber sagen?

Hall: Wir hatten alle eine tolle Zeit zusammmen. Sowohl Scarlett als auch Penélope sind großartige Schauspieler und Menschen. Es war nicht sehr schwer zu spielen, dass wir gute Freundinnen sind. Wir hatten eine tolle Zeit zusammen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 29. November 2008
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Der 1969 in Las Palmas de Gran Canaria geborene Schauspieler wurde wie kein zweiter spanischer Künstler mit Preisen überhäuft. Kein Wunder, stammt er doch aus einer alten Schauspielerdynastie. Seine Eltern, Großeltern und Geschwister haben bereits als Regisseure und Schauspieler Erfahrungen gesammelt. Vor seiner Schauspielausbildung studierte Javier Bardem Malerei und war Mitglied der spanischen Rugby-Nationalmannschaft. Im Rahmen der Preisverleihung des spanischen Goyas für die beste..
Die britische Schauspielerin Rebecca Hall ist Tochter von Theaterregisseur Peter Hall und Schauspielerin Maria Ewing. Sie brach ihr Studium an der Cambridge University ab, um sich ganz der Schauspielerei zu widmen. Bereits als Kind übernahm sie kleinere Rollen im britischen Fernsehen. Seit 2006 ist sie auch in internationalen Kinoproduktionen wie Woody Allens "Vicky Cristina Barcelona" oder "Prestige - Die Meister der Magie" zu sehen.
Der spanische Film-und Fernsehproduzent Jaume Roures wurde 1951 in Barcelona geboren. Er ist seit 2000 im Geschäft und engagiert sich auch international. So produzierte er Woody Allens "Vicky Cristina Barcelona" 2008 und den international erfolgreichen "Montags in der Sonne", für den er 2002 den wichtigsten spanischen Filmpreis Goya erhielt. Roures besitzt ein Drittel der spanischen Mediengruppe Mediapro, die auch die spanische Tageszeitung Publico herausgibt.
Woody Allen widmet fast alle seine Werke menschlichen Beziehungen in jeder Form. In "Vicky Cristina Barcelona" geht es um zwei Amerikanerinnen, die sich im Spanien-Urlaub auf eine Dreiecksbeziehung einlassen. Vicky (Rebecca Hall) ist sensibel und steht kurz vor der Hochzeit, während Cristina (Scarlett Johansson) das sexuelle und emotionale Abenteuer sucht. In Barcelona verfallen beide der Anziehungskraft des charismatischen Malers Juan Antonio (Javier Bardem).
2024