Constantin Film
Brigitte Hobmeier
Brigitte Hobmeiers Konflikte
Interview: Liebe geht über Wahrheit
Darf eine Mutter ihrem Sohn Lügen erzählen? Lügen über den Verbleib seines Vaters, auch wenn es seinem eigenen Wohlbefinden zugute kommt? Eine schwierige Situation, der sich Brigitte Hobmeier in Marcus H. Rosenmüllers "Die Perlmutterfarbe" stellen musste. Wir haben Sie zu dem Gewissenskonflikt befragt, die hauptberufliche Theaterspielerin stand uns bereitwillig Rede und Antwort.
erschienen am 9. 01. 2009
Constantin Film
Die Perlmutterfarbe
Ricore: "Die Perlmutterfarbe" basiert auf dem Kinderbuch von Anna Maria Jokl. Haben Sie das Buch zuvor gelesen? Brigitte

Hobmeier: Ja, natürlich, aber ich habe zuerst das Drehbuch gelesen, und erst danach den Roman gekauft.

Ricore: Können Sie sich noch an Ihren ersten Eindruck erinnern?

Hobmeier: Kennt man schon das Drehbuch, liest man natürlich immer vergleichend. Man fragt sich, was ist im Drehbuch, was ist im Roman. Wie viele Informationen gibt es im Roman, die ich als Hintergrundwissen gebrauchen kann. So lese ich schon sehr selektiv und nicht nur den Roman an sich. Das fand ich toll, da ich auf diese Art und Weise Wissen erlangen konnte, das schön war.

Ricore: Können Sie ein Beispiel nennen?

Hobmeier: Beispielsweise meine Figur, die Schuhverkäuferin. Ich habe mich gefragt, warum man sie im Film nie beim Schuhe verkaufen sieht. Das hätte ich sehr schön gefunden. Man muss aber gucken, was eventuell weg fällt und nicht möglich ist, im Drehbuch zu realisieren. Was ich sehr schön fand, war das Vorwort von Frau Jokl.
Movienet Film
Brigitte Hobmeier in einer Szene vom "Räuber Kneißl"
Ricore: Inwiefern?

Hobmeier: Sie beschreibt, wie sie alles zurücklassen musste, als sie aus Berlin fliehen musste. Sie erzählt auch, wie sie mit einem Mann gesprochen hat und er sie fragte, was sie am meisten vermissen würde. Natürlich erwartete er eine Antwort wie Meine Möbel, meinen Schmuck oder meine Möbel. Sie antwortete aber mit "mein Manuskript", welches sie zurücklassen musste. Das beeindruckte ihn dermaßen, dass er ihr das Manuskript holte und ihr ins Exil nach England verhalf. Das rührt natürlich das Herz, wenn man sich überlegt, dass das Buch verloren gewesen wäre, wenn es diesen Menschen nicht gegeben hätte.

Ricore: Spielt gerade das eine Rolle bei Ihrer Rollenauswahl, dass die Geschichte Ihr Herz berührt?

Hobmeier: Ja natürlich. Wenn man den Luxus hat, sich die Drehbücher aussuchen zu dürfen, dann ist es mir schon sehr wichtig, dass ich mit der Rolle etwas anfangen kann, dass sie mich berührt und ich Assoziationen herstellen kann. Aber bei Marcus Rosenmüller würde ich auch einfach nur durchs Bild laufen, wenn er das von mir verlangen würde.

Ricore: Vertrauen Sie ihm blind?

Hobmeier: Ja, er ist einer der tiefgründigsten Menschen die ich kenne. Ihm geht es immer um die Person.
Constantin Film
Brigitte Hobmeier mit Markus Krojer auf der Premiere
Ricore: Hat sich seit "Räuber Kneißl" die Zusammenarbeit vertieft?

Hobmeier: Nun ja, zwischen "Räuber Kneißl" und "Die Perlmutterfarbe" sind nur drei Monate vergangen, so sehr verändert man sich da nicht. Bei "Räuber Kneißl" waren die Bedingungen allerdings schwieriger. Die Drehzeit war knapp bemessen. Wir mussten teils sehr schwierige Szenen in kurzer Zeit abdrehen. Der Film war ursprünglich als Fernsehfilm geplant, mit einem geringen Budget. "Die Perlmutterfarbe" war von Beginn an als Kinofilm geplant, und hatte demzufolge auch mehr Geld. Die Voraussetzungen waren also viel entspannter. Das hat man auch dem Rosi angemerkt. Beim "Kneißl" mussten wir alle ordentlich anpacken, dass das Projekt überhaupt zu schaffen war. Das war schon ein immenser Druck, der eigentlich auf uns allen lastete.

Ricore: Sie arbeiteten bei "Die Perlmutterfarbe" auch mit Kindern zusammen…

Hobmeier: Ja, allerdings habe ich nur mit einem Kind gearbeitet. Und das war mein Filmsohn, Markus Krojer. Er ist ein wunderbarer Kerl und ein super Schauspieler. Es ist schon außergewöhnlich, als Frau und Mutter in die Augen von einem Kind zu schauen und in der Imagination sein eigenes Kind anzulügen. Dem eigenen Kind eine Wahrheit gestehen zu müssen, die es nicht gibt, ist natürlich irre. Das ist etwas ganz anderes, als wenn eine Ehefrau ihrem Ehemann gegenüber stehen würde.

Ricore: Können Sie Ihre Filmfigur in ihrem Handeln verstehen?

Hobmeier: Natürlich ist das ein großer Konflikt. Aber ich konnte sie und wie sie gehandelt hat, sehr gut verstehen. Damals sogar noch mehr als heute. Heute ist eine alleinerziehende Mutter nichts Außergewöhnliches. Aber damals war das gesellschaftlich nicht tragbar. Gerade auf dem Land, unverheiratet, mit ledigem Kind - nicht vorzustellen. Den sozialen Druck können wir uns nicht vorstellen, der wird im Film gar nicht gezeigt. Und in dieser Situation zu sagen, ich bau uns eine imaginäre Welt auf, an die wir uns beide halten, ist sehr mutig. Denn diese Phantasiewelt dient nicht nur dem Sohn, sondern auch der Mutter. Es fällt ihr selbst schwer zu sagen, dass ihr Leben eine Lüge ist, denn in Wahrheit ist ihr Leben viel einsamer, plumper, trauriger, grauer, als sie es für beide in ihrem Heim ausmalt. Natürlich tut es weh, eine Lebenslüge zu entlarven. Das ist mit das Schmerzhafteste und auch das Mutigste, das man einem Menschen zutraut.
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Brigitte Hobmeier
Ricore: Machen Sie Erfahrungen beim Film, die Ihnen auch beim Theater nützlich sind und umgekehrt?

Hobmeier: Theater und Film sind zwei verschiedene Bereiche. Aber ich kann und will die Frage gar nicht beantworten. Ich arbeite am Theater und beim Film. Dass ich das machen darf, ist Geschenk genug. Ich brauche auch manchmal das eine, um mich vom anderen abzulenken und umgekehrt. Aber rein technisch und inhaltlich kann ich nicht sagen, dass mir diese Filmszene auch beim Theater hilft.

Ricore: In dieser Saison sind Sie mit vier Stücken bei den Münchner Kammerspielen vertreten…

Hobmeier: Ja, aber wir sind ein Repertoire-Theater, das heißt, wenn ich am Abend spiele, probe ich tagsüber ein anderes Stück. Derzeit sind wir in den Proben für "Maß für Maß" von William Shakespeare.

Ricore: Wie diszipliniert müssen Sie sein, um das Theater, den Film und nicht zuletzt Ihre Familie unter einen Hut zu bekommen?

Hobmeier: Sehr, bisher, konnte ich nur drehen, wenn das Theater und natürlich meine Familie es zuließen. Ein Bereich kommt immer ins Hintertreffen, und mit den Konsequenzen heißt es dann erst Mal umgehen zu lernen. Da ist viel Mut, Vertrauen, Improvisation und gute Laune gefragt. Manchmal geht mir das alles flöten und dann steht man da und fängt wieder von vorne an.

Ricore: Haben Sie Musen?

Hobmeier: Manchmal ist das Spielen so wunderbar leicht, und manchmal ist es schwieriger als alles andere für mich. Ich weiß nicht woran das liegt, und wie die Musen da oben funktionieren. Aber ich bete diese Damen seit ich auf der Bühne stehe mit aller Inbrunst an, sie mögen mir zur Seite stehen.

Ricore: Vielen Dank für den Einblick in Ihre Arbeit.
erschienen am 9. Januar 2009
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2024