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Halle Berry in: Gothika
Talent - Schönheit - Ruhm - Verletzlichkeit
Interview: Reflektiert: Halle Berry
Talent plus Schönheit plus Ruhm plus Verletzlichkeit - das ist Halle Berry. Mit 37 hat sie all das, wovon andere Schauspielerinnen und viele Frauen nur träumen. Oder? Die Sache mit dem Glück im Leben findet nur in ihrem Beruf statt. Da hat sie nach zwei legendären Oscarmomenten - ihr überraschender Sieg und die Dankesrede, die ihr den Spitznamen 'Heule Berry' eintrug und der spontane Kuss von Adrien Brody ein Jahr später - Erfolg in allem, was sie anfasst: in Megaproduktionen wie dem letzten Bond-Film genauso wie in kleinen dramatischen Rollen. In jedem Genre, vom Horrorfilmchen "Gothika" bis zum Action-Projekt "Catwoman", für das sie derzeit in der Titelrolle vor der Kamera stand. Doch heim geht sie - wieder einmal - allein. Im Interview mit Ricore-Medien spricht sie offen über Fehler, kranke Beziehungen, kaputte Ehen und die Sehnsucht, endlich mal den Richtigen zu finden.
erschienen am 15. 03. 2004
Ricore: Sie haben im Laufe Ihrer Karriere mehr Frauen gespielt, die psychisch, physisch und emotional verletzt wurden und trotzdem Stärke zeigten, als jede andere Schauspielerin Ihrer Generation. Wie sehr sind Sie persönlich mitgenommen von diesen Rollen?

Halle Berry: Das Schöne an meinem Beruf ist, dass solche Rollen immer wieder eine wahre Katharsis für mein Gefühlsleben sind. Ich selbst habe nahe am Wasser gebaut, wie man so schön sagt, ich weine leicht, bin da eher sensibel, und meine Rollen geben mir oft die Möglichkeit, um starke Emotionen rauszulassen. Ich denke, ich habe jede Menge unterdrückter Gefühle, die dann vor der Kamera und im Schutzmantel einer Rolle hochkommen. Für mich persönlich ist das sehr heilsam.

Ricore: Können Sie denn dann nachts noch schlafen?

Berry: Und wie! Wenn ich mich untertags emotional so verausgabe, dann schlafe ich meist wie ein Baby! Während der Dreharbeiten zu "Gothika" war ich mental und psychisch so erschöpft, dass ich es gar nicht erwarten konnte, ins Bett zu fallen.

Ricore: "Gothika" wirft die Frage auf, wo die Grenze zwischen Sinn und Wahnsinn liegt...

Berry: Und glauben Sie mir, ich balanciere jeden Tag auf diesem dünnen Seil! (lacht) Das ist kein Scherz! Die Linie zwischen Realität und Irrsinn ist verdammt dünn. Unser Gehirn ist ein mächtiges Werkzeug, das zu missbrauchen und zu verlieren wir jederzeit imstande sind, sagt man. Ich frage mich oft täglich, was wirklich und was unwirklich ist. Besonders in der Industrie, in der ich arbeite, ist die Grenze zwischen Schein und Wirklichkeit sehr oft verschwommen.

Ricore: Können Sie persönliche Parallelen zwischen der Frau in "Gothika" und sich selbst ziehen?

Berry: Natürlich. Ich war selbst vor drei Jahren in einer Situation, wo ich mich nicht mehr erinnern konnte, was passiert ist. Ich wurde beschuldigt, Fahrerflucht begangen zu haben, nachdem ich einen Unfall verursacht hatte. Man warf mir vor, ich würde keine Verantwortung für meinen Fehler übernehmen wollen. Es fiel mir sehr schwer, mich zu verteidigen, denn mir fehlen bis heute gute 45 Minuten. Ich war völlig konfus, nachdem ich offensichtlich mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe geflogen war - was ich auch nur weiß, weil meine Stirn genäht werden musste.
Wilde Katze: Halle Berry als Catwoman
Ricore: Sie sind schön, reich, berühmt, nett und die meisten Männer würden sich glücklich schätzen, mit Ihnen auszugehen...

Berry: Haben Sie einen netten Mann für mich? Wo sind diese Männer? (lacht)

Ricore: ...Trotzdem scheinen Sie kein Glück in Ihren Beziehungen zu haben. Warum?

Berry: Meine Beziehungen sind das Letzte! Hat gar keinen Sinn, das abzustreiten. Ich glaube mehr und mehr, dass man eben nicht alles haben kann. Es gibt wundervolle Dinge in meinem Leben, über die ich sehr glücklich und auf die ich sehr stolz bin, aber ich habe ein Problem, den Richtigen zu finden. Was vermutlich an mir liegt. Man sollte ja den Fehler immer zuerst bei sich selbst suchen. Aber ich arbeite daran. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben.

Ricore: Sie haben sich kürzlich von Ihrem 2.Ehemann, Eric Benét, getrennt. Sind Sie aktiv auf der Suche oder wollen Sie sich lieber Zeit lassen?

Berry: Ich muss mir Zeit lassen. Und will das auch. Ich glaube nicht, dass dieses von einer Beziehung in die Nächste fallen gesund ist. Ich möchte mich mit mir selbst beschäftigen, mehr über mich lernen und hoffentlich beim nächsten Mal eine bessere Wahl treffen.

Ricore: Was sagte Ihr Mann, nachdem Adrien Brody Sie vor aller Welt bei der Oscarverleihung küsste?

Berry: Das fand er amüsant. Ich fand interessant, wie viele darauf reagierten, die meinten, er hätte auf die Bühne springen und Adrien ein blaues Auge verpassen sollen. Das ist doch etwas lächerlich.

Ricore: Wie wichtig ist Psychotherapie für Sie?

Berry: Sehr wichtig. Meine Mutter war Krankenschwester in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses für Kriegsveteranen, daher bekam ich schon sehr früh mit, wo Psychotherapie helfen kann. Ich war auch immer fasziniert davon und habe Freud und Jung, und auch viele Philosophen gelesen. Ich spiele wahnsinnig gern gequälte Frauen, die unvorstellbare Situationen überleben. Ich liebe Rollen, in denen ich gleichzeitig verwundbar und stark sein kann.
Ricore: Ihr Vater hat Ihre Mutter und seine beiden Töchter sehr früh in Ihrem Leben verlassen. Es heißt ja, dass ein derartiges Trauma in der Kindheit für Mädchen oft die Ursache für spätere Männerprobleme ist. Sehen Sie das auch so?

Berry: Absolut. Ich glaube, dass meine Kindheit ohne Vater eine dramatische Veränderung in meinem Leben bewirkte. Ich dachte lange, dass das nicht so sei, denn ich hatte ja diese tolle, starke Mutter, die versuchte, beide Rollen auszufüllen. Aber je älter ich werde, desto mehr erkenne ich das Muster, das sich durch all meine Beziehungen zieht. Und das hat damit zu tun, dass es nie eine starke männliche Person in meinem Leben gab. Meine Sehnsucht danach ist sicher der Grund, warum ich dann an Männer gerate, die mich entweder dominieren wollen oder die Dinge tun, die sich andere Frauen nie so lange gefallen lassen würden. Die Abwesenheit eines Vaters in meinem Leben hat beeinflusst, dass ich fühle, was ich in punkto Mann verdiene. Zusätzlich hatte meine Mutter eine Menge schlechter Beziehungen, die ich als Kind natürlich miterlebt habe, und unterbewusst erwarte ich wohl auch immer das Schlimmste. Das Gute ist, dass ich das jetzt weiß, dass ich mir nichts mehr vormache. Und dass ich alles tue, um meine Denkweise und mein Gefühl der Selbstachtung - oder Verachtung - zu ändern. Mir ist auch klar, dass das eine Zeit dauern wird, denn diese Gedanken haben sich jahrelang in meiner Seele verwurzelt. Das muss alles erst mal aufgearbeitet werden.

Ricore: Wer ist in Ihren Augen 'der Richtige'?

Berry: Ich rede hier nicht vom perfekten Mann, denn den gibt's nicht. Was ich damit meine, wenn ich sage, ich will mir Zeit lassen, ist, dass ich diese Zeit dazu nützen möchte, mich selbst ein bisschen mehr lieben zu lernen. Und damit hoffentlich zur Erkenntnis gelangen werde, dass ich das Recht habe, wählerisch zu sein, und einen zu finden, der mich weder betrügt, noch dominiert noch sonst wie schlecht behandelt. Ich bin ja nicht die einzige Frau, die Probleme mit Männern hat.

Ricore: Glauben Sie, dass Ihre Karriere ein Hindernis für viele Männer ist?

Berry: Nein, ich glaube, dass das oft als Ausrede benützt wird. Ich sehe genügend gute Beziehungen zwischen zwei Menschen, die beide arbeiten, und wo einer oder beide sehr erfolgreich sind.
Ricore: Haben Sie trotz der Trennung von Eric noch engen Kontakt zu Ihrer Stieftochter India?

Berry: Aber ja! Ich bin ihre Mutter. Das wird sich nie ändern. Ganz gleich wo ihr Vater und ich in unserem Leben sind. India ist neben meiner Mutter der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ich habe die Mutterrolle nicht leichtfertig übernommen, und immer gewusst, dass das eine lebenslange Verantwortung ist.

Ricore: Man sieht derzeit in allen Gazetten Fotos von ihnen und Sharon Stone auf dem Set von "Catwoman". Sharon spielt im Film Ihre Widersacherin, aber privat scheinen Sie ja Freundschaft geschlossen zu haben. Hat das was damit zu tun, dass Sie beide gerade schlechte Ehen hinter sich haben?

Berry: Klar! Sie wissen ja wie das ist, wenn zwei Frauen durch die gleiche problematische Phase in ihrem Leben gehen. Man zieht einander an wie ein Magnet, bequasselt alles und gibt einander Ratschläge. Sharon ist wirklich fantastisch und diese Freundschaft hilft uns beiden sehr viel.

Ricore: Haben Sie nach dem Oscarsieg bewusst die Entscheidung getroffen, nicht nur preisverdächtige dramatische Rollen anzunehmen, sondern der Welt - und vor allem Hollywood - zu beweisen, dass eine farbige Schauspielerin durchaus fähig ist, als Actionheldin ein Kassenschlager zu werden? Deshalb Catwoman?

Berry: Zuerst ist es immer die Rolle, die Story, der Inhalt. Aber natürlich denke ich auch darüber nach, was ich in meiner Karriere erreichen will. Catwoman ist ein gutes Beispiel. Da ist eine Rolle, die körperlich unheimlich anstrengend ist, anstrengender als alles, was ich bisher gemacht habe. Aber sie hat auch großartigen Humor. Und sie ist stark. Das reizte mich. Als farbige Frau in Amerika - besonders in Amerika! - fühlte ich mich oft eingeschränkt. Nicht nur durch Rassismus, sondern von den Grenzen, die uns gesetzt sind, von den Regeln, denen wir unterliegen, mit deren Aufstellung wir aber nichts zu tun hatten. Eine Rolle wie Catwoman gibt mir das Gefühl von Power, das Gefühl, dass ich mich über diese Regeln hinwegsetzen kann, und dass ich auch das Klischee sprenge, das in der Filmindustrie vorherrscht. Denn hier ist eine Rolle, bei der keiner über meine Hautfarbe nachdenkt, am allerwenigsten ich selbst. Die Welt ist meine Auster. Ich kann tun und lassen was ich will. Und das beste daran? Es gibt keinen Batman! (lacht) In gewisser Weise ist das genauso wichtig, wie einen Golden Globe oder Oscar zu gewinnen. Ich habe das Gefühl, in beider Hinsicht eine große Barriere durchbrochen zu haben.

Ricore: Mehrere Zeitschriften wählten Sie in den letzten Jahren zur "schönsten Schauspielerin", oder zur "talentiertesten Schauspielerin". Wie wichtig sind solche Ehrungen?

Berry: Wichtig daran ist wieder nur, dass zwischen dem Wort 'schön' oder 'talentiert' und dem Wort 'Schauspielerin', das Wort 'farbig' ausgelassen wurde. Das ist ein wichtiger Schritt. Damit werde ich nicht in eine Rassenkategorie gezwängt, unter der Frauen wie Dorothy Dandridge ihr Leben lang litten.
erschienen am 15. März 2004
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