20th Century Fox
Christian Berkel
Dem Bösen näher
Interview: Riskant: Christian Berkel
Christian Berkel ist einer der wenigen deutschen Schauspieler, die in "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat" eine zentrale Rolle bekommen haben. Seite an Seite mit den Hollywoodstars zu spielen war für ihn eine besondere Herausforderung, nicht nur wegen der Sprache. Warum es ihm leichter fällt, böse Rollen zu verkörpern und in welchen Situationen er sein Leben riskieren würde, erzählt der nachdenkliche Schauspieler Filmreporter.de.
erschienen am 23. 01. 2009
20th Century Fox
Andrea Sawatzki und Christian Berkel bei der Premiere von "Operation Walküre" in Berlin
Ricore: Ist es möglich, einen solchen Stoff als unpolitischen Thriller zu verfilmen? Christian

Berkel: Ich würde den Film nicht als unpolitisch bezeichnen. In dem man sich mit dem Thema auseinandersetzt - egal wie - wird immer eine Aussage getroffen. Und somit ist es politisch. Ich denke, dass Bryan Singer und auch Tom Cruise den Akzent auf den Thriller legen.

Ricore: Ist es nicht seltsam, wenn man als Deutscher das Angebot kriegt für einen deutschen Stoff in einer amerikanischen Produktion zu spielen?

Berkel: Vielleicht bin ich zu sehr Schauspieler, um das als seltsam zu empfinden. Ich habe ein Drehbuch bekommen, habe es gelesen und fand es extrem stark. Wenn mir jemand dieses Buch auf Deutsch angeboten hätte, hätte ich den Film genau so gern gemacht, keine Frage. Aber ich denke, das können die Amerikaner ungeheuer gut verbinden. Sie nehmen eine solche Geschichte und sehen, was ist das Attraktive für ein größeres Publikum.

Ricore: War es schwierig, in so einem heterogenen Cast auf Englisch zu drehen?

Berkel: Das war auf jeden Fall aufregend. Und sicherlich auch eine zusätzliche Schwierigkeit und Herausforderung, die einen Riesenspaß gemacht hat.

Ricore: Was ist für Sie ein Held?

Berkel: Das ist in Deutschland ein schwieriger Begriff. In anderen Ländern hat man einen anderen Zugang, bei uns ist der Begriff durch unsere Geschichte mit dem Dritten Reich tabuisiert, so wie auch der Elitenbegriff tabuisiert ist. Das ist eine der schwierigen Folgen des Dritten Reichs. Für mich ist es im Sinne der griechischen Tragödie eben nicht eine per se strahlende Figur, sondern eine Figur, die vor extreme Schwierigkeiten gestellt wird, in denen der normale Mensch, ganz unheldenhaft, kapituliert und versucht, sich der Situation zu entziehen. Während der Held versucht, die Situation zu meistern. Es ist in der Regel aber immer eine mehr oder minder ambivalente Figur. Ob man Herakles oder Theseus nimmt. Die griechischen Helden sind keine geradlinigen Figuren.
Capelight Pictures, United Artists Production Finance
Tom Cruise & Kenneth Branagh In "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat" ("Valkyrie", 2008)
Ricore: War Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim für Sie also ein Held?

Berkel: Ja, all diese Leute. Der Film zeigt gut ihre Unterschiedlichkeit. Sie hatten nicht nur unterschiedliche Motivation, sondern sind auch mit der Situation anders umgegangen. Olbricht etwa, der zögerlich war, um nicht zu sagen ängstlich. Durch sein Zögern hat er entscheidend dazu beigetragen, dass der Umsturz schiefgegangen ist. Quirnheim dagegen war durch seine Nähe und Freundschaft zu Stauffenberg jemand, der immer darauf gepocht hat, das einzuhalten, was vereinbart war. Die Anderen teilweise, repräsentiert durch Olbricht, fingen Überlegungen an wie: "Was mach ich wenn es schief geht, wo stehe ich dann?" Das ist nur menschlich. Trotzdem war auch er auf seine Weise ein Held. Er hat diese Angst überwunden.

Ricore: War Ihnen von Quirnheim vor den Dreharbeiten ein Begriff?

Berkel: Nein.

Ricore: Wie haben Sie sich die Rolle erarbeitet?

Berkel: Ich habe natürlich alles gelesen, was ich über die Figur finden konnte, wobei das nicht viel war. Er ist keiner, über den sehr viel berichtet wurde. Im Grunde genommen habe ich mich der Figur genähert, wie ich mich allen Figuren nähere. Das heißt, wenn es nicht viel gibt, versuche ich es, intuitiv zu tun. Über die Zeit wusste ich viel. Ich habe mir die Bilder angeguckt, speziell auch jene im Bendlerblock. Ich war überrascht, denn von Quirnheim hatte ein Kind aus erster Ehe und hatte relativ kurz vor dem 20. Juli geheiratet. Ich sah das Bild mit dem Kind und seiner Frau und dachte mir, er hat sicherlich schon befürchtet, dass das Attentat schief gehen könnte. Zumindest wollte er seiner Frau den Status einer Verheirateten geben. Alles Überlegungen, die auf ein Ende hindeuten. Das hat mich sehr bewegt. Dass jemand nicht nur sein eigenes Leben für eine Sache riskiert, sondern weiß, dass er auch das Leben seiner Familie mit aufs Spiel setzt.
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Christian Berkel in "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat"
Ricore: Hatten Sie Kontakt zu Angehörigen?

Berkel: Nein.

Ricore: Ist diese Rolle für Sie der Grundstein einer internationalen Karriere?

Berkel: Natürlich kann ich mir das vorstellen. Was sich daraus entwickelt, weiß man aber nicht. Aber ab und zu in Amerika zu arbeiten würde mir Spaß machen. Dennoch arbeite ich wahnsinnig gern in Deutschland. Hier sind meine Möglichkeiten am größten, was die Diversität von Figuren betrifft. In einem Land wie Amerika wären sie eingeschränkter, einfach durch die Sprache.

Ricore: Sie empfinden sich nicht nur als deutschen Schauspieler? Sie sprechen auch Französisch.

Berkel: Das war für mich ein komplizierter Weg. Man muss letzten Endes immer eine Entscheidung treffen. In welchem Land man lebt, zum Beispiel. Ich lebe hier, lebe gern hier. Alle Sachen, die sich woanders ergeben, mache ich gerne. Doch im Moment gibt es keinen Plan, woanders hinzuziehen.

Ricore: Angebote aus Frankreich kommen nicht so häufig?

Berkel: Es kommen komischerweise mehr aus Amerika als aus Frankreich. Den Grund dafür kann ich Ihnen nicht nennen.
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Christian Berkel und Tom Wilkinson
Ricore: Sprechen Sie mit Ihren Kindern Französisch?

Berkel: Noch nicht, doch das will ich demnächst in Angriff nehmen. Weil beide auf eine englische Schule gehen. Insofern haben sie die Zweisprachigkeit, wie ich sie mit Französisch hatte. Da wollte ich nicht von Anfang an noch eine dritte Sprache reinbringen. Es ist genug, wenn sie fürs Erste zwei Sprachen beherrschen.

Ricore: Konnten Sie vergessen, dass von Quirnheim Nazi und insofern auch für den Völkermord mitverantwortlich war?

Berkel: Ich sehe es anders. Vergessen kann man es nicht, entscheidend war aber, dass er seine Haltung grundlegend geändert hat. Nicht nur seine Haltung, sondern auch seine Handlung. Wenn das ein größerer Teil der Deutschen gemacht hätte, hätte es die Shoa in der Form nicht gegeben. Er ist in der Lage gewesen, einen Irrtum einzusehen, was in der Zeit ungeheuer schwierig war. Man sieht ja schon am eigenen Leben, wie schwer das ist, ohne dass es ein existentielles Problem sein müsste. Man riskiert nicht sein Leben, wenn man sagt "Dies oder jenes war falsch, das mache ich ab jetzt anders". Die Männer von damals haben ihr Leben riskiert oder mussten ihr Leben riskieren. Das hat mich sehr beeindruckt. Doch generell ist es so: man kann komischerweise oft das, was einem gar nicht nahe steht, einem scheinbar widerspricht, leichter spielen als das, was ganz dicht dran ist. Es gibt diesen Satz von Shakespeare "Wir scheinen am meisten, was wir am wenigsten sind." Das hat ganz viel mit diesem Beruf zu tun. Dass man in dieses Böse oft sehr viel leichter reinkommt mit einem Gefühl des Hasses.

Ricore: Könnten Sie sich vorstellen für jemanden oder für eine Idee Ihr Leben zu riskieren?

Berkel: Ja, für meine Kinder.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 23. Januar 2009
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