Walt Disney Studios Motion Pictures
Wall-E und Eve
Animation muss nicht nur fröhlich sein
Interview: Wall-E - Held wortloser Kommunikation
Pixars "Wall-E - Der Letzte räumt die Erde auf" ist in eine düstere Umgebung eingebettet. Die Welt ist von Müll bedeckt, die Menschen haben es sich schon lange im Weltraum gemütlich gemacht. Die Produzenten Jim Morris und Lindsey Collins erklären uns, warum der Animationsfilm dennoch optimistisch ist. Zudem lernten wir viel über die Vorteile nonverbaler Kommunikation.
erschienen am 5. 02. 2009
Walt Disney
Wall-E - Der Letzte räumt die Erde auf
Ricore: Es ist ein langer Weg, bis ein solcher Film fertig gestellt ist. Was war die größte Herausforderung?

Jim Morris: Ja, es ist ein langer Weg. Es dauerte vier Jahre, um diesen Film fertigzustellen. Es gab keine größere Herausforderung für uns Produzenten. Diese Geschichte richtig hin zu bekommen und alles für die Produktion vorzubereiten, ist immer eine Herausforderung. Doch speziell das Produktionsdesign im Einklang mit der Geschichte als auch mit Andrew Stantons Vision zu bringen, stellte wohl unsere größte ästhetische Herausforderung dar.

Lindsey Collins: Ich denke wir haben in gewisser Hinsicht die visuelle Herausforderung unterschätzt. Wir hatten nicht genügend Material oder Dialoge, die beschrieben, warum die Erde so aussieht und was mit ihr passiert ist. Das war eine gigantische Herausforderung. Das Publikum muss später nicht nur verstehen, wie die Erde aussieht. Es musste erst gezeigt werden, dass wir uns in der Zukunft befinden. Wie sieht eine müllbedeckte Erde in der Zukunft aus? Wie sieht die Erde in der Zukunft aus, wenn sie zwar von Müll bedeckt ist, aber doch einigermaßen aufgeräumt ist? Das musste alles nacheinander beantwortet werden. Da muss man im Gegensatz zu normalen Filmen viel klarere Vorstellungen haben.

Ricore: Hatten Sie keine Angst, dass "Wall-E" für einen Animationsfilm zu düster wird?

Morris: Uns gefiel es, einen Animationsfilm zu machen, der nicht nur fröhlich und leicht wirkt, sondern auch dunkle Motive hat. Dennoch bereitete uns dieser Umstand Sorge. Allerdings hatten wir in dieser düsteren Welt einen charmanten Charakter. Einen Funken in der Dunkelheit, gewissermaßen.

Collins: Andrew hat die Kontraste phantastisch hinbekommen. Das beginnt schon mit dem superfröhlichen Eröffnungs-Song und den kaputten Hintergrund. Dazu der goldige, charmante Roboter in der düsteren Umgebung. Die Kontraste waren eines der wichtigsten Elemente. Wir wollten dafür sorgen, dass man so schnell wie möglich die düstere Umgebung aus Wall-Es Perspektive wahrnimmt. Dabei ging es ums Timing. Man durfte nicht zu lange depressive Gefühle aufkommen lassen, der Zuschauer musste rechtzeitig zu Wall-E zurückgebracht werden, um seinen Optimismus zu spüren.
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Wall-E auf Promotiontour
Ricore: Dachte Sie nie darüber nach, dass "Wall-E - Der Letzte räumt die Erde auf" eigentlich ein 90-minütiger Stummfilm ist?

Morris: Nein, es ist nicht wirklich ein Stummfilm. Die Figuren kommunizieren ja miteinander. Außerdem trägt die Musik viel. Sie teilt unterschwellig mit, in welche emotionale Richtung die Handlung geht. Wir wussten natürlich, dass das Ergebnis nicht sehr dialogreich werden würde, doch es fühlte sich nicht wie ein Stummfilm an.

Ricore: Also hatten Sie zu keinem Zeitpunkt Angst, dass ein derart dialogarmer Film über eine Dauer von 90 Minuten funktionieren würde?

Morris: Wir glaubten daran, dass es funktionieren würde. Wir sahen uns große Momente der Filmgeschichte an. So viele großartige Szenen vermitteln die Kommunikation nicht über sprechende Personen, sondern über die visuelle Schiene. Wir als Filmfans dachten uns: "Wenn uns das so gefällt, wird es das Publikum auch mögen."

Collins: Als Andrew uns einen 20-minütigen Ausschnitt zeigte und sagte, er wolle einen kompletten Film daraus machen, waren wir begeistert. Es war von Anfang an klar, dass das funktionieren würde. Kein Konzept, von dem man erst nach einiger Zeit überzeugt ist. Wir waren alle von Anfang an überzeugt.

Ricore: Ist Pixar bereit für eine neue, revolutionäre Richtung im Animationsbereich?

Morris: Das ist die Sache der jeweiligen Regisseure. Bisher haben sie sich sehr auf Animationen im engeren Sinne konzentriert. In "Wall-E" benötigten wir ein gewisses Maß an Live-Action. Wir werden die Regisseure weiterhin unterstützen, uns von ihren Visionen inspirieren lassen.
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Andrew Stanton auf der Wall-E-Premiere
Ricore: Werden Animationsfilme zu sehr von prominenten Sprechern getragen?

Collins: Die Regisseure wollen bei den Sprechproben gar nicht wissen, zu wem die Stimme gehört. Es läuft nicht so ab, dass man ihnen sagt: "Hier sind die sechs Stars, die im Film als Sprecher vorgesehen sind." Die Regisseure lassen sich ausschließlich von der Stimme inspirieren. Entweder passt die Stimme oder nicht.

Morris: Wir finden das häufig eher ablenkend als zuträglich, wenn man einen prominenten Sprecher hat.

Ricore: Wie haben Sie Peter Gabriel davon überzeugt, mitzumachen?

Morris: Peter ist ein Fan von "Findet Nemo". Und Andrew ist ein riesiger Peter Gabriel Fan. Es war ein Traum für Andrew irgendwann einmal mit Peter zusammen zu arbeiten.

Ricore: Stand es jemals zur Debatte, Peter Gabriel den kompletten Soundtrack machen zu lassen?

Morris: Das stand nie zur Debatte. Aber wir hätten natürlich fragen können...
Ricore: Kommunizieren die Regisseure bei Pixar untereinander?

Morris: Bei Pixar arbeiten die Regisseure auf jeder Ebene eines Projekts zusammen. Sie helfen und inspirieren sich gegenseitig. Die Crews machen das genauso. Jeder hat die Möglichkeit, sich an einem Projekt zu beteiligen. Es kann jedoch nicht jede Kritik, jeder einzelne Kommentar berücksichtigt werden.

Ricore: Es war zu lesen, dass Sie den Trickfilmzeichnern Grenzen setzten. Wie hat man sich das vorzustellen?

Morris: Nun, wir setzen ihnen immer Grenzen, was Zeit und Geld angeht. Der Film muss ja auch irgendwann fertig sein. Doch in kreativer Hinsicht setzen wir ihnen keine Grenzen.

Collins: Andrew wusste beispielsweise von Anfang an, dass er "Wall-E" mit Ellbogen ausstatten wollte, obwohl das keinen funktionalen Nutzen für den Roboter hat. Bestimmte Posen sind so einfacher zu realisieren.

Morris: Es gibt einen Entwurf der Figur auf technischer Ebene und einen vollkommen anderen auf der Charakterebene.

Collins: Tatsächlich ist es so, dass gewisse Grenzen sehr inspirierend sind. Als wir unseren Zeichnern beispielsweise sagten, dass sie Wall-E nicht so häufig Schulterzucken lassen sollten, machten sie sich Gedanken. Und sie fanden andere Möglichkeiten, die Aussage zu vermitteln. Solche Grenzen inspirieren sie, sie werden dabei sehr kreativ.

Ricore: Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.
erschienen am 5. Februar 2009
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Wall-E ist der letzte seiner Gattung. Dazu bestimmt, den Müll der Menschen zu beseitigen, sammeln, sortieren und schichten, räumt er den lieben langen Tag auf. Eines Tages trifft er auf die spacige Roboter-Dame Eve und verliebt sich schlagartig in sie. Für Wall-E beginnt das aufregendste Abenteuer seines Roboterlebens. Pixar musste sich bei "Wall-E" gleich mit mehreren Problemen konfrontierten: Wie mache ich einem kritischen Publikum klar, dass selbst Roboter Gefühle haben und wie baue ich..
1987 wird Jim Morris von George Lucas - ist er für die visuellen Effekte großer Hollywoodproduktionen verantwortlich. Unter seiner Leitung entstehen die Spezial-Effekte für Filme wie "Abyss - Abgrund des Todes", "Terminator 2 - Tag der Abrechnung" und "Hook". Später arbeitet er als Generaldirektor bei Oben" und "Toy Story 3".
2024