Sony Pictures
Regisseur Tim Burton am Set von Big Fish
Hollywood-Zauberer Tim Burton
Interview: Feen, Gnomen und Fantasiegestalten
In seiner Kindheit ist Tim Burton einer jener Jungen, die keiner versteht. Einer, der sich in seine Traumwelt aus Feen, Gnomen und Fantasiegestalten zurückzieht, als ob in die Außenwelt nichts anginge. Unbewusst legt er damals den Grundstein für seine erfolgreiche Karriere als Regisseur von ungewöhnlichen Filmen mit dem magischen Flair. "Big Fish - der Zauber, der ein Leben zur Legende macht" ist das neueste Werk aus seiner Sammlung. Die Vater-Sohn-Geschichte ist, so Burton im Interview mit Ricore, andeutungsweise autobiografisch. Er spricht über große Fische, frühe Einflüsse und das seltsame Erlebnis der Geburt seines Sohnes mit Freundin Helena Bonham Carter.
erschienen am 3. 04. 2004
Regisseur Tim Burton am Set von Big Fish
Ricore: Sie sind ein Meister des Geschichtenerzählens - wie kamen Sie auf diese?

Tim Burton: Die Herausforderung bei diesem Film lag in der Natur der Vater/Sohn-Beziehung. Jede Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist einzigartig und meist schwierig, aber nichts ist komplizierter als eine Beziehung zwischen Vater und Sohn. Dann machte ich es mir auch noch selbst schwer und erzählte den Film in zwei verschiedenen Epochen. Das bedeutete zweifache Besetzung derselben Rollen. Ich fand mich vor einem riesigen Puzzle und musste die Teile so setzen, dass sie auch zusammen passten. Dazu kam noch, dass wir nicht chronologisch drehen konnten, wir wechselten drei-, viermal am Tag die Location, und es war als ob wir jeden Tag einen neuen Film beginnen würden. Wir machten ein Zirkus-Movie, einen Familienfilm, eine romantische Komödie, usw. Das trug natürlich auch dazu bei, dass es immer spannend blieb.

Ricore: Wenn man Ihre Filmographie betrachtet, findet man einen roten Faden, der sich durchzieht: Sie erzählen Ihre Geschichten immer vom Standpunkt des Outsiders, der Person, die gegen den Strom schwimmt. Warum?

Burton: In diesem Fall war das Timing wichtig. Mein Vater war ein Jahr vor den Dreharbeiten gestorben. Ich stand ihm nicht sehr nahe, trotzdem hinterließ sein Tod eine große Leere. Ich begann über unser Verhältnis nachzudenken und wie schwer es ist, es in Worte zu fassen. Dann bekam ich das Drehbuch und es befasste sich mit all den Dingen, über die ich gerade nachdachte. Das war sehr reinigend für die Seele. Denn auf einmal war ich fähig diese Beziehung von beiden Seiten zu betrachten. Ich identifizierte mich mit Billy, ich identifizierte mich mit Ed Bloom und ich identifizierte mich sogar mit dem seltsamen Poeten, den Steve Buscemi spielt. Ich hatte Glück mit diesem Film. Ich musste mich nicht dazu zwingen, Situationen zu finden, in die mich hineinversetzen konnte. Es war eine persönliche Geschichte, die ich vollkommen verstand.
20th Century Fox
Regisseur Tim Burton hat immer eine ungewöhnliche Perspektive im Sinn
Ricore: Waren Sie erstaunt, dass ausgerechnet ein großes Filmstudio so ein Drehbuch hatte?

Burton: Und wie! Normalerweise muss man einem Studio so eine Geschichte verkaufen, indem man den Inhalt in einem einzigen Satz zusammenfasst, denn mehr verstehen diese Leute nicht. Das ist aber unmöglich mit "Big Fish - der Zauber, der ein Leben zur Legende macht". Und die Tatsache, dass das Studio den Film initiierte war sehr ermutigend.

Ricore: Sie drehten in Alabama - wie wichtig war es, den Film nicht auf einem Hollywood-Soundstage zu filmen?

Burton: Auf einem Hollywood-Soundstage werden solche Geschichten oft steril. Sie haben kein Leben, und man sieht das auch. "Big Fish - der Zauber, der ein Leben zur Legende macht" ist eine Südstaaten-Geschichte, aber gleichzeitig wollte ich das alte Südstaaten-Klischee vermeiden, wo ein alter Mann auf der Terrasse sitzt und seine Lebensgeschichte erzählt. In meinen Augen bedurfte es da eines viel diffizileren Zugangs. Will versucht seinen Vater zu verstehen, uns da Publikum muss zeitlich mit ihm mitgehen. Und nicht alles darf perfekt getimed sein. Also versuchte ich, die Balance etwas zu erschüttern.

Ricore: Sie sind selbst gerade Vater geworden...

Burton: Ja, ich rauche Pfeife in meinen Hausschuhen, trage gestrickte Pullover, mache ganz auf Vater! (lacht)
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Regisseur Tim Burton mit Helena Bonham Carter am Set von Big Fish
Ricore: Waren Sie bei der Geburt dabei?

Burton: Ja, und ich kann nur sagen, das war wie mein eigenes, ganz privates Alien-Movie. Mein ganzes Leben lang haben mir Leute immer wieder gesagt, was an mir seltsam ist. Aber die Geburt war das Seltsamste was ich in meinem ganzen Leben erlebt habe. Ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet. Es war großartig! (lacht)

Ricore: Wann verliebten Sie sich in Helena Bonham Carter?

Burton: Das war eine große Überraschung für uns beide. Für mich liegt alles in den Augen, deshalb liebe ich auch Schauspieler, die mit einem Blick alles ausdrücken können. Helena lernte ich am Set von "Planet der Affen" kennen. Aber da war noch nichts zwischen uns, denn ich sah sie nur als Äffin... (lacht) ... und dagegen gibt es bekanntlich Gesetze!
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Regisseur Tim Burton wandelt immer etwas abseits von Hollywoods ausgetretenen Wegen
Ricore: Sie sprachen Sehr viel über die Vater/Sohn-Beziehung im Film - wie war die zu Ihrem eigenen Vater?

Burton: Ich war ihm nicht sehr nahe, und das hat mich lange Zeit verfolgt. Ich fand nie die Beziehung zu ihm. Er war ein guter Typ, aber ich verließ das Nest relativ früh, fand als Erwachsener nie eine enge Beziehung zu ihm. Er war kein Geschichtenerzähler wie Ed Bloom im Film. Aber er hatte etwas von dem Bloom'schen Zauber. Ich erinnere mich an eine Anekdote, wo er bei Vollmond immer seine falschen Zähne rausnahm und mit seinen spitzen Eckzähnen die Kinder in der Nachbarschaft erschreckte. Das brachte mich immer zum Lachen.

Ricore: Welche Art von Beziehung wollen Sie zu Ihrem Sohn aufbauen?

Burton: Tja, also er ist jetzt sechs Wochen alt, und wir hatten noch keinen Streit. So weit so gut! (lacht). Ich denke der Schlüssel zu einer guten Vater/Sohn-Beziehung liegt für mich in der Erkenntnis, dass ich besser nicht zu weit in Zukunft blicke. Sonst bauen sich Erwartungen auf, die nur enttäuscht werden können. Ich denke, es ist wichtig im Moment zu leben und jeden Augenblick voll da zu sein und alles zu geben. Denn am Ende ist es eine Reise ins Unbekannte, und das macht es ja auch so schön und interessant. Ich will nur versuchen mein Bestes zu geben.

Ricore: Sie haben also keine vorgefasste Philosophie darüber wie man Kinder erzieht?

Burton: Das wird sich schon entwickeln. Ich habe eine gewisse Ahnung von den Strukturen, aber ich lasse auch zu, dass sie sich verändern. Es ist nett, im Leben immer wieder überrascht zu werden.
erschienen am 3. April 2004
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Timothy 'Tim' Walter Burton wird am 25. August 1958 in Kalifornien geboren. Schon als Kind zeichnet er gerne. Die Animationsschmiede Cap und Capper" und "Tron" mit. 1985 erscheint Burtons erstes eigenes Werk "Pee-wees irre Abenteuer". Für seine Figuren lässt er sich von Comics, Horrorgeschichten, dem Expressionismus und der Gothicszene inspirieren. Mit "Beetlejuice" (1988) etabliert sich der Regisseur als Schöpfer düsterer, skurriler und morbider Geschichten. Charlie und die Schokoladenfabrik"..
Tim Burtons neues Meisterwerk ist ein weiterer Beweis dafür, dass er der wohl talentierteste Märchenerzähler der zeitgenössischen Filmemacher ist. Mit viel Fantasie und atemberaubenden Bildern erzählt er das abenteuerliche Leben eines außergewöhnlichen Mannes. Eines Mannes, der viel zu groß ist für diese Welt, ein viel zu großer Fisch in einem viel zu kleinen Teich. Es gibt keinen Regisseur, der besser für die Verfilmung des Romans von Daniel Wallace geeignet gewesen wäre, als Tim Burton. Er..
2024