Pro 7
Irren ist männlich, Herbert Knaup
Die Reife kam mit dem Osterhasen
Interview: Herbert Knaup mag starke Frauen
Herbert Knaup ist eine feste Größe unter Deutschlands Schauspielern. Auf der Liste seiner Auszeichnungen stehen unter anderem die Goldene Kamera, der Bayerische und der Deutsche Filmpreis. In unserem Interview zu der TV-Produktion "Liebe und andere Gefahren" gibt sich der 52-jährige, der vor fünf Monaten zum zweiten Mal Vater geworden ist, mal locker, mal nachdenklich. Außerdem erfahren wir, dass der Osterhase im Allgäu nicht nur Schokoladeneier, sondern auch Lebensweisheiten bringt.
erschienen am 15. 03. 2009
Sony Pictures
Herbert Knaup
Ricore: In einem Interview sagten Sie kürzlich "Eine starke Frau ist das Salz in der Beziehungssuppe". Können Sie diese Aussage näher erklären?

Herbert Knaup: Tatsächlich? Das habe ich gesagt? Natürlich, wenn Du keine starke Frau hast, wird's langweilig. Dann benutzt Du die Frau oder machst sie fertig. Es ist doch furchtbar, wenn die Frau alles macht, was Du willst. Und nebenbei stinklangweilig. Es gibt solche Frauen, ich sag mal der Typ Bohlen-Frau. Ich steh auf starke Frauen, die dagegen halten können, ihre eigene Meinung vertreten. Da kracht es natürlich auch mal, aber man trifft sich immer wieder neu um gemeinsam glücklich zu werden. Jeder hat sein Reich, diese zwei Kreise überschneiden sich, ergeben eine Schnittmenge. Dort trifft man sich, aber man verliert sich nicht selbst.

Ricore: Und ab wann ist eine Beziehung versalzen?

Knaup: Wenn einer den anderen unterdrückt, eine Übermacht entwickelt.

Ricore: Erzählen Sie uns bitte etwas über die Geschichte ihres aktuellen Films "Liebe und andere Gefahren".

Knaup: Es beginnt mit einem Klassentreffen, wo sich herausstellt, dass zwischen zwei Menschen, Katja Flint und mir, einmal eine große Liebe bestand. Vordergründig geht es zunächst um die Frage, was aus wem geworden ist. Schnell wird klar, dass der Mann, den ich spiele, etwas plant. Er fingiert eine Entführung, erpresst seine eigene Familie, später stellt sich heraus, dass er seine große Liebe benutzt um seine Ziele zu erreichen.
Sony Pictures
Herbert Knaup
Ricore: Können Sie etwas über eigene Klassentreffen berichten?

Knaup: Nein, ich war zu schlecht in der Schule, hundsmiserabel. Zwei Mal durchgeflogen, mittlere Reife mit Ach und Krach geschafft. Deshalb habe ich Anfragen zu Klassentreffen immer abgelehnt. Da würde ich dann meine Abiturklasse treffen, ich selbst habe aber gar kein Abitur. Von daher habe ich so was noch nicht gemacht.

Ricore: Haben Sie einen bevorzugten Rollen-Typus?

Knaup: Nein, ich habe keine Vorliebe. Es kommt auf die Aufgabe an. Wenn es bei einer Figur etwas zu enthüllen gibt, man hinter die Fassade blicken kann, finde ich das spannend. Ich finde, Schauspielerei hat nichts mit Verstellen sondern mit Enthüllen zu tun.

Ricore: Ist eine Negativfigur für einen Schauspieler eine größere Herausforderung?

Knaup: Es ist immer eine Herausforderung. Wobei es heutzutage eher eine Herausforderung ist, einen Sympathischen Charakter zu spielen. Bei der Finanzkrise und den Depressionen sind doch nur noch miesgelaunte Menschen unterwegs. Einen sympathischen Menschen, einen Gutmenschen nimmt Dir doch heutzutage niemand mehr ab. Jesus Christus war ein Gutmensch - und was ist ihm passiert? Er wurde ans Kreuz genagelt. Die fiesen Rollen sind viel einfacher zu spielen. In diesen Rollen darf man alles ausleben, was normalerweise verboten ist.
Ricore: Inwiefern ist das Verhalten ihrer Figur Tom Sellier realistisch, inwiefern auf das wirkliche Leben übertragbar?

Knaup: Auf so eine abstruse Idee zu kommen, sich selber zu entführen, um die Kohle von der Familie abzuholen, muss man erst mal kommen. Wenn so ein Plan aufgeht, ist das wie ein Lottogewinn. Man will sich raus katapultieren, irgendwo neu beginnen. Wie das in der Wirklichkeit aussähe? Ich glaube, man nimmt seinen Stress überall mit. Wie lange Tom glücklich wäre, wenn er allein an einem Strand abhängt, kann man nicht sagen. Selbst dieser berühmte Posträuber ist irgendwann gestrauchelt. Der wurde völlig verblödet aufgefunden und am Ende doch eingesperrt. Wenn man nicht wirklich etwas Entscheidendes mit sich veranstaltet, in seinem Hirn, in seinen Gefühlen nachschaut, nimmt man den Stress überall hin mit. Man muss wissen, wer man wirklich ist. Der Mann, den ich spiele, ist unreif, noch nicht angekommen. Sonst würde er sich nicht krampfhaft an dieser Frau festhalten. Und das spürt sie natürlich. Sie merkt, dass Tom noch immer der pubertierende 20-jährige ist.

Ricore: Eine allzu reale Situation. Dabei kann man noch was fürs Leben lernen.

Knaup: Ja! Jetzt sind sie ja ins KaDeWe eingestiegen. Das war wie in "Ocean's Eleven". Drei Typen steigen da ein, haben einen Plan, rauben alles aus. Der Juwelier setzt 150.000 Euro Belohnung aus, Wahnsinn. Du gehst in einen Film und lernst was. Auf so eine Idee wär doch sonst keiner gekommen. Wann gab's denn so was zuletzt, den letzten perfekten Raub? Seit "Ocean's Eleven" ist das wieder möglich.

Ricore: Und in ein paar Jahren kann man sich die Verfilmung dieses Einbruchs dann wieder im Kino anschauen.

Knaup: Ja, genau. Mit dem Titel "KaDeWe" (lacht).
20th Century Fox
Herbert Knaup
Ricore: Sie haben 2007 eine Band mit Ihren zwei Neffen gegründet. Können Sie uns was darüber erzählen?

Knaup: Ja ich hab eine Band, aber die Band schläft leider. Die liegt im Tiefschlaf. Weil die zwei Neffen in Amerika sind und wir kaum Möglichkeiten haben, zu spielen. Aber wir hatten einmal die Freude, eine kleine Tour zu machen. Das hat großen Spaß gemacht.

Ricore: Welche Musikrichtung spielen Sie?

Knaup: Rock. Ich hab jetzt keinen CD-Player dabei, sonst hätte ich Ihnen was vorgespielt. Ich hab die Platte zufällig dabei. Wo ist denn meine Tasche (steht auf und sucht). Das ist Rock. So zwischen Coldplay, Talking Heads, Radiohead und David Bowie.

Ricore: Cool. Das hört sich aber nach Anspruch an.

Knaup: (immer noch stehend in seiner Tasche nach der CD suchend) Wir singen auf Englisch. Die Leute haben das gehört und gesagt "Das gibt’s nicht, das bist Du nicht!". Und ich "Doch, ich bin das." - "Nein, das kann nicht sein!" - "Doch, ich bin das." Gott, wo hab ich denn die CD…

Ricore: So lässt sich's leben. Schauspieler sein und nebenher Rockmusik machen.

Knaup: Uwe Ochsenknecht, Jan Josef Liefers und Ulrich Tukur mit seiner Band, die machen alle Musik - auch Gustav-Peter Wöhler. Es ist natürlich toll, solche Sachen ausleben zu können, diese Möglichkeit zu haben. Dafür bin ich dankbar. Ich schau nachher nochmal nach der CD... (sucht weiter) Ich wollte eigentlich immer Musiker werden. Das hab ich mich aber nicht getraut. Ich hab immer gedacht, dass Du nur als Amerikaner oder Engländer richtig erfolgreich sein. Heute hat sich das ja verändert, aber zu meiner Zeit... Ich bin jetzt 52, in meiner Jugendzeit war so etwas nicht möglich - auf Deutsch Musik machen. Da fing Udo Lindenberg gerade an, fürchterlich damals. Also für mich ist das heutzutage Kult. Alles klar auf der Andrea Doria (setzt sich wieder). Der hat's erfunden. Meine Schwester ist selbst erfolgreiche Rockmusikerin gewesen, 14 Platten gemacht in der Zeit. Ich dachte immer "Das geht gar nicht - Musik aus deutschen Landen - Undenkbar!" Und jetzt hagelt's ja nur noch großartige Musik. Swingend, rockend, alles auf Deutsch. Von Roger Cicero bis Deichkind.
Ricore: Heute sind wir bei Deichkind angelangt. Die Zeiten ändern sich.

Knaup: Genau. Ich erinnere mich, dass damals ein Freund von mir, vor zehn, 15 Jahren war das, sagte, er wolle Internet machen. "Ich will da so Seiten entwickeln." Ich sah in nur an und fragte "Wie willst denn Du da reinkommen!" "Ja, da komm ich rein" "Ach red' doch keinen Scheiß!" Heute arbeitet er als Webdesigner. Das meinte der damals schon, konnte es aber nicht formulieren, weil es das Wort noch nicht gab. Er sagte immer "Ich will das gestalten, ich will selber so Seiten machen". Das war damals erst in den Startlöchern. Genauso war das mit der Musik. Ich dachte immer "Wie willst Du jemals deutsch singen, das geht gar nicht!"

Ricore: Von der Moderne zu Traditionen und Bräuchen. Was macht Herbert Knaup an Ostern?

Knaup: Das wurde bei uns früher gefeiert. Doch jetzt hab ich ja einen kleinen Buben, viereinhalb Monate alt, wahrscheinlich mach ich was. Andererseits erschrickt der sich ja zu Tode wenn ich als Osterhase durchs Zimmer poltere. Meine Mutter hat immer Ostern gefeiert, das erinnert mich an ein prägendes Erlebnis. Ich komme aus dem Allgäu. Dort ging meine Mutter an Ostern mit mir eine Allee entlang. Sie verlangsamte den Schritt und sagte "Jetzt schaue mer emol ob dr Oschterhaas Dir was brocht hot" Also ob der Osterhase mir was gebracht hat. Ich bin als Kind an ihrem Arm gelaufen, guckte hinter einen Baum - nichts. "Hooi, nix!" Dann sind wir weiter zum nächsten Baum: "Do isch ja wieder nix!" Dann nochmal, nächster Baum, nächster Baum, die ganze Allee runter. Mindestens 15 Bäume - nichts. Dann hat sie gesagt "Jetzt gemma wieder" Ich hab mich ganz traurig umgedreht, wir sind wieder zurückgelaufen. Plötzlich wies sie auf einen Baum. "Schau mal, da!". Ich hin und plötzlich liegt da ein Ei, ein Schokoladenei. Und hinter dem nächsten Baum wieder. Und wieder. Hinter meinem Rücken hat meine Mutter hinter alle Bäume was gelegt. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis. Wenn Du was erwartest, bekommst Du nichts. Wenn Du nichts erwartest, wenn Du los lässt, dann fällt Dir was zu.
erschienen am 15. März 2009
Zum Thema
Herbert Knaup ist aus dem zeitgenössischen, deutschen Film nicht mehr wegzudenken. Dabei kam er erst nach 15-jähriger Bühnentätigkeit in Heidelberg, Basel, Bremen, Wien und Köln zum Filmgeschäft. In seiner langjährigen Bühnenkarriere hat er von der Komödie bis zum Polizeifilm alle Genres gespielt. Dominik Graf drehte 1994 mit "Die Sieger" einen deutschen Actionfilm, der trotz herausragender Besetzung (Hannes Jaenicke, Katja Flint, Natalia Wörner) vom Publikum verschmäht wurde. Herbert Knaup..
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