Constantin Film
Produzent Oliver Berben (Premiere "Männersache")
Licht am Ende des Tunnels
Interview: Oliver Berbens Vision
Oliver Berben hatte einen Traum: Tabor Süden sollte Friedrich Anis Büchern entspringen und die Bildschirme in den heimischen Wohnzimmern füllen. Ab dem 4. April 2009 strahlt das ZDF den ersten Teil der neuen Krimireihe "Kommissar Süden" aus. Mit uns sprach Iris Berbens Sohn über die Kreativität eines Produzenten, seine neue Aufgabe bei Constantin und die Geldprobleme der Filmbranche. Auch hier macht sich die Finanzkrise bemerkbar.
erschienen am 21. 04. 2009
Andrea Niederfriniger/Ricore Text
Romanautor Friedrich Ani mit Produzent Oliver Berben
Ricore: Warum war Ulrich Noethen für Sie als Produzent der perfekte Tabor Süden?

Oliver Berben: Als ich die Romane gelesen habe, war das Äußere für mich nie der ausschlaggebende Punkt. Zwar wird Südens Äußeres in den Romanen dezidiert beschrieben, aber er war für mich immer ein bestimmter Typ Mensch. Friedrich Ani schildert es so: Süden ist ein Mensch, der in andere gut hineinkriechen kann, der die Außenwelt abschaltet und sich auf ein Thema und einen Menschen fokussieren kann. Darum geht es bei Süden nicht um sein Äußeres. Der zweite Umstand ist, dass Ulrich Noethen in seiner Bandbreite als Schauspieler unglaublich viel abdecken kann.

Ricore: Sie haben schon Erfahrung mit ihm gesammelt, etwa bei der "Patriarchin".

Berben: Ja, damals spielte er einen Macho. Die Frauen standen auf ihn, er bewegte sich weltmännisch durch die Finanzwelt. Kurz darauf habe ich einen anderen Film mit Uli gesehen, "Der Boxer und die Friseuse", wo er um 180 Grad gewendet gespielt hat. Diese Bandbreite fand ich bestechend. Aber auch seine Art als Mensch entspricht sehr stark Tabor Süden, zumindest wie ich ihn mir vorstelle. Sein ruhigerer, nachdenklicher, melancholischer und auch zurückhaltender Blick auf Dinge und Menschen haben mich an den Süden erinnert.

Ricore: Mussten Sie ihn dennoch von der Rolle überzeugen?

Berben: Überreden und überzeugen sind zwei verschiedene Dinge. Wenn ich gemerkt hätte, dass er das partout nicht will, hätte ich das nicht gemacht. Aber ich habe gemerkt, dass seine anfängliche Distanz vom Äußeren her stammt. Tabor Süden wird im Buch genau beschrieben, mit Lederhose und langen Haaren. Ich habe Uli gesagt: "Vergiss das! Denk darüber nicht nach. Wir machen keine Dokumentation zum Buch. Wir kreieren ein eigenes Medium." Und darin soll der Geist des Buches vorkommen. Dabei ist es völlig wurscht, was der Mann anhat und wie er ausschaut. Es ist nur wichtig, wie er sich benimmt und was er ausstrahlt. Alles andere ist in diesem Fall unerheblich.
ZDF/Erika Hauri
Kommissar Süden und der Luftgitarrist
Ricore: Wie lange hat diese Überzeugungsarbeit gedauert?

Berben: Nun ja, nach einiger Zeit hat er das verstanden. Wenn Sie Vorlagen wie jene von Friedrich Ani haben, geben Sie Ihre eigene Vorstellung nicht leicht her. Aber ein Schauspieler weiß sehr schnell, was möglich ist und was dahinter steckt. Das ist ein großer Reiz. Das hat Uli schnell begriffen.

Ricore: Ist eine Literaturverfilmung nicht gefährlich?

Berben: Eine gesunde Skepsis ist immer gut. Der Film muss am Ende aber überzeugen, vor allem die Skeptiker. Ich bin von Natur aus keiner und versetze mich daher auch nur selten in deren Lage. Worum es mir geht, sind Friedrich Anis Fans. Die sollen verstehen und mit Freude zuschauen, was wir gemacht haben. Natürlich kann es sein, dass sie am Anfang einen Augenblick brauchen, in den Film hineinzukommen, sich diese Welt neu vorzustellen. Das macht nichts, solange sie sich darin wohl fühlen. Und eines kann ich Ihnen sagen: Als Gradmesser gibt es nicht Schärferes als der Romanautor. Wenn die Filme nicht funktionieren würden, hätte mir das Fritz von Anfang an gesagt.

Ricore: Er war aber nicht von Anfang an begeistert von der Idee einer Verfilmung…

Berben: Es geht hier nicht um Begeisterung. Aber am Anfang hatte er natürlich anderes im Kopf.
ZDF/Erika Hauri
Martin Feifel übt sich im Luftgitarrespielen
Ricore: Hätten Sie nicht auch Lust, wieder mal Regie zu führen?

Berben: Das ist keine Frage der Lust. Davon hab ich viel. Aber seit Januar 2009 habe ich als Geschäftsführer von Constantin Film eine große Aufgabe mit übernommen. Ich habe mich klar für einen Berufszweig entschieden.

Ricore: Wir werden Sie in näherer Zukunft also nicht mehr als Regisseur erleben?

Berben: Ich kann Ihnen nicht sagen, was die Zukunft bringen wird. Man lebt ja nur im Jetzt. Ich kann Ihnen höchstens sagen, dass das, was ich jetzt mache und die letzten Jahre gemacht habe, das Produzieren, auch die nächsten Jahre weitermachen will. Das ist nämlich das, was mich am meisten ausfüllt.

Ricore: Was ist Ihre Aufgabe bei Constantin?

Berben: Das kann ich Ihnen hier und jetzt nicht schildern, das ist ein eigener Bericht. Aber es geht im Wesentlichen um das Filme produzieren. Fürs Fernsehen und fürs Kino und zwar viele Filme. Diesen Bereich aufzubauen war mit ein Grund, warum ich diesen Job angenommen habe.

Ricore: Was genau fasziniert Sie an Ihrem Beruf, Filme zu produzieren?

Berben: Es gibt nicht eine schönste Sache. Es gibt viele tolle Dinge dran. Das Schönste ist, man hat die Möglichkeit zu kreieren. Sie können morgens aufstehen, haben einen Traum, eine Idee gehabt, vielleicht ein Buch gelesen, und Sie können sich vorstellen, dass dies ein Film wird. Das Zusammenholen von Menschen, das Entwickeln eines Stoffes, das Schreiben bis hin zum Drehen und Fertigstellen des Films, ist ein schöner, kreativer und immer wieder unterschiedlicher Prozess. Jeder Film, jedes Thema und jedes Genre ist anders. Diese Abwechslung lässt diesen Beruf so vielseitig sein. Wenn man glaubt, schon viel gesehen zu haben, kommt immer etwas Neues daher. Das ist erfrischend und hält einen bei der Stange. Man muss sich aber auch sehr konzentrieren, da sehr viele Personen involviert sind.
Andrea Niederfriniger/Ricore Text
Oliver Berben im Gespräch
Ricore: Ist es nicht der Regisseur, der schlussendlich die kreative Arbeit macht?

Berben: Ist das so? Das Berufsbild eines Produzenten zeichnet sich in erster Linie durch seine Kreativität aus. Stellen Sie sich mal vor, wie kreativ man sein muss, um die Finanzierung eines Films aufzustellen. Es fängt damit an, welchen Stoff Sie auswählen. Ist es ein Roman, ein zeithistorisches Dokument, ein Zeitungsartikel, eine Biografie? Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Möglichkeiten, um an einen Film heranzugehen. Welche Person nehmen Sie sich, um diesen Film zu verwirklichen: Autor, Regisseur, Schauspieler? Dieses Paket zusammen zu stellen ist die wichtigste und kreativste Aufgabe des Produzenten. Wenn Sie dies nicht haben, gibt es auch nichts, was Sie produzieren können.

Ricore: Ist die Finanzierung in der Wirtschaftskrise noch schwieriger geworden?

Berben: Ja klar, man hat viel mit Banken und den Auftrag gebenden Sendern im öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehen zu tun. Das trifft alle und führt dazu, dass die Finanzierung schwerer wird.

Ricore: Zurück zu Tabor Süden. Sie gehen mit der Verfilmung der Romane nicht chronologisch vor, warum?

Berben: Ich habe sehr lange darüber nachgedacht. Ich glaube, dass die Exposition, wie sie im ersten Teil der Romanreihe vorgenommen wird, zu lange dauert. Ich wollte die Reihe gerne mit Themen beginnen, die den Zuschauer sofort packen. Ein weiterer Grund ist, dass es bereits eine gewisse Konstellation von Beziehungen gibt und nicht lange erklärt werden muss, wie es dazu kommt. Die Zuschauer werden in ein bestehendes Universum hineinversetzt. Im Roman kann man sich im Gegensatz zum Film sehr viel mehr Zeit nehmen, Leser in Personen, Geschichten oder Themen einzuführen.

Ricore: Friedrich Ani fungiert als Drehbuchautor des zweiten Teils der Filmreihe. Warum nicht auch beim ersten Teil?

Berben: Er wollte am Anfang nicht schreiben. Er hat gesagt, ich habe schon die Romane geschrieben, lasst das bitte einen anderen Autor machen. Er schlug Claus Cornelius Fischer vor, ein Freund von ihm. Als er das Ergebnis des Drehbuchs und des ersten Films gesehen hat, hat ihm das einen Pusch gegeben und er bekam Lust, das Drehbuch zum zweiten Teil selbst zu schreiben. Das war toll. Ich hoffe, dass Ani mehr Drehbücher für uns schreibt, sollte die Reihe weiter gehen.
Andrea Niederfriniger/Ricore Text
Oliver Berben produziert "Kommissar Süden"
Ricore: Es scheint, als hätten Sie für den Fall X schon alles geplant?

Berben: Absolut!

Ricore: Die Tabor-Süden-Filme unterscheiden sich von anderen Krimis vor allem durch ihre zurückgenommene Geschwindigkeit. Sehen Sie darin eine gewisse Gefahr?

Berben: Das kann ich nicht sagen, die Frage hat sich auch nicht gestellt. Die Romane erzählen diese Langsamkeit, die elementar für Tabor Südens Figur ist. Ich war schon immer ein Freund von konsequentem Erzählen. Ich halte nichts davon, dem Zuschauer eine Mogelpackung vorzusetzen. Ich glaube, dass sich der Zuschauer von heute sehr genau aussucht, was er sich ansieht und bereit ist, sich auf komplizierte Dinge einzulassen. Er wird gerne gefordert. Es ist ein großer Irrtum zu glauben, dass dies nicht so ist. Insofern habe ich keine Angst, dass sich der Betrachter überfordert fühlt oder dass ihn die Reihe abschreckt. Es ist aber ganz wichtig, sich nicht zu wiederholen. Man muss vielmehr etwas Neues schaffen und dem Zuschauer die Möglichkeit bieten, etwas Neues anzugucken.

Ricore: Haben Sie Friedrich Ani jemals gefragt, warum er seinen Hauptkommissar Tabor Süden nannte?

Berben: Wir haben viel diskutiert. Ich habe es so verstanden, dass der Name eine Metapher für Hoffnung ist und ein gewisser Optimismus drin steckt. Er will damit wohl sagen, dass es Licht am Ende des Tunnels gibt.

Ricore: Mit Süden assoziiert man ja eigentlich Sonne, Strand und Meer. Und dann spielt die Geschichte in München...

Berben: Also ich bitte Sie, München ist ja wohl Süden pur (lacht). Das ist doch der Inbegriff von Süden hier in Deutschland.
erschienen am 21. April 2009
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Im zweiten Fall der Münchner Kommissare Tabor Süden (Ulrich Noethen) und Martin Heuer (Martin Feifel) geht es um einen verschwundenen Luftgitarristen. Auch hier herrscht dieselbe Grundstimmung wie in "Das Geheimnis der Königin", trotz dem Regisseur- und Autorenwechsel. Das Skript schrieb Romanautor Friedrich Ani dieses Mal selbst. Das gemächliche Tempo aus dem ersten Teil wurde zwar beibehalten, wird allerdings - vielleicht aufgrund der menschlichen Gewohnheit - nicht mehr als so auffällig..
2024