Boris Breuer
Thomas D. liebt verrückte Songs
Die Zukunftsvision des Thomas D.
Interview: Nachdenklicher Rapper
Schwere Themen fallen ihm leicht, leichte Themen etwas schwerer. In unserem Interview zum DVD-Start von "Der Tag, an dem die Erde stillstand" gab sich der deutsche Rapper Thomas D. als nachdenklicher, aber auch unterhaltsamer Zeitgenosse. Außerdem verrät er uns, wie es sich anfühlt, ohne die Band "Die Fantastischen Vier" auf Tournee zu sein. Am 8. Mai 2009 kommt seine Single "Neophyta" in den Handel. Von seinen Live-Qualitäten kann man sich ab dem 23. Mai 2009 überzeugen.
erschienen am 8. 05. 2009
TCFHE
Der Tag, an dem die Erde still stand
Ricore: Ihr Lied "Vergiftet im Schlaf" ist im Abspann des Science-Fiction-Film "Der Tag, an dem die Erde stillstand" zu hören. Wie kam es dazu?

Thomas D.: Hollywood hat angerufen. Das passiert mir ungefähr drei Mal die Woche und ich gehe gar nicht mehr ans Telefon. Die immer, mit ihrem großen Kino (lacht). Nein, in diesem Fall war das wirklich interessant. Der deutsche Filmverleih [20th Century Fox Anm. d. Red.] hat sich gedacht, dass sie dem Film etwas geben wollen, dass den Tenor des Films unterstützt. Und da kamen sie auf mich und meinen Song "Vergiftet im Schlaf". Nachdem ich mich mit der Geschichte des Films auseinandergesetzt habe fand ich, dass das sehr gut passt. Außerdem fühlte ich mich geehrt und dachte mir, "Gut, dann habe ich halt ein Video in dem Keanu Reeves mitspielt. Kann man auch mal machen.

Ricore: Was sind die Übereinstimmungen?

Thomas D.: Im Film geht es auch um die Zerstörung der Natur und die Vernichtung der Welt. Die Außerirdischen glauben, dass sie die Welt retten, wenn sie die Menschen vernichten. Kein schlechter Gedanke. Mancher Mensch kam da auch schon drauf. Das passt sehr gut zu meinem Song.

Ricore: Glauben Sie an Außerirdische?

Thomas D.: Bei dieser Anzahl von Sternen, ist eine Konstellation die Leben ermöglicht sehr wahrscheinlich. Also wäre es doch dumm zu glauben, es gäbe da draußen kein anderes Leben. Allerdings sind die Entfernungen sehr weit und wenn sie keine andere Reisemöglichkeit erfinden, außer durch Raum und Zeit, werden sie hier nie ankommen. Deshalb ist eine Kontaktaufnahmen fraglich. Allerdings weshalb sollten sie keine andere Möglichkeit haben? Das wird in dem Buch "Dune - Der Wüstenplanet" sehr schön beschrieben. Die "foldspace" Raumschiffe [Faltraumschiffe Anm. d. Red.] zum Beispiel. Sie falten den Raum zusammen wie eine Landkarte. Dann ist A und D auf einmal ganz nah beieinander. Ich kann mir das schon ganz gut vorstellen, dass die Jungs mal vorbei geschaut haben. Aber mich hat noch keiner entführt (lacht). Zumindest kann ich mich nicht erinnern.
Dominik Plüs
Thomas D.
Ricore: Sind Sie ein Science-Fiction Fan?

Thomas D.: Ja, schon ein bisschen. Ich mag das sehr. Ich bin zwar kein Anhänger der klassischen Serien, wie "Kampfstern Galactica". Ausgenommen ist natürlich "Raumschiff Enterprise". Da habe ich mich ein bisschen reingeguckt. Aber die Vorstellung von neuen Welten und Planeten finde ich total faszinierend. Es gibt Experten, die glauben, die einzige Überlebenschance der Menschen liegt im All. Das ist mir ein bisschen zu resignativ. Ich hätte gern die Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten. Dafür setze ich mich auch ein.

Ricore: Wie entstehen die Ideen für Ihre Texte?

Thomas D.: Das darf ich nicht verraten, sonst machen Sie es selber.

Ricore: Genau das habe ich vor. Deswegen frage ich.

Thomas D.: Das lässt sich natürlich nicht einfach beantworten. Es ist mir selbst manchmal ein Rätsel. Ich versuche offen durch die Welt zu gehen. Inspiration findet sich tatsächlich fast überall. Manchmal ist es ein Nebensatz, ein Bild, ein Gefühl oder eine Situation. Es kann aber auch einfach ein Film sein. Andere Musik ist immer eine sehr gute Inspirationsquelle. Plötzlich hat man was und denkt sich:"Wow. Kann ich das haben? Natur, kann ich mir das Bild ausleihen?" (lacht) Man hat eine Grundidee, einen Ansatz. Ich glaube, dass ist das was man allgemein Inspiration nennt.

Ricore: Wie geht es dann weiter?

Thomas D.: Eigentlich macht Inspiration nur fünf Prozent des Songs aus. Die anderen 95 Prozent sind harte Arbeit, scharfes Nachdenken, langes Darübersitzen und Auseinandersetzen. Man muss immer versuchen, nicht von der ersten Idee abzuweichen. Nicht schlechter zu werden. Man darf nicht abkacken. Es bringt nichts, wenn ich eine grandiose Idee habe und dann daraus einen mittelmäßigen Song mache. Man muss versuchen, denn Moment des Durchscheinens von etwas Besonderen zu bewahren und zur Geltung zu bringen. Und das in einem vier Minuten Song.
Andreas "Bär" Läsker
Thomas D. der "Fantastischen Vier"
Ricore: Sie engagieren sich privat unter anderem für Tierschutzorganisation. Inwieweit kommt das in Ihren Texten zur Geltung?

Thomas D.: Ich habe Songs, die sich explizit damit auseinandersetzen. Allerdings nicht besonders viele. In "Gebet an den Planeten" zum Beispiel gibt es eine Strophe über das Tier, die Natur und den Planeten, weil der Mensch alles drei nicht so gut behandelt. Auf meinem aktuellen Album "Kennzeichen D" sage ich direkt am Anfang in meinem Intro-Song "Deshalb bin ich hier" auf eine sehr unterhaltsame, aber dennoch inhaltlich ernst gemeinte Weise, was mir wichtig ist.

Ricore: Können Sie ein Beispiel geben?

Thomas D.: "Ich bau auf Bio, ich will mein Geld nicht denen geben, die billig produzieren auf Kosten der Welt." Damit mache ich meinen Standpunkt klar. Das muss ich aber nicht in allen meinen Songs machen. Wenn mir etwas auf dem Herzen liegt und ich das Gefühl habe, ich müsste darüber reden, dann mache ich einen Song darüber. In meinen anderen Songs versuche ich ein bisschen das Bewusstsein der Menschen und ihre Verantwortung zu wecken. Ich möchte auf die Verantwortung die wir für Tier, Mensch und Natur haben, ohne den Zeigefinger zu heben.

Ricore: "Vergiftet im Schlaf" ist auf dem recht tanzbare, lockeren "Kennzeichen D" Album eher die Ausnahme. Hatten Sie ein Bedürfnis nach leichteren Themen?

Thomas D.: Eigentlich fallen mir ernstere Themen leichter. Und leichtere Themen schwer. Ich hatte bei diesem Album das Gefühl ich müsste endlich einmal ein paar leichte Themen ansprechen. Ich habe tanzbare Stücke gemacht, die auch gute Laune machen. Und mal den Ansatz versucht auf diesem Wege zu den Leuten zu kommen. Sie hören Stücke, die ihnen gute Laune machen und bekommen aber auch inhaltlich was mit. Also eher durch die Hintertür. Aber natürlich gibt es auch Stücke wie "Vergiftet im Schlaf", "Sinfonie der Zerstörung", "Vergebung, hier ist sie" und "An alle Hinterbliebenen". Die gehören auf dieser Platte zu den ernsten Stücken.
Boris Breuer
Thomas D. liebkost seine E-Gitarre
Ricore: Können Sie erklären, warum Ihnen ernstere Themen leichter fallen?

Thomas D.: Das entspricht vielleicht eher meinem Charakter. Es ist natürlich auch nicht einfach, so ein Stück zu schreiben. Das bedarf viel Zeit und Nachdenken. Es ist mehr meine Natur. Aber ich habe auch eine sehr leichte Seite und die hatte ich bis jetzt musikalisch noch nicht so vertreten. Bei "Kennzeichen D" dachte ich, zeig dich auch mal von der leichten Seite.

Ricore: "An alle Hinterbliebenen" behandelt Ihre Erlebnisse während des Tsunami in Thailand 2004. Wieso haben Sie erst ein paar Jahre später veröffentlicht, dass Sie beinahe ein Opfer des Tsunami geworden wären?

Thomas D.: Meine damals anderthalbjährige Tochter, meine Frau und ich sind in Khao Lak von dem Tsunami überrascht worden. Dass wir überlebt haben, ist für mich ein Wunder. Wir waren sehr nah am Strand und wurden über vier Kilometer ins Landesinnere gespült. Sterben war sehr einfach und Überleben sehr schwierig. Danach hatte ich erst einmal nicht das Bedürfnis darüber zu reden. Zumal andere Prominente das Thema nach meinem Gefühl ausgeschlachtet haben. Ich habe einen Artikel gelesen, da hieß es: "Wir hatten Glück, unsere Villa stand etwas weiter oben. Aber wir haben gesehen, dass Menschen ertrinken. Da habe ich gedacht: "Entschuldigung, wer bist du, dass du so tun kannst, als wäre deine Geschichte gerade wichtig." Es gab so viele Tote dort. Und dann diese Schicksale, wenn Menschen ihre Kinder verlieren oder Liebende auseinandergerissen werden. Menschen, die sehen, wenn ihre engsten Freunde oder Familienangehörige ertrinken. Da habe ich mich gefragt: "Wie wird man mit so etwas fertig?"
Boris Breuer
Thomas D. mags verrückt
Ricore: Wie ist "An alle Hinterbliebenen" dann entstanden?

Thomas D.: Ich dachte mir, dass ich eigentlich jemand bin, der so ein Erlebnis in Worte packen kann. Wenn der Schmerz ganz frisch ist. Einen Song zu machen, der sich in diesen Bereich vorgewagt und sagt "Lass ihn zu, weine, lass es raus und der Song hilft dir dabei" ist eine große Aufgabe. Dann kam einer meiner Produzenten mit dem Instrumental zu dem Song und da wusste ich, dass die Zeit gekommen ist, darüber zu schreiben. Beziehungsweise, das was ich schon geschrieben habe, zu Ende zu schreiben. Ich habe versucht den Song mit einer gewissen Würde zu schreiben, dass er Menschen hilft, die dieses Schicksal erleiden mussten.

Ricore: Am 8. Mai 2009 wird "Neophyta" ausgekoppelt. Können Sie etwas über die Single erzählen?

Thomas D.: "Neophyta" handelt von Lieben und Loslassen. Das ist eine sehr große Lektion, die wir alle hoffentlich lernen in unserem Leben. Das Vater oder Muttersein ist eine Aufgabe, die einen sehr lange begleitet. Das durfte ich auch erleben. Ich bin Vater von einer sechsjährigen Tochter und einem einjährigen Sohn. Man sieht zu, wie die Kinder immer auch Schritte von einem weg machen, beginnen ihr eigenes Leben zu leben. Eigentlich will man das auch, aber man liebt sie natürlich und hätte sie gern immer bei sich. Ich weiß, dass genau in diesem Gefühl immer sehr viel Schmerz sein wird. Sie werden eines Tages von mir weggehen, so wie ich von meinen Eltern weggegangen bin. Der Song ist aber auch für Liebende gedacht, die sich auseinandergelebt haben. Für Freunde oder Freundinnen, die merken, dass man eine Person gehen lassen muss. Nur wenn man liebt und loslässt, kann die Liebe auch bleiben. Man kann sich immer wieder begegnen. Eine Tür geht nie ganz zu. Ein Freund von mir sagt, es wäre mein bester Text auf dem Album.

Ricore: Sie sind ab Ende Mai dieses Jahres auf Tournee. Wie wichtig sind Live-Auftritte für Sie?

Thomas D.: Solo habe ich noch nicht so viele Auftritte gemacht. Mit meiner Band ["Die Fantastischen Vier", Anm. d. Red.] habe ich fast 700 Konzerte gegeben. Da ist man entspannt und geht ganz locker auf die Bühne. Man hat man Spaß und alles ist gut. Solo hatte ich zwar ein paar Auftritte, aber das war etwas anderes. Jetzt bin ich zum ersten Mal auch mit meinen alten Songs, wie zum Beispiel "Rückenwind", unterwegs. Ich habe viele tanzbare "Abgeh-Stücke" im Programm. Meine Begleitband ist ein absoluter Volltreffer für mich. Ich weiß, dass jeder dieser Menschen mit der gleichen Leidenschaft bei der Sache ist wie ich. Ich bin nicht alleine auf der Bühne, aber sie lassen mich allein, wenn ich das will. Bei der Party ist die Band energetisch da. Wenn es zu ruhigeren Stücken übergeht, ziehen sie sich zurück und geben mir meinen Raum. So kann ich vorne allein meinen Senf abgeben (lacht). Das fühlt sich ganz großartig an, ist aber auch mit Lampenfieber verbunden. Das Gefühl kannte ich gar nicht mehr. Auf der Bühne löst sich die Aufregung dann in etwas ganz Erfüllendes auf. Dann weiß ich, dass ich genau das machen will. Ich glaube, das kann man auch im Publikum spüren.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.

Die Tourdaten von Thomas D. 2009 sind:

Würzburg Soundpark Ost (23.05.09), Erlangen E-Werk (25.05.09), Krefeld Kulturfabrik (26.05.09), Osnabrück Rosenhof (27.05.09), L-Luxemburg Kulturfabrik (02.06.09), Recklinghausen Vest Arena (05.06.09).
erschienen am 8. Mai 2009
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2024