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Hans-Christian Schmid
Hans-Christian Schmid liebt Konflikte
Interview: Gegenwart vor Vergangenheit?
Hans-Christian Schmid interessiert sich vor allem für Menschen mit Konflikten. Mit Historienfilmen oder epischen Dramen kann er hingegen wenig anfangen. Mit uns sprach er über sein neuestes Werk, "Sturm". Im Zentrum steht eine Anwältin, die sich von ihrer Außenwelt und ihren sozialen Beziehungen komplett abschirmt und eigentlich nur für ihre Arbeit am Haager Kriegsverbrechertribunal lebt.
erschienen am 8. 09. 2009
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Hans-Christian Schmid im Gespräch
Ricore: Wie ist es zu dieser Geschichte gekommen?

Hans-Christian Schmid: Ich mag es, wenn sich Filme mit Welten beschäftigen, die ich noch nicht kenne. Drehbuchautor Bernd Lange und ich sind in erster Linie durch die Begegnung mit einer deutschen Anklägerin auf das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag aufmerksam geworden. Wir wollten jene Konflikte erzählen, die in Zusammenhang mit dem stehen, was sie macht.

Ricore: Hatten Sie sich vorher schon vor dem Film mit den Ereignissen in Bosnien und Herzegowina beschäftigt?

Schmid: Nein. Ich habe mich wie die meisten anderen verhalten: Ab einem bestimmten Zeitpunkt habe ich abgeschalten. Es war irgendwann zu kompliziert, wer wann warum mit wem gekämpft hat. Sowohl Völkerrecht, als auch der Bosnienkrieg waren komplettes Neuland für uns. Wir mussten uns da sehr einarbeiten.

Ricore: Haben Sie aus der Arbeit eine neue Erkenntnis gewonnen?

Schmid: Unsere Arbeit in Bosnien war sehr einfach und interessant. Wir hatten eine tolle Serviceproduktion, die direkt aus Bosnien kamen und uns mit vielen Insiderinformationen versorgten. Als Außenstehender hat man immer ein bestimmtes Bild von einem Staat, das in keinster Weise vergleichbar ist mit dem der Einheimischen. Ich glaube, dass die Belagerung die Bosnier zusammengeschweißt hat. Dieses Solidaritätsgefühl ist heute noch spürbar, ebenso wie die Spuren des Krieges sichtbar sind. Das Tribunal in Den Haag ist natürlich weit weg davon. Dort sitzen Menschen, die versuchen, sich aus der Ferne ein Bild zu machen, was damals geschehen ist. Das gelingt ihnen mehr oder weniger gut.
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Am Set: Hans-Christian Schmid
Ricore: Wie hat die Bevölkerung bei den Dreharbeiten reagiert?

Schmid: Wir haben gar nicht versucht, das publik zu machen, Schaulustige oder gar Journalisten abzuschirmen. Es gab ein paar Artikel in einer Zeitung. Wir waren an unserem Drehort, da kommen nicht viele Passanten vorbei. Die Anekdoten geschehen eher im Vorfeld. Bernd Lange und ich haben viele Interviews geführt. Da sind uns Geschichten erzählt worden, die teilweise mit dem Film, den wir im Kopf hatten, übereinstimmten. Natürlich haben wir dann versucht, unser Buch entsprechend zu entwickeln, damit wir diese Geschichten unterbringen konnten.

Ricore: Gab es Ressentiments, da Bosnien durch seine dreigeteilte Regierung ja nicht sonderlich stabil ist?

Schmid: Es war nicht bekannt, dass wir dort waren und was wir dort gemacht haben. Es wissen ja auch die wenigsten in Deutschland, dass Bosnien und Herzegowina aus zwei Entitäten besteht. Wir haben uns im Vorfeld vor Ort mit einem EU-Assoziierungsbeauftragten getroffen, der sicherlich nicht einverstanden wäre, wenn er wüsste, wie unser Film jetzt aussieht. Wir haben uns erzählen lassen, wie er sich die Zukunft seines Landes vorstellt. Er hat sich sehr weltoffen gezeigt und meinte, man wolle sich Europa annähern. Es war auch die Rede einer gemeinsamen Polizei, welche die beiden Entitäten bekommen sollten.

Ricore: Diesen Sommer sind einige Filme angelaufen, die den Krieg behandeln. Ist das eine neue Welle?

Schmid: Ich beschäftige mich sehr viel lieber mit der Gegenwart. Ich möchte niemanden was unterstellen, aber sehr oft steckt hinter solchen Filmen die Idee, ein Produkt herzustellen. Man fragt sich, was könnte denn grad gut funktionieren im Kino. Manchmal sind das die 1940er Jahre, irgendwann die 70er. Und irgendwann hat man dann das Gefühl, dass schon alles erzählt ist. Grundsätzlich finde ich es nicht verkehrt, diese Zeit aufzuarbeiten, das kann man selbst nach sechs Jahrzehnten noch, aber meistens bin ich nicht damit einverstanden, wie es passiert.
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Sturm
Ricore: Eine Frage zu Ihrer Hauptfigur, von deren Privatleben man kaum etwas erfährt. Warum wollten Sie diese einsame Figur zeigen?

Schmid: In erster Linie erzählen wir doch sehr handlungsorientiert. Szenen, die sich mit dem Privatleben beschäftigen, funktionieren in solchen Filmen meist nicht und man läuft Gefahr, den Zuschauer zu langweilen. Gleichzeitig dachten wir, dass es für viele Tribunal-Mitarbeiter typisch ist, dass sie voll und ganz in ihrer Arbeit aufgehen, sodass für das Privatleben kaum Platz hat. Das heißt nicht, dass alle alleinstehend sind, aber viele, die wir getroffen haben, bemerkten, dass Beziehungen und Privatleben eine sehr kleine Rolle in ihrem Leben spielen.

Ricore: "Sturm" wurde in Bosnien gedreht und ist eine deutsch-dänische Koproduktion. Ist diese Internationalisierung des Deutschen Films, ein Trend, der Ihnen liegt?

Schmid: Wenn ich ein neues Projekt plane, ist mein Ansatz nicht, wo und mit wem ich drehe. Als wir uns entschieden hatten, einen Film über das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zu drehen, war schnell klar, dass es schwer sein würde, das Geld nur aus Deutschland zu beziehen. Da liegt die Überlegung schon nahe, dass man sich Partner aus anderen Ländern sucht. Genauso gut ist es möglich, dass ich als nächstes einen kleinen deutschen Film mache, ohne große, soziale Kontexte, in dem es um die Probleme eines Ehepaares geht. Ich verfolge da keinen Plan.

Ricore: Würde Sie die Arbeit im Ausland reizen? Der Deutsche Film ist derzeit im Ausland ja sehr populär.

Schmid: Nein, das reizt mich nicht. Was mich reizt sind Filme, die mit meinem eigenen Erzählansatz etwas zu tun haben. Ob das hier oder dort geschieht, ist mir egal. Das sehe ich pragmatisch. "John Rabe" wäre für mich kein Thema gewesen, da ich mit diesem Mann aus dieser Zeit keinen Bezug herstellen kann. Ich suche eher nach Figuren mit Konflikten, die mir erzählenswert erscheinen. Wo sich das abspielt und in welchem Rahmen, das weiß ich nicht. Geld ist immer zu knapp.

Ricore: Lehnen Sie historische Themen generell ab?

Schmid: Nein, "Requiem" ist ja auch ein Historienfilm, wenn man so möchte. Das ist schwer zu beantworten. Man merkt deutlich, ob hinter einem Film eine Autorenschaft oder ein innerer Erzählwunsch steht, dann kann der Film in den 1920ern, 30ern oder 40ern spielen, das ist völlig egal, wenn es um universelle Probleme geht und um die Handschrift eines Autors, der seine Idee vermitteln möchte. Im Gegenteil merkt man schnell, wenn es darum geht Events, zu schaffen.
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Hans-Christian Schmid gibt letzte Regieanweisungen
Ricore: Könnten Sie sich denn vorstellen, eine Komödie zu drehen?

Schmid: Wenn es gelingt, sind Komödien großartig. Ich glaube aber, dass es sehr schwer ist, eine gute Komödie zu schreiben. Ich kann mir aber schon vorstellen, dass sich das irgendwann wieder ergibt. Die Vorstellung, komisch sein zu wollen, und das funktioniert dann nicht, gefällt mir nicht. Ich kenne nur wenige gute Komödien.

Ricore: Haben Sie in der letzten Zeit welche gesehen?

Schmid: Ja, "Junebug" hat mir sehr gut gefallen. Das ist aber auch eher eine Situationskomödie. "Meine Braut, ihr Vater und ich" fand ich auch sehr lustig. Sowas könnte ich gar nicht drehen, glaube ich.

Ricore: Die Hauptfigur bewegt sich viel in Fluren und hermetischen Räumen. Vielleicht ein Symbol dafür, dass es dem Tribunal an Offenheit und Transparenz fehlt?

Schmid: Nein. Ich finde sogar, dass das Meiste, was in Den Haag passiert, offen und transparent geschieht. Man kann sogar bei so einem Verfahren zuschauen, wenn man vorher seinen Ausweis hinterlegt. Das ist ja auch ein Grundsatz des Tribunals, offen und offenherzig zu sein. Was wir zeigen wollten, und die Beobachtung stimmt tatsächlich, ist, dass die Leute in der Welt der internationalen Justiz wenig Privates haben. Sie leben in Übergangsorten, Flughäfen und Hotelzimmern.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 8. September 2009
Zum Thema
Sturm (Kinofilm)
Als hart arbeitende Anwältin in Den Haag beschränkt sich Hannah Maynards (Kerry Fox) Privatleben auf wenige Tage im Monat, an denen sie ihren Lebensgefährten, den EU-Abgeordneten Jonas Dahlberg (Rolf Lassgård) sieht. Doch selbst ihre Liebe gerät in Bedrängnis, als Hannah bei ihrem Kampf gegen Kriegsverbrecher politische Befindlichkeiten verletzt und Abmachungen bricht, um einen fairen Prozess zu gewähren.
Im bayerischen Wallfahrtsort Altötting geboren, wird dem deutschen Regisseur Hans-Christian Schmid manchmal unterstellt, er sei katholisch und konservativ erzogen worden. Doch das ist falsch. Zwar lassen "Die Mechanik des Wunders", "Himmel und Hölle" und nicht zuletzt "Requiem" darauf schließen, doch Schmids Elternhaus war äußerst liberal. Schon Ende der 1990er Jahre etablierte sich der Student der Hochschule für Fernsehen und Film München als Drehbuchautor und Regisseur. Mit "23 - nichts ist..
2024